Erzbischof Gunthar von Köln verrät ein erlogenes Beichtgeheimnis

Als selbst ein »Gottesurteil«, eine »Wasserprobe«, bei der Theutbergas Vertreter Hand und Arm »unverbrüht« aus dem siedenden Wasser zog, zu ihren Gunsten ausging, fand man noch das »Gottesurteil« nicht ausreichend (das manche schon damals für faulen Zauber hielten, mittels dessen man andere austricksen konnte – indes die Kirche, trotz des Widerspruchs nicht weniger Theologen, die Praxis dieses iudicium Dei durchaus geduldet, noch in den Hexenprozessen praktiziert, wahrscheinlich sogar neue Formen, besonders die »Kreuzprobe«, erst entwickelt hat). So tischte der königliche Erzkaplan, Erzbischof Gunthar von Köln (850–870) – der das dortige reiche Kirchengut, einschließlich der heiligen Gefäße »von Gold und Silber und vieler Art« (Annales Xantenses) zugunsten seiner zahlreichen feudalen Verwandtschaft verschleuderte, seiner Brüder, Neffen, Schwestern, Nichten –, tischte der Prälat die Lüge auf, Theutberga habe ihm ihre Sünde in der Beichte bekannt.

Darauf verurteilte sie eine von Schmerz und Schauder erfüllte, außer von Gunthar von den Erzbischöfen Teutgaud von Trier und Wenilo von Rouen angeführte Landessynode in Aachen im Februar 860, vor der sie ein erzwungenes, schriftlich aufgezeichnetes, mündlich noch einmal bestätigtes, bald aber widerrufenes Geständnis ablegte: »Ich, Theutberga, ins Verderben geführt durch weiblichen Vorwitz und Schwäche, gefoltert von Gewissensbissen, lege zur Rettung meiner Seele und aus Treue gegen meinen Herrn ein wahres Geständnis ab vor Gott und seinen h. Engeln, diesen ehrwürdigen Bischöfen und edlen Laien, und bekenne, daß mein Bruder, der Kleriker Hucbert, mich in früher Jugend verführt und mit meinem Körper widernatürliche Unzucht getrieben hat. Das bezeuge ich auf mein Gewissen hin, nicht durch eine böswillige Einflüsterung dazu bewogen, noch durch gewalttätigen Zwang dazu getrieben, sondern der einfachen Wahrheit gemäß, so wahr mir der Herr helfe, der gekommen ist, die Sünder zu retten und denen, welche die Sünden aufrichtig und wahrheitsgemäß bekennen, wahre Verzeihung versprochen hat. Ich erdichte nichts, ich bekenne die Wahrheit mit meinem Munde, ich bekräftige sie durch dieses eigenhändige Schriftstück, weil es für mich unkluges und betrogenes Weib ein geringeres Unglück ist, vor den Menschen offen meine Schuld zu bekennen, als vor dem Richterstuhl Gottes erröten zu müssen und der ewigen Verdammnis anheimzufallen.«

Nach Regino von Prüm hatte der König die Zustimmung des Kölner Kirchenfürsten, damals sein Erzkapellan, »auf jegliche Weise« zu gewinnen versucht, hatte er dem großen Verwandtenwohltäter sogar versprochen, seine Nichte zu ehelichen. Sie wurde denn auch, berichtet der Abt, 864 an den Hof geholt und, »wie man erzählt, einmal von ihm genotzüchtigt (constupratur), dann unter dem Gelächter und dem Hohne aller ihrem Oheim zurückgeschickt«. Aber Seelsorge ist noch nie leicht gewesen ...

Immer mehr entwickelte sich eine Schmierenkomödie. Die ehrwürdigen Konzilsväter waren über Theutbergas Bekenntnis zutiefst schockiert. Sie wollten vom König wissen, ob »dieses Weib« von ihm erpreßt worden sei, was er mit Schwüren und Seufzern verneinte. Und ebenfalls versicherte Theutberga, sie habe alles ganz freiwillig bekannt und wolle nie dagegen klagen. Darauf verbot man ihr zwar die Führung der Ehe mit Lothar, annullierte diese selbst aber nicht. Doch verschwand die Königin sofort in Klosterhaft, um ihr Vergehen nach dem Wunsch der Synodalen zeitlebens zu büßen, zu beweinen. Noch im selben Jahr indes floh sie in das Westreich, wo auch ihr Bruderherz Hucbert, der verheiratete Priester und dann in einem Gefecht fallende Abt, aus seiner Abtei verjagt, unter Karls des Kahlen Schutz und Schirm weilte, der seinerseits bereits zu hoffen begann, das Erbe des Neffen, Lothars Land, zumindest teilweise zu gewinnen – freilich nur, falls dessen Ehe mit der kinderlosen Gattin fortbestand, wofür Karl selbstverständlich eintrat. Und ebenso sein einflußreichster Prälat, Hinkmar von Reims, Ende 860 in seiner so umfänglichen wie spitzfindigen Schrift »Über die Ehescheidung König Lothars«.

Lothar, von tiefstem Gram erfüllt, hätte Theutbergas Schande am liebsten verschwiegen, doch sei alles schon zu weit verbreitet gewesen. Ja, er hätte Theutberga »aus freien Stücken bei sich behalten«, wäre sie »für das Ehebett geeignet und nicht durch den verderblichen Makel der Blutschande besudelt« (Reginonis chronica). So erwies sich eine weitere Landessynode in Aachen Ende April 862 (mit den Bischöfen von Metz, Verdun, Toul, Tongern, Utrecht und Straßburg sowie den Wortführern, den Metropoliten wieder von Köln und Trier) dem König erneut nützlich. Sie erklärte die Ehe mit Theutberga für nichtig und erlaubte eine andere rechtmäßige Heirat. Noch an Weihnachten vermählte sich Lothar, »durch Zauberkünste, wie es heißt, verhext« (Annales Bertiniani), offiziell und feierlich mit der Konkubine seiner Jugend, und ein Bischof aus dem Reich Ludwigs II., Hagen von Bergamo, krönte Waldrada zur Königin.24

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
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