PARTRIDGE
3 Minuten und 42 Sekunden
Nach dem Ausflug zum Archiv für Persönliche Gegenstände Verstorbener hatte Partridge noch eine Zeit lang nicht gewusst, wie er sich Zugang zum Luftreinigungssystem verschaffen konnte. Dann ist ihm klar geworden, dass einer der Zugangspunkte zum System im Codierungszentrum liegen muss, wo sämtliche Jungs aus seiner Etage einmal die Woche zur Codierung hingebracht werden.
Auf dieser Erkenntnis baut sein Plan auf.
Pünktlich zur Morgenklingel stellt er sich auf. Er hat einen Rucksack dabei, darin die Sachen von seiner Mutter, eine Dose Soytex-Pillen, ein paar Flaschen Wasser und das Messer, das er von der Ausstellung gestohlen hat. Er trägt eine Kapuzenjacke und einen Schal, obwohl es dafür eigentlich zu warm ist.
Wie immer werden die Jungen mit der Monorail gebracht. Er hält sich abseits der Horde. Viele Freunde hat er in der Akademie nie gehabt – Hastings ist eine Ausnahme, nicht die Regel. Partridge war zu berühmt, als er ankam – wegen seinem Vater und seinem älteren Bruder. Aber dann brachte Sedge sich um, und Partridge wurde auf andere Weise berühmt. Jeder Austausch war begleitet von Kopf-hoch-Bekundungen oder zumindest der Androhung davon.
Jetzt schlurft er an der Horde vorbei und setzt sich zwischen Hastings (der meist während der ganzen Fahrt schläft) und Arvin Weed, weil der ständig lange wissenschaftliche Abhandlungen auf seinem Handheld liest – Dinge, die Naturwissenschaftslehrer ausgelassen haben oder möglicherweise nicht unterrichten werden, Nanotechnologie, Biomedizin, Neurowissenschaften. Wenn man ihn zum Reden bringt, murmelt er was von sich selbst generierenden Zellen und synaptischen Feuern und Hirn-Plaque. Weil Arvin den größten Teil seiner Zeit im Schullabor verbringt – er ist auf irgendwas gestoßen, macht große Fortschritte, ein schlauer Junge, wird es weit bringen, wie Glassings sagt –, ist er nahezu unsichtbar, selbst wenn er mitten unter ihnen sitzt. Während Arvin sich durch Dokumente klickt, hat Hastings seine Jacke bereits zu einem Kopfkissen zusammengeballt.
Doch Partridge ist nicht unbemerkt geblieben. Vic Wellingsly, einer aus der Horde, brüllt quer durch den Wagen: »Hey, wie sieht’s aus, Partridge? Es heißt, du würdest heute in Narkose gehen. Kriegst du einen Ticker, oder was?«
Partridge wechselt einen Blick mit Hastings, der ihn aus unschuldigen Augen ansieht, um dann wütend Wellingsly anzustarren.
»Was?«, ruft Wellingsly. »Durfte ich das nicht sagen? Ich dachte, alle wüssten Bescheid?«
»Sorry«, murmelt Hastings Partridge zu und schüttelt sich das Haar aus der Stirn. Hastings will zur Horde gehören. Keine große Überraschung, dass er diese Information als Gegenleistung für ein wenig Anerkennung preisgegeben hat. Trotzdem ist Partridge sauer.
»Und?«, ruft Wellingsly. »Tick, tick, tick?«
Partridge schüttelt den Kopf. »Nur das Übliche«, sagt er. »Keine große Sache.«
»Stellt euch Partridge mit einem Ticker vor«, wirft einer der Elmsford-Zwillinge ein. »Sie würden den Schalter umlegen, allein um ihn aus seinem Elend zu erlösen. Aus Barmherzigkeit.«
Die Horde lacht.
Arvin blickt von seinem Buch auf, als würde er für einen Moment überlegen, ob er Partridge beistehen soll. Dann lässt er die Schultern hängen und liest weiter. Hastings schließt die Augen und tut, als würde er schlafen.
»Partridges Kopf würde auseinanderfliegen wie eine explodierende Melone«, sagt der andere Elmsford-Zwilling.
»Und alles über Lyda Mertz’ hübsches Kleid«, sagt Vic. »Hoppla, Lyda, tut mir leid. Partridge war wohl zu aufgeregt.«
»Lasst Lyda aus dem Spiel!«, sagt Partridge. Er klingt ärgerlicher, als er beabsichtigt hat.
»Oder was?«, fragt Vic. »Weißt du, ich würde mich freuen, dir den Arsch zu versohlen.«
»Ach, tatsächlich?«, sagt Partridge, und jeder weiß genau, was er meint: Du würdest wirklich gerne den Sohn von Willux verprügeln? Meinst du, das wäre klug? Partridge hasst sich für seine Worte. Sie sind ihm einfach über die Lippen gerutscht, bevor er es verhindern konnte. Er hasst es, der Willux-Sohn zu sein. Es macht ihn genauso zu einer Zielscheibe, wie es ihn schützt.
Vic sagt nichts mehr. Im Waggon wird es still. Partridge fragt sich, ob sie sich an diesen Augenblick erinnern werden, wenn er weg ist, gegangen oder tot, je nachdem, wie es läuft. Er muss schließlich riesige Ventilatorflügel überwinden. Wenn er Pech hat, wird er zerhackt – zerhackt wie eine Melone. Was werden sie dann von ihm denken? Dass er ein Feigling war, der beim Versuch wegzulaufen starb? Dass er defekt war, wie Sedge?
Er blickt aus dem Fenster. Die Landschaft huscht vorbei – die Spielfelder, die Steinmauern der Akademie, die vielstöckigen Wohnanlagen, die Einkaufskomplexe, die Bürogebäude und weiter draußen die automatischen Ernter bei der Arbeit auf den Feldern. Dann fahren sie in den dunklen Tunnel ein. Er stellt sich vor, wie sich die kranken und schwachen Unglückseligen an ihn klammern, an ihm zerren, das vergiftete Land, das ungenießbare Wasser, die Ruinen. Er will nicht dort draußen sterben – nicht, wenn er es vermeiden kann. Dennoch, es ist ein Risiko, das er auf sich nehmen muss. Er kann nicht hierbleiben, in dem Wissen, dass seine Mutter möglicherweise irgendwo da draußen ist, in dem Wissen, dass man ihn verändern wird, wenn er bleibt, tief in seinem Innern, auf eine Weise, an die er sich niemals bewusst erinnern wird.
Als hätte jemand einen Lichtschalter umgelegt, wird es kurz dunkel in ihrem Waggon, bevor das elektrische Licht aufflackert. Der Tunnel führt geradewegs ins Herz des Medizinischen Zentrums. Die Bremsen zischen, die Jungen werden leicht nach vorn gedrückt, dann steht der Zug. Die Jungs schnallen sich los und stehen auf.
Draußen sind alle still. Einige rufen halbherzige Abschiedsgrüße.
Partridge zieht Hastings zur Seite, bevor er losgeht. »Hey«, sagt er. »Das kannst du nicht machen.«
»Tut mir leid«, antwortet Hastings. »Ich hätte es ihm nicht sagen dürfen. Er ist eine verdammte Plaudertasche.«
»Das meine ich nicht«, sagt Partridge. »Es geht nicht um mich, sondern um dich. Eines Tages musst du dich gegen sie durchsetzen.«
»Vielleicht«, sagt Hastings.
»Du musst, und du wirst es schaffen. Ich kenne dich.« Partridge hat kein gutes Gefühl, weil er Hastings zurücklassen muss. Er wird ein bisschen verloren sein ohne ihn. Partridge will nicht, dass Hastings der Horde zum Opfer fällt, derjenige ist, auf dem sie herumtrampeln und den sie auslachen. »Kann sein, dass ich heute nicht zum Abendessen komme«, sagt er. »Ich muss lernen. Geh mit Arvin Weed. Setz dich zu ihm an den Tisch, okay?«
»Arrangierst du neuerdings meine sozialen Kontakte, oder wie?«
»Mach es einfach, ja? Vergiss nicht, dass ich dir das gesagt habe.«
»Du bist irre«, sagt Hastings.
»Nein, bin ich nicht.«
Zwei Eskorten tauchen auf und führen sie in unterschiedliche Richtungen.
»Wir sehen uns später, Irrer«, sagt Hastings.
»Bis dann«, sagt Partridge.
Er wird in ein kleines weißes Zimmer geführt – ohne Fenster. Die Mumienform liegt auf dem Untersuchungstisch. Sie ist vollkommen glatt und hat ein Scharnier auf der Rückseite, sodass Partridge hineinklettern kann. Über und neben der Mumie sind Geräte – Roboterarme, Schläuche, Greifer – alles blitzblank poliert und chromglänzend. In einer Ecke steht ein Schreibtisch mit einem Computer und einem Bürostuhl auf Rädern. Auf dem Tisch ist eine Vase mit einer falschen Blume darin – Erinnerung an Zuhause oder an die Natur?, fragt sich Partridge. Im Kapitol sind solche Gefühlsduseleien nicht gerade häufig.
Plötzlich steigen Zweifel in Partridge auf. Er muss das nicht tun. Es muss keiner wissen. Er kann mit Hastings Abendbrot essen und Lyda fragen, ob sie ihm hilft, das Messer zurückzulegen. Er erinnert sich an das Gefühl ihrer Taille und ihrer Rippen, als er mit den Händen über das seidene Kleid strich, während sie sich küssten. Wie gerne würde er ihr honigsüßes Haar noch einmal riechen.
Wahrscheinlich hat inzwischen irgendjemand bemerkt, dass das Messer verschwunden ist. Ein Hausmeister oder ein Lehrer. Lyda könnte schon im Schulleiterbüro sitzen und verhört werden. Wenn Partridge geschnappt wird, wird sein Vater außer sich sein. Möglich, dass er von der Akademie fliegt. Dass er ins Therapiezentrum geschickt wird und mit jemandem wie Lydas Mutter reden muss, Mrs Mertz. Und Lyda? Sie wird auch Ärger kriegen, wenn man Partridge erwischt. Sie werden nicht lockerlassen, bis sie wissen, wie er die Vitrine öffnen konnte.
Er könnte Glassings ins Vertrauen ziehen. Aber was würde Glassings tun? Er würde ihn beiseitenehmen, mit ihm in die Bibliothek gehen und sich unter vier Augen mit ihm unterhalten. Glassings würde schwitzen, wie er das manchmal tut, kleine Schweißperlen auf der Stirn, die er nach hinten in die Haare streicht. Er würde ihm zweifellos empfehlen, den Mund zu halten. Er würde Partridge verstehen.
Die Mumienform liegt wartend da, ein perfekter Abdruck seines Körpers. Er ist überrascht, wie groß sie ist. Noch vor ein paar Jahren war er der Kleinste in seiner Klasse und ein bisschen pummelig obendrein. Die Mumienform ist so lang und schmal, dass sie zu jemand anderem zu gehören scheint, jemandem, der älter ist, mehr wie Sedge. Wenn Sedge noch am Leben wäre – wäre Partridge inzwischen größer als er? Er wird es niemals erfahren.
Er will zurück, aber es ist schon zu spät.
Er hat nur ein paar Minuten, bevor der Techniker eintrifft. Kühle Luft strömt durch die Schlitze. Er zieht den Bürostuhl vom Schreibtisch weg und schiebt ihn unter den Schacht. Dann stellt er sich auf den Stuhl, schraubt die Abdeckung über seinem Kopf los und schiebt sie in die Decke. Er greift nach oben, packt den Metallrahmen und drückt sich von der Sitzfläche ab, wobei er den Stuhl zurück zum Schreibtisch tritt. Er zieht sich hinauf in den dunklen Schacht. Auf Händen und Knien schiebt er die Abdeckung wieder über das Loch. Das wird niemanden lange täuschen, aber es reicht vielleicht, um ein paar Minuten zu gewinnen.
Es ist dunkler in den Luftschächten, als er erwartet hat. Und lauter. Das System arbeitet und vibriert manisch. Er kriecht, so schnell er kann. Bis zum ersten Satz Filter muss er kommen, bevor das System pausiert. Von da an hat er genau drei Minuten und zweiundvierzig Sekunden, um den ersten Filter, die Reihe Ventilatoren und dahinter die zweite Barriere aus Filtern zu überwinden. Er muss sich seinen Weg in die Welt hinaus freischneiden. Falls er es rechtzeitig schafft, heißt das, und falls die Ventilatorblätter ihn bis dahin nicht in Stücke gehackt haben.
Genau wie in den Konstruktionszeichnungen abgebildet, kann er problemlos durch die Schächte kriechen, bis er den großen Haupttunnel der Luftfilteranlage erreicht. Hier kann er aufrecht stehen, sein Kopf berührt kaum die Decke. Die Blechpaneele sind vollkommen glatt und perfekt gerundet – ihm fällt das Wort Kesselpauke ein. Er ist nicht sicher, was es bedeutet. Was hat ein Kessel mit einer Pauke zu tun?
Direkt vor ihm ist die erste Reihe rosafarbener Filter, straff gespannt wie ein dichter, massiver Vorhang, und blockiert ihm den Weg. Partridge ist überrascht von der Farbe. Die Filter sind so rosig wie eine Zunge, und hier ist plötzlich alles hell erleuchtet. Er fragt sich warum. Wegen der Wartung?
Er zieht das Küchenmesser und denkt an Lyda, an ihre Stimme, die langsam in dem dämmrigen Raum bis zwanzig zählt, während seine Finger über die Klinge gleiten. Er macht sich daran, die Filter zu zerschneiden. Die Fasern sind zäh und durchzogen von dicken Strängen. Wie Muskeln. Wie Fleisch. Die Fasern beginnen sich zu lösen. Die Partikel wirbeln auf und fliegen umher und erinnern ihn erneut an etwas aus seiner Kindheit, das er nicht genau in Worte fassen kann … etwas wie Schnee?
Partridge hat gehört, dass die Fasern Widerhaken haben und sich in der Lunge festsetzen und zu Entzündungen führen können. Er weiß nicht, ob das wahr ist oder nicht. Inzwischen misstraut er allem, was ihm als Tatsache präsentiert wird. Andererseits will er keine überflüssigen Risiken eingehen. Also nimmt er seinen Schal und wickelt ihn um Mund und Nase.
Schließlich hat er die Filter ausreichend zerschnitten, um sich mit der Schulter einen Weg hindurchzubahnen. Seine Kapuzenjacke ist staubig rosa, als er auf der anderen Seite ankommt. Vor sich sieht er die Reihe gigantischer Ventilatoren, die Flügel scharf und reglos.
Er rennt zum ersten Ventilator, findet eine Lücke zwischen zwei Blättern und duckt sich hindurch. Er rutscht auf der glatten Oberfläche aus und fällt krachend auf die Hüfte – Unbeholfenheit wegen der Codierung. Der Schlag hallt durch den Tunnel. Hastig rappelt er sich auf, überwindet den nächsten Ventilator und den übernächsten, findet einen Rhythmus. Hat der Techniker schon gemerkt, dass seine Mumienform leer ist? Hat jemand lauten Alarm ausgelöst? Wurden die Spezialkräfte gerufen? Sobald sich herumspricht, dass Willux’ Sohn – sein einziger lebender Sohn – verschwunden ist, werden sie wie verrückt nach ihm suchen.
Immer schneller bewegt er sich von einem Ventilator zum nächsten, überwindet die Flügel wie einen Hindernisparcours. Er erinnert sich an einen Garten, vielleicht den Garten seines eigenen Elternhauses oder auch von jemand anderem. Es gab einen grünen Rasen und richtiges Gras und Bäume mit einer Rinde, die nicht glatt und poliert war. Sogar einen Hund gab es. Partridges älterer Bruder und noch jemand, ein groß gewachsenes Mädchen, hatten einen Parcours mit Seilen gebaut, an denen sie sich entlangschwingen wollten, mit Ringen, durch die sie sich werfen mussten. Und es gab einen Ball, den sie am Ende in einen Eimer schießen mussten. Es gab Getränke in rechteckigen Verpackungen mit winzigen Strohhalmen. Die Strohhalme hatten Ziehharmonikahälse, damit man sie zum Mund biegen konnte.
Plötzlich wird sein Kopf schwer und er gerät ins Rutschen. Er greift nach einem Flügel, um sich festzuhalten – die Kante ist so scharf, dass er sich schneidet. Blutstropfen sprenkeln den Boden. Er hat sein eigenes Blut erst ein paarmal gesehen, beim Zahnarzt beispielsweise, wenn die Geräte zu kräftig eingestellt waren und sein schaumiger Speichel plötzlich rosa wurde. Seine Sicht verengt sich zu einem Tunnel mit einem weißen Punkt am Ende, der sich rasch wieder ausdehnt.
Er wirft einen schnellen Blick auf die Uhr. Noch zweiunddreißig Sekunden und elf Ventilatoren. Ihm dämmert, dass er es vielleicht nicht schaffen wird. Dass er hier sterben könnte, in Stücke gehackt, und weil er die Filter hinter sich gelassen hat, wird sein Körper nach draußen gezogen, während der starke Luftstrom sein Blut mit den kleinen Fasern der Filter herumwirbelt. Sie werden sich rot färben. Die Techniker müssen Maschinen abschalten, eine Reihe von Leuten muss vorübergehend in neue Unterkünfte ziehen, Gerüchte werden gestreut. Die wahre Geschichte wird begraben werden. Sie werden kein Wort über ein Problem mit der Luftreinigungsanlage verlieren, weil dann alle glauben würden, dass die Unglückseligen den Aufstand proben und biologische Waffen einsetzen. Sie könnten sogar denken, dass die OSR, dieses lächerliche militaristische Regime, einen Treffer gelandet hat. Eine Massenpanik wäre die Folge. Nein, sie lassen sich eine andere Geschichte einfallen, und was Partridge betrifft, erfinden sie irgendeine traurige Story, die ihn – vielleicht – in einem edlen Licht dastehen lässt. Der arme Willux wird Berge von Kondolenzkarten erhalten. Es wird keine richtige Beerdigung geben. Genau wie beim letzten Mal, als Sedge starb. Niemand will Tote sehen, hier gibt es keine großartige Barbarei. Der arme Willux, beide Söhne und die Frau – alle tot. Drei Boxen im Archiv für Persönliche Gegenstände Verstorbener.
Partridge stolpert vorwärts, rutscht über den Boden, wirft sich zwischen Ventilatorblättern hindurch. Noch ein Schnitt in der Wange. Er hört ein fernes Ticken. Der Motor. Er springt durch den vorletzten Ventilator und sprintet los. Am Ende des Tunnels sieht er schon den letzten Satz rosafarbener Filter. Er will hier raus. Er will alles wieder spüren, Wind und Sonne. Er will seine alte Straße wiederfinden, sein altes Haus – weg, alles weg, das weiß er. Trotzdem. In seinem Verhaltenscode findet sich ein Widerstand. Warum? Was hat das alles mit seiner Mutter zu tun? Er hat ihre Sachen in der Metallkiste gefunden, und von dem Moment an war alles anders. Er hat den Beutel mit den Andenken, Mementos – den kleinen Schwan an der goldenen Halskette, die Geburtstagskarte, die Spieluhr, das Foto in der Plastikhülle. Er kann alles spüren, im Rucksack auf seinem Rücken.
Der letzte Ventilator klickt rückwärts, zwei Zentimeter, mehr nicht, und Partridge wirft sich im letzten Moment durch die Lücke zwischen zwei Blättern, gerade als die Ventilatoren in seinem Rücken bereits zu fauchen anfangen und die Luft wie in einem gewaltigen, tiefen, nicht enden wollenden Atemzug von der anderen Seite der Filter ansaugen. Die Luftströmung beginnt an ihm zu zerren. So ist es auch mit seiner Erinnerung – ein langes Einatmen, das ihn zurückzuziehen versucht. Er fällt, stemmt sich gegen den rauschenden Wind, zieht sich Hand über Hand von den Ventilatorblättern weg. Seine Stärkecodierung kommt ihm zu Hilfe. Er spürt eine unbändige Kraft. Als er nah genug ist, streckt er die Hand aus und hackt mit seinem Küchenmesser auf den Filter ein, bis das Loch groß genug ist. Er schiebt sich hindurch, während sich ringsum rosa Fasern lösen und an ihm vorbei in den Ventilator fliegen und ihm das Wort Konfetti einfällt.