17. November: Ein Spaziergang am Strand

Implantation + 8 Tage

 

Colding und Sara liefen die Rapleje Bay entlang. Schnee, Sand und Steine knirschten unter ihren Füßen. Die beiden Landzungen rechts und links bildeten ein wassergefülltes U von knapp eineinhalb Kilometern Länge, das sich in nordöstlicher Richtung zu den scheinbar endlosen Weiten des Lake Superior hin öffnete. Sterne funkelten wie Diamantsplitter auf einer Lage schwarzem Samt.

Er musste etwas Zeit für sich haben, auch wenn es nur eine Stunde wäre. Jian hatte sich von ihrem Panikanfall erholt. Nicht vollständig, doch bis zu einem gewissen Grad; sie war noch immer nervös, und ihre Blicke huschten ständig in alle Ecken. Sie hatte wieder Halluzinationen, obwohl sie es leugnete. Colding hatte Rhumkorrf gebeten, die Dosis ihrer Medikamente noch ein wenig zu erhöhen.

Die Rapleje Bay war sechzehn Kilometer vom Landhaus, vom Hangar und vom Labor entfernt. Sara hatte Claytons abgedrehten Bv 206, den Nuge, ausgeliehen, damit sie etwas Abstand zwischen sich und den anderen schaffen konnten. Es war alles ein wenig viel gewesen: der Fötus, der die Kamera durchgebissen hatte, Jian, die völlig die Nerven verloren hatte, Danté, der kaum mehr ansprechbar war, und Fischer, der sie jagte. Doch das war es wert … oder nicht? Um das Leben von Millionen zu retten, um Menschen die Schmerzen zu ersparen, die seine Frau durchlitten hatte – heiligte dieser Zweck nicht die Mittel? Noch vor einer Woche hätte Colding mit Ja geantwortet. Jetzt war er nicht mehr so sicher.

Eine steife Brise blies aus Nordosten, so dass der Nylonstoff seines schwarzen Otto-Lodge-Parkas sich wellte. Ihm war eiskalt. Sara dagegen schien sich in Jeans, Pullover und Windjacke vollkommen wohlzufühlen.

»Du musst ein halber Pinguin sein«, sagte Colding. »Ich weiß, dass du in dieser Gegend geboren wurdest, aber es ist eiskalt.«

»Genau genommen bildet sich Eis erst bei null Grad. Wir haben aber mindestens sieben Grad. Das ist wie im Frühling. Wirklich.«

Colding lächelte und schüttelte den Kopf. Er fragte sich, wie sie mit einem glutheißen Sommertag in Atlanta zurechtkommen würde.

»Außerdem«, sagte Sara, »solltest du diese Hitzewelle lieber genießen, so gut du kannst. Jede Wette, dass auf einer Insel wie dieser hier die Temperaturen von Dezember bis Februar unter null liegen.«

Colding schauderte bei dem Gedanken. »Das ist ja schrecklich. Davon hatte ich schon auf Baffin Island genug.«

»Ach komm, Peej. Hier ist es wunderschön. Hier hat sich in den Fünfzigerjahren der Jet Set erholt, und du wirst auch noch dafür bezahlt, dass du hier bist. Weißt du, was dich eine einzige Übernachtung in einer Luxusgegend wie dieser kosten würde?«

»Wir sind mitten im Nirgendwo. Ich würde keinen Cent dafür zahlen.«

Sara verdrehte die Augen. »Das ist so typisch für dich, Peej. Der letzte knausrige Romantiker.«

Colding blieb stehen und musterte Sara. Ihr kurzes blondes Haar tanzte in der steifen Brise. Sie besaß eine Schönheit, die er nie an einer anderen Frau gesehen hatte, nicht einmal, das wurde ihm klar, an Clarissa. Sogar als Sara im rauen Wind die Augenlider zusammenkniff, ertappte er sich dabei, wie er ihre Lachfältchen bewunderte.

Sie drehte sich um, sah ihm in die Augen und lächelte. »Ich habe beschlossen, dir zu verzeihen, dass du dich wie ein verkommener Scheißkerl verhalten hast.«

»Gute Neuigkeiten für mich.«

»Hmm. Aber du schuldest mir immer noch was.«

»Wirklich?«

»Ja. Ganz gewaltig.«

»Verstehe. Und wie kann ich diese Schuld jemals begleichen?«

Sie grinste. »Der Nuge hat eine Heizung. Würde es dir nicht gefallen, Claytons Gefährt einmal zu einem … anderen Zweck zu nutzen?«

Er fühlte ein Kribbeln in seiner Brust, ein Vibrieren, das bis in seine Finger und Zehen reichte. Im Nuge?

»Äh …«, sagte er.

Sie nahm seine Hand und führte ihn zurück zum Fahrzeug mit dem Zebramuster.

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