Auftakt des »Römischen Hurenregiments« – Papst Johann X.: im Bett und auf dem Schlachtfeld

Entscheidend für länger als ein Jahrhundert wurde, daß durch den Heiligen Vater Sergius III., den Doppelmörder, das Geschlecht eines gewissen, mit ihm wahrscheinlich verwandten Theophylakt in Rom die Macht bekam, darunter auch einige herrschbegierige, ebenso gerissene wie genußsüchtige Damen. – Das Etikett »Römisches Hurenregiment« oder »Pornokratie« haftet dieser Periode der Stellvertreter Christi seit dem protestantischen Theologen Valentin Ernst Loescher an (Herausgeber der theologischen Zeitschrift »Unschuldige Nachrichten von alten und neuen theologischen Sachen: 1701–1720«). Doch florierte die Hurerei, an sich ja kein so schlimmer Zug, wie beim katholischen Klerus überhaupt, so auch in Rom, wo es am heiligsten ist, durch alle Zeiten fort.

Theophylakt (gestorben in den frühen 920er Jahren), aus römischem Hochadel, Konsul, Senator, magister militum, stand nicht nur an der Spitze der römischen Stadtverwaltung, sondern stieg auch zum Leiter der päpstlichen Finanzen, zum höchsten Verwaltungsbeamten der Kirche auf.

Seine Frau, die ehrgeizig-energische und schöne Theodora d.Ä. – »die schamlose Hure«, wie Bischof Liutprand von Cremona in seinem anrüchigen, oft boshaft-ironischen, episodenreichen, aber gleichwohl wichtigsten Geschichtswerk dieser Zeit »Antapodosis« sagt –, nannte sich selbst »Senatrix«, war Mutter zweier Töchter, Theodora d.J. und der Marozia, »sogar noch eifriger im Venusdienst«, und koitierte mit einem künftigen Papst, Johann X. (Der katholische Papsthistoriker Franz Xaver Seppelt möchte dies nicht glauben, möge auch sein, »daß der neue Papst nicht gerade christlich gesinnt war und daß sein Leben den Anforderungen des Sittengesetzes und seines hohen Amtes nicht entsprach«.)

Theodoras nicht minder verführerische Tochter Marozia (diminutiv für Maria: Mariuccia, Mariechen), in erster Ehe Gattin des Herzogs Alberich I., der sich nach Kaiser Lamberts Tod Spoletos bemächtigt hatte, trieb es indessen, wenn wir Bischof Liutprand und dem offiziösen Papstbuch glauben dürfen (und sogar Seppelt hält dies jetzt für »höchst wahrscheinlich«), mit Papst Sergius III., vermutlich ihrem Onkel; beider Bemühungen entsprang Papst Johann XI. (931–935). Der englische Theologe de Rosa weiß: »Das erste mal hatte Papst Sergius sie im Lateranpalast verführt.« Ganz ähnliche Zustände aber, die in Rom »fast immerhin eineinhalb Jahrhunderte dauerten« (Halphen), herrschten auch an anderen Bischofssitzen. 52

Nachdem Papst Lando (913–914), Sohn des reichen Langobardenfürsten Taino und eine Marionette Theodoras d.Ä. (gest. nach 916), deren Schützling Johann vom Bischof von Bologna, der er angeblich gewaltsam und tatsächlich ohne Weihe geworden war, für neun Jahre (905–914) zum Erzbischof von Ravenna gemacht, soll Johann – »zweifellos eine starke Persönlichkeit« (Handbuch der Kirchengeschichte) – öfter bei Theodora im Bett als zu Ravenna in der Kirche gewesen sein; Gerüchte vielleicht, nicht zuletzt Pfaffengerüchte. Doch schildert Bischof Liutprand ziemlich atemberaubend den Aufstieg des nachmaligen Papstes Johann: wie geistliche Pflichten ihn wiederholt nach Rom rufen, wie Theodora, die »recht schamlose Dirne, von der Hitze der Venus entflammt (Veneris calore succensa)«, sich in die schöne Erscheinung des Priesters verliebt – »und wollte mit ihm nicht nur huren, sondern nötigte ihn nachher immer wieder dazu ...« Natürlich waren die Wartezeiten, wie immer man sie sich vertrieben haben mag, lang und lästig, besonders wohl für Theodora, die bedürftige. Und so ist es wirklich wunderbar, wie nun ein Kirchenfürst nach dem andern rasch verbleicht und sozusagen seinen Sessel für Johann freimacht, der derart immer höher und vor allem Rom ständig näher rückt.

Zuerst stirbt, »während dieses schamlosen Treibens«, der Bischof von Bologna – und Johann wird Bischof in Bologna. Nach kurzer Zeit stirbt der Erzbischof von Ravenna – und Johann wird Erzbischof von Ravenna. Und nach wieder nur kurzer Zeit wird auch der Papst »von Gott gerufen« – und nun ist klar, was geschieht, geschehen muß, ist doch alles in Gottes Heilsplan vorgesehen: Theodora also, »deren verdorbenes Gemüt es nicht dulden konnte, daß ihr Liebhaber, zweihundert Meilen, die Rom von Ravenna trennen, von ihr entfernt, nur selten zum Beischlaf zur Verfügung stehen würde, nötigte ihn, den erzbischöflichen Stuhl in Ravenna zu verlassen und – es ist unerhört – in Rom die höchste Würde als Pontifex in Besitz zu nehmen«.

Theodora war zwar nicht mehr die Jüngste und starb bald darauf. Doch jedenfalls saß jetzt der so strapazierte Ravennater Erzbischof als Johann X. (914–928), trotz klerikalen Widerstandes, fest im Sattel; und dies verdankte er sogar nach Seppelt (der hier ganz den Heiligen Geist vergißt), »lediglich der Familie des Theophylakt«. Der zehnte Johann aber hielt sich um so länger, als er für seine geistlichen Pflichten nur wenig Zeit und Augenmaß hatte, wenn ausgerechnet auch ihn Chronisten, da er die strenge Regel von Cluny bestätigte, den Reformatoren des Mönchtums zuzählen. Und erwies er wohl schon im Bett sich als der, wofür man ihn hielt, im Krieg stand er erst recht seinen Mann.

Die dauernden »Wirren« unter den Christen, ihr jahrzehntelanges gegenseitiges Abmurksen (und das anderer) hatte die Aktivität der Araber noch angeregt und u.a. zu einem Stützpunkt für ihre Operationen an der Mündung des Garigliano geführt. Doch kaum war Johann Papst, schloß er einen Militärpakt, stellte er einen großen Kampfbund mittel- und süditalischer Machthaber zusammen, bestehend aus Truppen von Spoleto, Benevent, Neapel, Gaeta und vor allem der Griechen. Ihr Kaiser schickte, »als frommer, gottesfürchtiger Mann«, sofort Soldaten per Schiff. Und der Papst, ohne Zweifel viel frömmer noch als der Byzantiner, ließ die Römer schwören, »keinen Frieden« mit den Sarazenen zu schließen, »bevor wir sie nicht aus ganz Italien ausgerottet haben«.

In der Tat gelang es ihm, auch sein kriegerisches Treiben »mit einer Serie schöner Erfolge zu krönen« (Eickhoff). Auf päpstliche Initiative wurde zunächst das Tibertal und das Salernitaner Gebiet von Arabern »gesäubert«. Im Mai 915 schloß man die Garigliano-Sarazenen ein und schlug – mit entscheidender Hilfe der Byzantiner – im August die Schlacht am Carigliano, bei der vielen christlichen Kämpfern die Apostel Peter und Paul erschienen sein sollen. Das wieder mag dazu beigetragen haben, daß den Rechtgläubigen nur wenige Gegner entkamen, die man dann noch in den Bergen vertilgte. Bischof Liutprand behauptet gar: »Im täglichen Kampf der Griechen und Lateiner blieb durch Gottes Barmherzigkeit nicht einer der Punier übrig, der nicht mit dem Schwert getötet oder sofort lebend gefangen wurde.« Der Stellvertreter Christi aber, der selbst am Krieg teilnahm, prahlte gegenüber dem Erzbischof Hermann von Köln, sich und sein Leben eingesetzt und die Soldaten zweimal persönlich zum Angriff geführt zu haben.

Als Realpolitiker mißachtete Johann X. die Rechte des geblendeten Kaisers Ludwig III. von der Provence (S. 338 f.) und krönte noch im Dezember 915 den einflußreicheren, über Oberitalien gebietenden König Berengar (888–924), zu dem er schon als vielbeschäftigter Ravennater Erzbischof Beziehungen pflegte, in St. Peter zum Kaiser; nach Wido und Lambert der dritte und letzte Kaiser italienischer Nation. Berengar schwor den hergebrachten Eid, die Interessen sowie den Besitz des Römischen Stuhles zu schützen, und beschenkte Klerus, Adel und Volk. Doch sein Kaisertum war nicht viel mehr als Schall und Rauch.53

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
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