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Puller richtete den Bug direkt auf die Anlegeplattform der Bohrinsel. Der Bowrider kämpfte sich durch Wind und Wellen.

Im letzten Augenblick wich er aus und verfehlte die stampfende Stahlplattform um dreißig Zentimeter.

»Jetzt!«, rief er.

Mecho und Diaz sprangen von der Steuerbordreling und landeten auf der Anlegestelle.

Puller steuerte das Boot von der Bohrinsel weg und überließ dann Landry das Ruder, während er den Stauraum aufschloss und das wasserdichte Fach öffnete, in dem er die Waffen verstaut hatte. Mit geübtem Blick sortierte er das Arsenal, während Landry sich darauf konzentrierte, das Boot auf Abstand zu halten.

Als Puller mit den Waffen fertig war, verstaute er sie in einem wasserdichten Seesack, verschloss ihn und reichte ihn Carson. Dann übernahm er wieder das Ruder und steuerte das Boot zurück.

»Der ist nicht gerade leicht«, sagte er nach einem Blick auf Carson und den Sack. Er nickte Landry zu. »Dazu braucht es Teamarbeit.«

Landry schnappte sich ein Ende des Sacks. »Wir schaffen ihn rüber.«

»Okay.« Puller schob den Gashebel vor und steuerte den Bowrider wieder auf die Stahlplattform zu, um erneut in letzter Sekunde abzudrehen.

Landry und Carson warfen den Seesack. Er flog über das tobende Wasser, und Mecho fing ihn auf.

Wieder ließ Puller das Boot eine Runde fahren und jagte durch die aufgewühlte See der Bohrinsel entgegen.

Landry war grün im Gesicht. Carson erging es nicht viel besser.

»Seid ihr bereit, oder soll ich noch eine Runde drehen?«, fragte Puller.

»Bloß nicht!« Carson winkte ab. »Ich will nur noch von diesem verdammten Boot runter.«

Landry nickte beipflichtend.

In letzter Sekunde riss Puller das Ruder nach backbord.

»Jetzt!«, rief er.

Beide Frauen sprangen von der Reling. Landry erreichte ihr Ziel, rollte sich ab und kam in eine sitzende Position. Carson hatte nicht so viel Glück. Als sie sprang, rutschte ihr Fuß vom nassen Boot ab. Sie kam nicht weit genug und landete nur mit dem Oberkörper auf der Plattform. Sie verlor den Halt und drohte ins Wasser zu stürzen. Mecho schnappte sich ihren Arm und hob sie mit spielerischer Leichtigkeit in Sicherheit.

Erstaunt über seine immense Kraft blickte Carson zu ihm hoch.

Mecho verteilte die Waffen, und sie gingen in die Hocke. Als Diaz und Landry ihre Waffen in Empfang nahmen, lächelten beide. Carson blieb es nicht verborgen. Auch sie musste lächeln, als sie ihr Gewehr in der Hand hielt. »Waffen können der beste Freund eines Mädchens sein«, sagte sie.

Noch hatte niemand auf sie geschossen. Noch schien niemand zu wissen, dass sie da waren. Der Sturm hatte den Bootslärm offensichtlich übertönt. Und ihre Landung auf der Anlegestelle war nichts verglichen mit den Schlägen, die der Ozean der gewaltigen Konstruktion versetzte.

Sie schauten hinaus aufs Meer, auf dem Puller das Boot zur letzten Vorbeifahrt manövrierte.

»Ich verstehe noch immer nicht, wie er es schaffen will«, sagte Landry. »Er kann nicht gleichzeitig steuern und springen.«

»Wir werden sehen«, sagte Carson.

Im Boot bereitete Puller sich auf die letzte Fahrt vor. Er nahm das Ende eines Ankertaus in die Hand und gab den anderen ein Zeichen, ihm Platz zu machen. Sie wichen zurück.

Puller schaute aufs Wasser, prüfte die Windrichtung und schätzte die Höhen und Tiefen der Wellentäler. Ein Blitz schlug in solch unmittelbarer Nähe ein, dass seine Nackenhärchen sich aufrichteten.

Jetzt oder nie.

Er schob den Gashebel nach vorn und richtete den Bug direkt auf die Anlegeplattform.

Noch zweihundert Meter.

Puller konzentrierte sich. Jede Einzelheit der hoch aufragenden Stahlkonstruktion gewann trotz des tosenden Sturms und der gischtenden See an Konturen.

Hundert Meter.

Mit einem Scharfschützengewehr das Visier auf sein Ziel richten. Sich ausrechnen, wie man sechs Gegner binnen weniger Sekunden ausschaltet, ohne dabei einen tödlichen Gegenschlag zu kassieren.

Noch fünfzig Meter.

Sich etwas einfallen lassen, wie man bei einer Geschwindigkeit von vierzig Meilen die Stunde von dem Boot herunterkommt und auf nassen Stahlplatten landet. Es erforderte absolute Konzentration, besondere Fertigkeiten und Glück.

Vor allem Glück.

Puller sprach ein stummes Gebet und gab noch mehr Gas.

Zehn Meter.

Er riss das Ruder nach backbord und rammte den Gashebel in genau dem Moment auf Leerlauf, als er sprang.

Die Vorwärtsbewegung des Bootes trug ihn mit sich, während es sich drehte und mit den Hartgummifendern, die Puller vor diesem Manöver angebracht hatte, gegen die Stahlplattform krachte und mit fürchterlicher Wucht wegkatapultiert wurde.

Puller befand sich in der Luft. Er schleuderte das Ankertau von sich, um nicht vom Boot mitgerissen zu werden. Ein Blick nach unten zeigte ihm schäumendes Wasser. Über ihm war nur der dunkle, drohende Himmel.

Unter ihm kamen Stahlplatten in Sicht.

Eine Sekunde später prallte er hart auf, rollte sich ab und ließ sich vom eigenen Schwung auf die Beine tragen. Mecho hechtete nach dem Tau. Im letzten Moment erwischte er es, zerrte das Boot heran und vertäute es.

Die Kanten der Anlegeplattform waren mit Gummi verkleidet, damit anlegende Boote nicht beschädigt wurden, und dank seiner Fender schien der Bowrider beim Zusammenprall keinen ernsthaften Schaden davongetragen zu haben. Aber so hoch und kräftig, wie die Wellen schlugen, würde das Boot vielleicht leckgeschlagen und in kürzester Zeit sinken.

Carson warf Puller seine M11 und die MP5 zu.

Es blieb keine Zeit mehr, sich zu fragen, wie er das geschafft hatte. Keine Zeit, Gott für die Hilfe zu danken.

Puller führte sie die Stahltreppe hinauf.

Stunde null.

Am Limit
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