Heinrichs »Grenzsicherung« oder »...kam keiner davon«

Mit diesem König bekam dort, wo selbst in Friedenszeiten der Sklavenhandel florierte, der Heidenkrieg – besonders mit Panzerreiterei, allmählich eine feststehende Erscheinung – jenen Terrorcharakter gegen einige westslawische und baltische Völker, den er Jahrhunderte hindurch behielt. Wobei sich mit der gewaltsamen Bekämpfung der Böhmen, Elbslawen, Dänen immer sofort die Mission verband. Nahm das deutsche Volk stetig zu, wurden die Elbslawen (die Abodriten, Wilzen, Redarier, Ukrer, Heveller, Sorben, Milzener, Daleminzier) mit ungewöhnlicher Härte fortwährend dezimiert, ihre Dörfer hundertweise zerstört, ihre Menschen ermordet, vertrieben, deportiert. »Fremdherrschaft ist das größte Elend«, klagt Bischof Thietmar, denkt dabei aber, wie das einem christlichen Oberhirten zusteht, natürlich nur an die Unterdrückung des eigenen Volkes. (»Thietmars Chronik verlangt, lieber Leser«, so er selbst im Prolog I, »nach etwas Geneigtheit ...«)

Heinrich I. war schon 906 im Auftrag seines Vaters gegen den nordwestslawischen Stamm der Daleminzier gezogen. Derart bewies er »seine Befähigung zum Krieger« und kehrte »nach schweren Verwüstungen und Brandschatzungen erfolgreich« (Thietmar) zurück, was übrigens den ersten Ungarneinfall in Sachsen nach sich zog. Selbstverständlich hat Heinrich, wie jeder Sachse, die Wenden gehaßt und ihnen gegenüber keinerlei Unrecht gekannt: einer in Merseburg aus lauter Banditen, aus Dieben und Räubern rekrutierten und angesiedelten Truppe, der »Merseburger Legion« (die noch unter Otto »dem Großen« ins Feld zog, bis sie durch Boleslav I. von Böhmen vernichtet worden ist), erlaubte er gegen Wenden jedes Verbrechen. Und unentwegt ergänzte er sein Gangsteraufgebot. Wann immer er nämlich sah, »daß ein Dieb oder Räuber ein tapferer Mann und tüchtig zum Kriege sei, erließ er ihm die gebührende Strafe und versetzte ihn in die Vorstadt von Merseburg, gab ihm Äcker und Waffen und befahl ihm, die Mitbürger zu verschonen, gegen die Barbaren aber, soviel sie sich getrauten, Raubzüge zu machen. Die aus solchen Leuten gesammelte Menge also stellte eine vollständige Heerschar zum Kriegszuge.« Und Merseburg, direkt an der Grenze zum Slawenland gelegen, war selbstverständlich eine gute Ausfallbasis. Sieben Jahre seiner 17jährigen Regierungszeit benutzte der König zum Kampf gegen die elbslawischen Völker, tief ungerechte, bloß Unterwerfung und Ausbeutung bezweckende Kriege – einer »jener großen Führer ..., wie das Schicksal sie unserem Volke nur einmal im Jahrtausend gibt« (Lüdtke).15

928, Heinrich stand bereits im 52. Lebensjahr – nach manchem Historiker nun ein vollausgereiftes »Genie« –, eröffnete er die deutsch-hevellischen Kämpfe, »viele Kämpfe«, wie Widukind betont, die bis zum Beginn der vierziger Jahre dauern. Dabei nutzte der König einen mit den Ungarn geschlossenen Frieden und überfiel plötzlich im Winter, sehr ungewöhnlich seinerzeit, die Heveller, einen Teilstamm der Wilzen, jenseits der Elbe, an der mittleren Havel. (Von diesem Fluß, von seinem germanischen Namen Habula, ist der ursprüngliche Stammesname der Heveller, Habelli, abgeleitet; wie man denn auch annimmt, daß nach der slawischen Einwanderung im 6. Jahrhundert die germanische Restbevölkerung mit den Slawen sich vermischt und den Hevellerstamm gebildet hat; eine Wurzel der späteren Mark Brandenburg.)

Bei Heinrichs Anschlag auf die Heveller hatte ihn sein 16jähriger Sohn Otto begleitet – eine gute Schule für das Leben. Sonst konnte der Sprößling damals weder Lesen noch Schreiben, wie der gekrönte Vater zeitlebens, dessen immerhin mächtige Körpergestalt laut Widukind der herrscherlichen Würde erst die rechte Zierde verlieh! Auch trinkfest war der Fürst. Und ein großer Jäger, dessen Ende sich allerdings selbst auf der Jagd ankündigte (S. 409), auf der er manchmal »auf einem Ritt vierzig oder noch mehr Stück Wild erlegte« (Widukind; vgl. S. 585 Anm. 13!); wenn es nicht Jägerlatein ist. (Auch Latein verstand Otto nicht.) Doch das Menschenschlachten. Virtuos praktizierten es Vater wie Sohn. Und Nachfahren wie Vorfahren. Die Christen insgesamt, zumal ihre Edelauslesen.

Nach vielen Gefechten nahm man bei strengem Frost den wassergeschützten Hauptstützpunkt der Heveller, die strategisch besonders günstig gelegene Burg Brennabor (Brandenburg) – sie sollte später noch zehnmal den Besitzer wechseln (und nach einer angeblich gut begründeten Mutmaßung bereits das Ziel Karls »des Großen« bei seinem Wilzenzug von 789 gewesen sein). 948 wird in der Vorburg die älteste Bischofskirche etabliert. Und das mittlere Havelgebiet um die Brandenburg bildete dann die durch Otto I. dem Markgrafen Gero (S. 450 ff.) unterstellte Nordmark.

Gleich nach Eroberung der Brandenburg bezwang der König, unter Verwüstung ihres Landes, die südwärts im Raum um Meißen und Dresden wohnenden Daleminzier, die schon Karl »der Große«, die auch Heinrich selbst in jungen Tagen im Auftrag seines Vaters und noch einmal 922 bekämpft hatte und deren Hauptburg Gana (nach Jahna benannt, einem linken Nebenfluß der Elbe bei Riesa) er erst nach zwanzigtägiger Belagerung erstürmen konnte, worauf er sie dem Erdboden gleichmachte. Sämtliche Männer, vielleicht auch Frauen und Kinder, wurden erschlagen – nach Widukind alle Erwachsenen (puberes) niedergemacht, Knaben und Mädchen in die Sklaverei geschleppt. Zur Sicherung seiner Herrschaft errichtete der deutsche König dort auf einer Anhöhe 40 m über der Elbe die Burg Meißen (Misni), eine Festung von beträchtlicher strategischer Bedeutung. Und von kirchlicher, da hieran das spätere Bistum anknüpft. Die politische Rolle der Daleminzier war damit beendet.

Noch im selben Jahr, am 4. September 929, schlachtete ein sächsisches Heer, vor allem durch die Überlegenheit seiner Panzerreiter, die aufständischen Slawen bei Lenzen rechts der unteren Elbe, einer Sperrfeste in der Priegnitz. Quellen melden, sehr übertrieben, 120000, ja 200000 gefallene Wenden; zumeist waren es Fliehende und Gefangene, die man umbrachte, abstach oder in einen See trieb und ertränkte. Jedenfalls: man »schlug sie so, daß nur wenige entkamen« (Bischof Thietmar). »Von dem Fußvolk kam keiner davon, von der Reiterei nur sehr wenige, und so endete die Schlacht mit dem Untergang aller Gegner« (Mönch Widukind). Nach ihm fechten bei Lenzen die Barbaren, wie die Slawen immer wieder heißen, schlicht gegen das »Volk Gottes«, dessen Angesicht »Helle und Heiterkeit« umstrahlt – das gute Gewissen, das der Klerus in allen Kriegen zu seinen Gunsten seiner Soldateska attestiert. Am nächsten Tag fiel Lenzen –»durch Gottes Huld und Gnade ein herrlicher Sieg«. Sämtliche Einwohner wurden versklavt, Frauen und Kinder nackt weggetrieben. Die Besatzung der Burg, der an dem einzigen, strategisch wichtigen Elbübergang zwischen Bardowieck und Magdeburg gelegenen Hauptburg der slawischen Linonen, wurde, trotz Zusicherung freien Abzugs, geköpft – »man kannte keine Schonung, nur Vernichtung oder Knechtschaft« (Waitz).

Eine »Großtat der Kriegsgeschichte«, so ein Historiker der Nazizeit; geleistet durch den »Größten unter den Königen Europas« (regum maximus Europae), wie sich schon Mönch Widukind vernehmen ließ. Feierte doch auch Bischof Thietmar den Schlächter als einen, »der die Seinen klug zu behandeln wußte, Feinde aber schlau und mannhaft zu überwinden verstand«. Ja, es waren die gloriosen Jahre 928 und 929, in denen »die gewaltige, wahrhaft heroische Gestalt«, »die revolutionäre, schicksalgestaltende Größe Heinrichs I.«, »der Schöpfer des Reiches, der große deutsche König und Mensch« »seine schöpferische Ostpolitik begann« und jenen Boden gewann, »den nun der deutsche Mensch gestalten, den das lebendige Blut unzähliger Geschlechter arthaft und heimatlich formen durfte« (Lüdtke). Aber auch Richard Wagner rühmte Heinrich I. im »Lohengrin«: »Ruhmreich und groß dein Name soll / von dieser Erde nie vergehn!«16

Kriminalgeschichte des Christentums Band 05 - Das 9 und 10 Jahrhundert
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