Herzog Ratislaw wird geblendet, Erzbischof Method vom Passauer Bischof mit der Reitpeitsche traktiert
Mit dem Kirchenstreit unlösbar verbunden war der politische Konflikt. Ludwig der Deutsche fiel eben seinerzeit wieder einmal im Osten ein. Mit drei Heereskontingenten rückte er vor (S. 162). Dabei attackierte Prinz Karlmann von Kärnten aus das Fürstentum Neutra in der Slowakei, wo Ratislavs Neffe Swatopluk regierte (870–894). Er hatte dort, wo der Salzburger Erzbischof Adalram 828 den ersten Christentempel geweiht, als Teilfürst begonnen und offenbar die römische Kirche begünstigt. So wurde er denn aus all den da drohenden dynastischen Tücken wunderbar durch »Gottes Gnade«, »das gerechte Gericht Gottes« gerettet. Karlmann zog ihn auf seine Seite, und Swatopluk lieferte ihm den Onkel aus. Karlmann ließ Ratislav in Regensburg in ein Gefängnis sperren und drang jetzt »ohne irgend einen Widerstand in dessen Reich ein, brachte alle Städte und Burgen zur Unterwerfung, ordnete und verwaltete das Reich durch seine Leute und zog, bereichert mit dem königlichen Schatz, heim«.
Ratislav aber wurde im Spätherbst »schwer gefesselt« König Ludwig vorgeführt, – gnadenweise – geblendet und blind erneut in einen Klosterkerker geworfen. (Schließlich hatte es das ganze Jahr über Vorzeichen gegeben, »Wunderzeichen«: nächtelang eine wie in Blut getauchte Luft über Mainz, ein zweimaliges Erdbeben dort, auch wütete eine Rinderpest »aufs schrecklichste an einigen Orten Franciens«. Ja, während einer Synode in Köln wurden in der Kirche des hl. Petrus »Stimmen böser Geister gehört, die miteinander sprachen und sehr darüber klagten, daß sie aus den so lange innegehabten Sitzen ausgetrieben werden sollten«: Annales Fuldenses). – Man erinnert sich wohl an den »bösen Geist« von Caputmontium (S. 168).
Als Methodios aber seinen Schützer Ratislav verlor, ließen die bayerischen Bischöfe auch Methodios verhaften und jahrelang in Bayern – wo ist unbekannt – einkerkern, doch sicher stand dahinter »der gesamte bayerische Episkopat in enger Fühlungsnahme mit der weltlichen Macht« (Maß). Mähren wurde nun durch deutsche Markgrafen verwaltet.
Zuvor freilich, 870, hatte man den gerade erst durch den Papst approbierten Erzbischof auf eine Regensburger Synode geschleppt, einen Mann, der vermutlich ein ernsteres Christentum vertrat als der damals in Mähren missionierende fränkische Klerus, und es kam zu einem Zusammenstoß mit den bayerischen Prälaten, denen alles Slawische verhaßt war. »Du lehrst auf unserem Gebiet«, hielt man dem Verhafteten vor, während dieser seinerseits die Oberhirten von Salzburg und Passau bezichtigte, aus Ehrgeiz und Habgier die »alten Grenzen« überschritten zu haben.
Bischof Ermenrich von Passau hatte Methodios vielleicht gefangengenommen. Und Ermenrich, ein gebildeter Literat aus schwäbischem Adel, in Fulda Schüler Hrabans und Rudolfs, in Reichenau Walafrid Strabos, zeitweise auch am Hof Ludwigs des Deutschen in Regensburg weilend, er stürzte sich – nach Papst Johann VIII. – mit einer Reitpeitsche auf den Bruder in Christo, setzte ihn längere Zeit unter freiem Himmel dem Winter, dem Regen aus und kerkerte ihn vermutlich auch ein. Von Ende 870 bis 873 jedenfalls saß Erzbischof Methodios in Klosterhaft, entweder bei Freising, in Regensburg oder in Ellwangen, wo Ermenrich einst Mönch gewesen.42