Kleriker in Herrschernähe
Otto II. wurde im Jahr der großen Ungarnvernichtung am Lech sowie, noch im selben Herbst, des großen Slawengemetzels als viertes Kind Ottos I. (und seiner zweiten Frau Adelheid) geboren, wurde sechsjährig 961 in Aachen zum König, zwölfjährig 967 in Rom zum Mitkaiser gekrönt. Der Kapellan Folkold, seit 969 Bischof von Meißen, und der St. Galler Mönch Ekkehard II. erzogen ihn. Und sicher haben, neben der frommen Mutter, auch sein Onkel, Erzbischof Brun von Köln, und sein Bruder, der außereheliche älteste Kaisersohn Erzbischof Wilhelm von Mainz (für Bestechung alles!), auf den Prinzen gewirkt. Zumal dem Bischof Wilhelm wurde während Ottos I. Abwesenheit 961 und 966 der Thronfolger ausdrücklich »zum Schutz und zur Erziehung« anvertraut (Adalberti continuatio Reginonis).
Kein Wunder, daß die Zeitgenossen Ottos Frömmigkeit loben, daß ihn Thietmar geradezu »maßlos in frommen Werken« nennt. So schenkte er dem Bischof Giselher von Merseburg, einem seiner Günstlinge, »erstens die Abtei Pöhlde, dann die Burg Zwenkau mit allem Zubehör zum Dienste für St. Johannes den Täufer; ferner überließ er ihm das gesamte, von der Mauer umschlossene Ortsgebiet Merseburgs samt Juden, Kaufleuten und Münze, ferner einen Forst zwischen Saale und Mulde bzw. zwischen den Gauen Siusuli und Pleißnerland; ferner Kohren, Nerchau, Pausitz, Taucha, Portitz und Gundorf; das alles bestätigt er durch eigenhändig vollzogene Urkunden«.
Der Bischof Giselher, »ein stets auf Emporkommen erpichter Krämer« (mercenarius, ad maiora semper tendens), konnte dies natürlich brauchen. Und um Erzbischof zu werden, berichtet Thietmar wieder, »bestach er mit Geld alle Fürsten, besonders die römischen Richter, denen stets alles käuflich ist ...«
Erheblichen Einfluß auf den rex iunior gewann sein jahrelanger Ratgeber, der intrigante Bischof Dietrich I. von Metz; als Schwestersohn der Königin Mathilde und Vetter Ottos I. wie Erzbischof Bruns, die ihn beide zum Oberhirten machten, gleichfalls ein Mitglied des kaiserlichen Hauses und (ebenfalls) im Rufe kolossaler Geldgier stehend. Bischof Thietmar meldet, der Metzer Kirchenfürst sei von Erzbischof Giselher für »1000 Pfund Gold und Silber ... für die Verdunkelung der Wahrheit« bestochen worden. Der Kaiser selbst ließ ihm wohl nicht nur »scherzhaft« sagen: »Gott sättige dich im Jenseits mit Gold, wir hier können es alle nicht!« Freilich vermehrte er auch die Gnadenfülle seiner Bischofsstadt durch einen imposanten Reliquienfond, den er eigens aus Italien transferierte, wo heilige Knochen zu den edelsten Bodenschätzen zählen.
Beträchtlichen Einfluß auf Otto II. übte Erzbischof Willigis von Mainz aus (975–1011), der als Ottos Erzkapellan und Erzkanzler für Deutschland amtierte, wo er noch heute als Heiliger verehrt wird, nicht zuletzt in Mainz.
Gewicht in der Regierung hatte auch, zumal seit der fast völligen Ausschaltung der Luitpoldinger, Bischof Hildibald von Worms, seit Herbst 977 Leiter der deutschen Königskanzlei; ein Amt, das er als erster Kanzler auch nach der Ernennung zum Oberhirten bis zu seinem Tod behielt. Dabei veranlaßte er zugunsten seiner episkopalen Macht, zur Sicherung und Erweiterung verschiedener Besitz- und Rechtstitel des Bistums, »die Fälschung oder Verfälschung von 18 Königsurkunden des 7.–10. Jahrhunderts« (Seibert). Und wie Erzbischof Willigis, ist auch dieser versierte Seelenhirte dann viele Jahre an der Vormundschaftsregierung für den Sohn und Nachfolger beteiligt. (Und Bischof Burchard von Worms, einer »der bedeutendsten Kanonisten des Frühmittelalters« [Lexikon für Theologie und Kirche], hat dann diese »Fälschungsaktivität« [Landau] mit »skrupelloser Feder« [Seckel] fortgesetzt.)
Eine Rolle am Hof Ottos II. spielten u.a. Bischof Hugo von Würzburg (983–990), ein Mitglied der kaiserlichen Kapelle, gelegentlich auch der hochadelige Abt Adso von Montier-en-Der (später als Verfasser einer Schrift über das Kommen des Antichrist bekannt geworden) sowie der gelehrte Gerbert von Aurillac, Abt, Erzbischof und schließlich Papst (Silvester II.).3
So setzte der Sohn, wenn auch mit geringerer »Kraft«, die Politik, besonders die Kirchenpolitik, des Vaters fort, nicht zuletzt im Osten und Norden, und hatte die Bischöfe fast geschlossen hinter sich. In Italien aber ging er noch über den von Otto I. gesteckten Rahmen hinaus, beabsichtigte er doch von Anfang an, auch den Süden des Landes zu erobern, um es ganz zu beherrschen.4