»Deutsche christliche Aufbauarbeit im Osten« und der »garstigste Hund ...«

Doch dann scheint der Herr sie verlassen zu haben, kamen die Ungarn fast Jahr für Jahr wieder, erledigten diese am 5. Juli 907 in einem ostfränkischen Offensivkrieg – von bayerischen Bischöfen, Äbten und Adeligen mit König Ludwig dem Kind am 17. Juni 907 beschlossen – den bayrischen Heerbann bei Preßburg total. Eine »gewaltige Schlacht«, melden lakonisch die Annales Alamannici und fügen knapp hinzu: »und ihr abergläubischer Hochmut ist vernichtet worden«. Auf dem Mordfeld lagen nicht nur mehrere Grafen nebst viel sonstig Edlem, sondern auch drei Äbte und drei Bischöfe, der Erzbischof Thietmar von Salzburg sowie die Bischöfe Udo von Freising und Zacharias von Seben-Brixen – »die Blüte des bayerischen Adels und Episkopats ... und die Aufbauarbeit (!) blieb unterbrochen« (Bosl); in einem Land, das man zwar gern als alten Besitz ansah, das aber erst Karl »der Große« in vielen jahrelangen Kriegen von den Awaren geraubt hatte, deren gesamter Adel dabei zugrunde gegangen, ja, deren ganzes Volk damals aus der Geschichte verschwunden ist (IV 485 ff.) – »Aufbauarbeit«!

Erzbischof Thietmar von Salzburg, dessen »Reliquien« man 1602 wieder gefunden haben will, was für ein Glück, wurde in Salzburg zu den Heiligen bzw. Seligen gezählt; Bischof Zacharias von Seben und Bischof Udo von Freising erkannte man immerhin die »palma martyrii« zu, hatten sie doch ihr Leben »fuer den Glauben Christi auffgeopffert« (Meichelbeck). In der Ungarnschlacht in Thüringen vom 3. August 908 fiel auch Bischof Rudolf von Würzburg, offenbar der Initiator der blutigen Babenberger Fehde (S. 354 ff.). Dagegen ignoriert die Überlieferung das innerkirchliche Wirken dieses Oberhirten »fast völlig«. Auch sein Nachfolger, Bischof Thioto, anscheinend gleichfalls eine Kreatur der Konradiner, geht ganz im »Reichsdienst« auf; über eine kirchliche Tätigkeit in der Diözese Würzburg, der er fast ein Vierteljahrhundert vorsteht, hört man »praktisch nichts« (Störmer).10

909, 910, 913 liquidierten die Bayern zwar ungarische Streifscharen, doch verwüsteten die Invasoren von den Alpen bis zur Nordsee weiter das Land, setzten sie ihre Züge nach Deutschland unentwegt fort – nicht weniger als zwanzig zwischen 900 und 955. Bischof Michael von Regensburg verlor im Ungarnkrieg ein Ohr, streckte aber gleichwohl noch einen Gegner nieder und erwarb viel Beifall dafür. Was half's! Die »deutsche christliche Aufbauarbeit im Osten« war »neuerdings zusammengebrochen« (Heuwieser).

Dabei ist zweierlei bezeichnend: erstens, daß die Ungarn, ebenso wie die Normannen, sich gut über die inneren Zwiste des katholischen Abendlands zu informieren und diese zu nutzen verstanden; zweitens, daß die katholischen Fürsten auch gegenüber den Ungarn, wie gegenüber den Normannen oder Arabern, oft wenig Solidarität zeigten und meist lieber ihre Erbhändel ausfochten, als ihre Untertanen vor dem Feind zu schützen – was immerhin Herzog Arnulf »dem Bösen« (S. 364 f.) gelang, der die Ungarn durch einen Vertrag auf Jahrzehnte von Bayern fast gänzlich abhalten konnte. Vielmehr sind alle drei, Sarazenen, Normannen, Ungarn, »in zahllosen Fällen den Gegnern im eigenen Land auf den Hals gehetzt worden. Man trug kein Bedenken, sich mit ihnen zu verbünden. Emigranten gingen zwecks Wiedergewinnung der eigenen Stellung zu ihnen, um sie zum Eingreifen aufzumuntern.« Andererseits freilich hat die abendländische Christenheit »eine Fülle von ergreifenden Gebeten gegen die Heidennot gerade im 9. und 10. Jahrhundert geformt« (Tellenbach).11

Ja, war das nicht wunderbar, wahrhaftig wie von Gott geschaffen, wenn die Heidennot zu einer Fülle ergreifender Gebete führte? Wenn sie – Not lehrt beten – zu Gott hinführte? Ja, konnte da die Not überhaupt groß genug sein? Je größer die Not, desto größer doch der Pfaffengewinn, mochten auch Kirchen und Klöster vorerst in Feuer aufgehen, Rauch, man baut sie wieder auf, meist imposanter, schöner (- und läßt, wie heute noch, die »Laien« alles zahlen).

So machten die frommen geistlichen Herren die Ungarneinfälle noch schrecklicher als sie schon waren; machten sie die Ungarn schlechthin zu »Werkzeugen des Teufels«, zu »Gog und Magog« und erklärten, der Jüngste Tag stehe bevor.

Nach Bischof Liutprand haben diese Höllengeister keinen Gott und kein Gewissen. Sie ruinieren nicht nur Burgen und Kirchen, töten nicht bloß Menschen, sondern »um immer mehr Schrecken zu verbreiten, tranken sie das Blut der Erschlagenen«. Bischof Salomo III. von Konstanz (S. 366 ff.) schreckt mit seit der Bibel und den Kirchenvätern (auch gegenüber Christen) in allen Varianten hochbeliebten Tiervergleichen (I 3. Kap.): »jetzt dringt der garstigste Hund selbst in das Haus Christi ein«. Und Regino, Abt von Prüm (bis 899) und von Trier (bis 915), produziert geradezu »Greuelmärchen« (Weinrich) über die Barbaren, wobei er sich, offenbar der größeren Authentizität wegen, der reichen ethnographischen Topoi des Altertums bedient, reihenweise schlechte Eigenschaften der (neuen) Hunnen herzählt, vor allem »blutdürstige Wildheit« (cruentam ferocitatem), »viehische Wut« (beluino furori); sie leben nicht »nach Art von Menschen, sondern wie das Vieh« – »wie die wilden Tiere«, sagt auch Widukind –, ja, sie »verschlingen als Heilmittel die in Stücke zerteilten Herzen ihrer Gefangenen«.12

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
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