25. November: Ernstzunehmende Einwände

Implantation + 16 Tage

 

Claus Rhumkorrf saß am Ultraschallgerät und wartete darauf, dass Tim damit fertig wurde, den Messwandler über Molly McButters Bauch zu führen. Inzwischen hatte Claus eine gewisse Vorliebe für Molly entwickelt, doch das lag nur daran, dass die Kuh eine überdurchschnittliche Intelligenz zeigte. Außerdem mochte er die Art, wie sie sich an seine Brust schmiegte, wenn er sie hinter den Ohren kraulte (was natürlich nur vorkam, wenn niemand im Labor ihn beobachtete).

Jian sah heute, Gott sei Dank, bereits besser aus. Sie hatte sogar ihr Haar gekämmt. Noch zwei Tage, höchstens drei, dann hätte sie wieder ihren deutlich unkreativeren Normalzustand erreicht. Aber das war kein Problem, denn sie befanden sich bereits auf der Zielgeraden. Es war keine Frage mehr: Die Kreaturen würden überleben, und alle Daten deuteten darauf hin, dass sie auf eigenen Beinen stehen würden.

Colding, dieses Arschloch – ihn so übel zu behandeln. Wie konnte er es wagen! Und doch hatte Colding Recht gehabt. Wenigstens bis zu einem gewissen Grad. Wenn Jian sich umbrachte, war dem Projekt schließlich auch nicht gedient. Jetzt, da die größten Probleme hinter ihnen lagen, konnte Claus sich erlauben, großzügig zu sein und ihre Medikamentendosis zu korrigieren. Zwar warf Jian noch immer hastig verstohlene Blicke in alle Ecken, doch er vermutete, dass sich ihr Verhalten bis zum Ende des Tages geben würde.

Der Balken auf dem Bildschirm erreichte seine volle Größe. Ein goldfarbenes Bild erwachte zum Leben. »Heilige Scheiße«, sagte er. Die Worte kamen ihm über die Lippen, bevor er sich selbst darüber klar war.

Baby McButter, die einst ein mikroskopisch kleiner Haufen undifferenzierter Zellen gewesen war, hatte einen weiten Weg hinter sich gebracht. Wenn Claus es nicht besser gewusst hätte, hätte er geschätzt, dass die Kreatur auf dem Bildschirm vier oder fünf Monate alt war, und nicht zwei Wochen.

Jian starrte das Bild an. Sie schüttelte den Kopf, als bemühe sie sich, einen klaren Gedanken zu fassen. Dann starrte sie erneut hin. »Da muss irgendwo ein Fehler sein«, sagte sie. »Dieser Fötus wiegt mindestens neunzig Pfund.«

»Mehr«, erwiderte Tim, als er aus Molly McButters Box trat. »Knapp einhundertzwanzig, würde ich sagen.«

»Nein«, entgegnete Jian. »Das Programm sagt voraus, dass die Föten zu diesem Zeitpunkt etwa fünfunddreißig Pfund wiegen müssten.«

»Ihr Programm gegen eine Waage?«, fragte Tim. »Ich glaube, die Waage gewinnt, Froot Loops.«

»Hören Sie mit diesen Spitznamen auf«, sagte Claus, der sich komisch vorkam, weil er Jian sofort verteidigte.

»Jians bescheuertes Programm ist mir egal«, sagte Tim. »Sehen Sie sich die verdammten Werte an. Über einhundert Pfund in zwei Wochen? Es gibt nichts, was so schnell wächst. Nicht einmal ein Elefant. Gar nichts.«

Das Leben, das er geschaffen hatte, gab Claus Rätsel auf. Die Hinterbeine wirkten viel dicker, als sie seiner Theorie nach hätten sein sollen. Auch die Vorderbeine sahen kräftig aus, doch sie waren dünner und länger als die Hinterbeine. Das bedeutete, dass sich die Kreatur mit abgewinkeltem Oberkörper bewegen würde – eher wie ein Gorilla, der auf allen vieren geht, und weniger wie ein rennender Hund oder ein Tiger, dessen Rumpf horizontal ausgerichtet ist.

Auch das Skelett war beträchtlich gewachsen. Die Rippen sahen sehr dick aus; sie reichten vom Kopf bis zu den Hüften und schienen einander zu berühren, fast als bildeten sie eine Art innere Rüstung.

»Doc«, sagte Tim, »was machen wir?«

»Wir beobachten und dokumentieren«, sagte Claus. »Wir bereiten alles vor, damit wir in einer Woche einen Kaiserschnitt durchführen können. Vielleicht auch schon früher.«

»Das meine ich nicht, Kumpel. Angesichts der Geschwindigkeit, mit der diese Dinger bisher gewachsen sind, dürften sie in einer Woche zweihundertsiebzig Pfund wiegen.«

Rhumkorrf nickte. »Stimmt. Und das Gewicht eines ausgewachsenen Tieres dürfte zwischen dreihundertsechzig und vierhundertfünfzig Pfund liegen. Sie haben Recht, die Organe könnten zu groß werden. Bei der zweiten Generation werden wir das Genom anpassen, aber im Augenblick können wir die Leber und möglicherweise auch die Nieren verwenden.«

Tim schnitt eine Grimasse, als habe er einen sehr, sehr dummen Menschen vor sich.

»Was?«, fragte Claus. »Was ist denn jetzt schon wieder Ihr Problem?«

»Ich rede nicht über Transplantationen und Organe, Sie durchgeknallter Nerd.« Tim wandte sich an Jian. »Wissen Sie, wovon ich spreche, Fruity Pebbles?«

»Mister Feely«, sagte Claus. »Ich werde Sie nicht noch einmal darauf hinweisen, dass Sie – «

»Raubtiere«, sagte Jian. »Zähne. Krallen. Ein Geburtsgewicht von etwa zweihundertsiebzig Pfund. Möglicherweise eine Verdoppelung des Gewichts innerhalb weniger Tage. Wo werden wir sie unterbringen? Womit werden wir sie füttern?«

Claus sah sie ausdruckslos an. Dann wandte er sich der gold schimmernden Darstellung auf dem Monitor des Ultraschallgeräts zu. Mit Hilfe des Trackballs drehte er das Bild des Fötus und betrachtete es von allen Seiten. Zähne. Krallen. Muskeln. Aggression. Der Angriff auf die Kamera. Töten schon im Mutterleib.

»Vielleicht«, sagte er leise, »sind das ernstzunehmende Einwände.«

Implantiert
cover.html
e9783641066789_cov01.html
e9783641066789_fm01.html
e9783641066789_ata01.html
e9783641066789_toc01.html
e9783641066789_fm02.html
e9783641066789_ded01.html
e9783641066789_epi01.html
e9783641066789_p01.html
e9783641066789_c01.html
e9783641066789_p02.html
e9783641066789_c02.html
e9783641066789_c03.html
e9783641066789_c04.html
e9783641066789_c05.html
e9783641066789_c06.html
e9783641066789_c07.html
e9783641066789_c08.html
e9783641066789_c09.html
e9783641066789_c10.html
e9783641066789_c11.html
e9783641066789_c12.html
e9783641066789_c13.html
e9783641066789_c14.html
e9783641066789_c15.html
e9783641066789_c16.html
e9783641066789_c17.html
e9783641066789_c18.html
e9783641066789_c19.html
e9783641066789_c20.html
e9783641066789_c21.html
e9783641066789_c22.html
e9783641066789_p03.html
e9783641066789_c23.html
e9783641066789_c24.html
e9783641066789_c25.html
e9783641066789_c26.html
e9783641066789_c27.html
e9783641066789_c28.html
e9783641066789_c29.html
e9783641066789_c30.html
e9783641066789_c31.html
e9783641066789_c32.html
e9783641066789_c33.html
e9783641066789_c34.html
e9783641066789_c35.html
e9783641066789_c36.html
e9783641066789_c37.html
e9783641066789_c38.html
e9783641066789_c39.html
e9783641066789_c40.html
e9783641066789_c41.html
e9783641066789_c42.html
e9783641066789_c43.html
e9783641066789_c44.html
e9783641066789_c45.html
e9783641066789_c46.html
e9783641066789_c47.html
e9783641066789_c48.html
e9783641066789_c49.html
e9783641066789_c50.html
e9783641066789_c51.html
e9783641066789_c52.html
e9783641066789_c53.html
e9783641066789_c54.html
e9783641066789_c55.html
e9783641066789_c56.html
e9783641066789_c57.html
e9783641066789_c58.html
e9783641066789_c59.html
e9783641066789_c60.html
e9783641066789_c61.html
e9783641066789_c62.html
e9783641066789_c63.html
e9783641066789_c64.html
e9783641066789_c65.html
e9783641066789_p04.html
e9783641066789_c66.html
e9783641066789_c67.html
e9783641066789_c68.html
e9783641066789_c69.html
e9783641066789_c70.html
e9783641066789_c71.html
e9783641066789_c72.html
e9783641066789_c73.html
e9783641066789_p05.html
e9783641066789_c74.html
e9783641066789_c75.html
e9783641066789_c76.html
e9783641066789_c77.html
e9783641066789_c78.html
e9783641066789_c79.html
e9783641066789_c80.html
e9783641066789_c81.html
e9783641066789_c82.html
e9783641066789_c83.html
e9783641066789_c84.html
e9783641066789_c85.html
e9783641066789_c86.html
e9783641066789_c87.html
e9783641066789_c88.html
e9783641066789_c89.html
e9783641066789_c90.html
e9783641066789_c91.html
e9783641066789_c92.html
e9783641066789_c93.html
e9783641066789_c94.html
e9783641066789_c95.html
e9783641066789_c96.html
e9783641066789_c97.html
e9783641066789_c98.html
e9783641066789_c99.html
e9783641066789_p06.html
e9783641066789_c100.html
e9783641066789_c101.html
e9783641066789_c102.html
e9783641066789_c103.html
e9783641066789_c104.html
e9783641066789_c105.html
e9783641066789_c106.html
e9783641066789_c107.html
e9783641066789_c108.html
e9783641066789_c109.html
e9783641066789_c110.html
e9783641066789_c111.html
e9783641066789_c112.html
e9783641066789_c113.html
e9783641066789_c114.html
e9783641066789_c115.html
e9783641066789_bm01.html
e9783641066789_ack01.html
e9783641066789_bm02.html
e9783641066789_bm03.html
e9783641066789_cop01.html