7. November: Verdammt, sogar noch kälter

Mit hängenden Schultern betrat Colding das Büro mit der sicheren Kommunikationsverbindung und setzte sich an den Schreibtisch. Inzwischen trug er seine übliche Tageskleidung: Jeans und eine Schneehose, Schneestiefel und eine große, schwarze Daunenjacke, die auf der linken Brust mit dem roten G-Logo Genadas bestickt war. Er konnte sich mit seinem Arbeitgeber schließlich nicht im Bademantel unterhalten.

Dieser Terminal war der einzige Teil der Station, über den irgendwelche Nachrichten nach draußen geschickt oder von dort empfangen werden konnten. Die Verbindung führte an einen einzigen Ort – zu Genadas Hauptsitz in der Nähe von Leaf Rapids, Manitoba. Das Genada-Logo drehte sich als Bildschirmschoner auf dem Monitor. Colding drückte die Leertaste. Der Rechner hatte nur eine einzige Aufgabe, weshalb das Logo verschwand und die Verbindung aufgebaut wurde.

In diesen Sekunden läutete Dantés Handy mit einem besonderen Klingelton, was ihn dazu veranlasste, sich seinerseits an einen sicheren Terminal zu begeben.

Colding wartete geduldig und dachte dabei darüber nach, wie er seinen Bericht formulieren sollte. Nach etwas mehr als zwei Minuten erschien Dantés lächelndes Gesicht.

»Guten Morgen, P. J. Wie ist das Wetter?«

Coldig zwang sich zu einem Grinsen, als er diesen uralten Witz hörte. Baffin Island lag auf dem fünfundsechzigsten Breitengrad, und hier gab es nur zwei Temperaturen: verdammt kalt und verdammt, sogar noch kälter.

»Gar nicht so schlecht, Sir. Aber vergessen Sie nicht, dass ich nicht allzu oft draußen bin. In der Station selbst läuft alles großartig.«

Danté nickte. Colding hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass sein Arbeitgeber immer etwas Positives hören wollte, was Colding »ein Zuckerchen geben« nannte. Er konnte Danté diesen Wunsch nicht verübeln. Hätte Colding selbst eine halbe Milliarde Dollar in ein Projekt investiert, würde er auch gute Nachrichten hören wollen.

Dantés Haut zeigte die üppige Bräune eines Mannes, dem es selbst in der tiefsten und dunkelsten Einsamkeit Manitobas gelungen war, sich einen Ort zu schaffen, an dem er sich erholen konnte. Sein dichtes, rabenschwarzes Haar wirkte, als habe er sich gerade aus dem Stuhl eines Hollywood-Friseurs erhoben, und sein strahlend weißes Lächeln, als ob es die Kinder seines Zahnarzts durchs College gebracht hatte. Sein absurd großer Kiefer spielte in Karikaturen und politischen Witzzeichnungen eine besonders auffällige Rolle. Dieser Mann war das Gesicht einer milliardenschweren Biotechnologiefirma, ein Gesicht, das die Investoren in anhaltende Aufregung und Begeisterung versetzte.

»Ich wollte Sie ohnehin gerade anrufen«, sagte Danté. »Wir haben einige zusätzliche Säugetiergenome erworben. Während wir uns unterhalten, fliegt Valentine sie bereits zu Ihnen raus. Er müsste in etwa dreißig Minuten bei Ihrer Station landen. Sorgen Sie dafür, dass alles vorbereitet ist. Ich brauche ihn sofort wieder hier bei mir.«

»Betrachten Sie’s als erledigt«, sagte Colding.

Danté beugte sich näher an die Kamera heran. Es war nur eine kleine Bewegung, doch sein Gesicht trug einen erwartungsvollen Ausdruck. »Aber eigentlich haben Sie ja mich angerufen, und deshalb vermute ich, dass Sie gute Neuigkeiten über den letzten Immunreaktionstest für mich haben.«

»Der läuft in diesen Minuten«, sagte Colding. »Wir bekommen die Ergebnisse erst in ein paar Stunden.«

»Diesmal muss es einfach funktionieren. Es muss! Wenn nicht, wird es so langsam Zeit, dass wir neue Leute hinzuziehen. Absolute Spitzenleute.«

Colding schüttelte den Kopf. »Ich möchte mich nachdrücklich dagegen aussprechen. Im Augenblick ist hier alles gut gesichert. Wenn Sie weitere Mitarbeiter ins Spiel bringen, dann öffnen Sie der CIA Tür und Tor.«

»Aber wir überprüfen den Hintergrund der – «

»Lassen Sie’s, Danté«, unterbrach ihn Colding, der diese Diskussion nicht schon wieder führen wollte. »Genau aus diesem Grund haben Sie mich engagiert. Wir sind eine schlanke Operation. Vier Wissenschaftler, vier Sicherheitsbeamte. Mehr brauchen wir nicht.«

»Anscheinend brauchen wir sehr wohl mehr!«, sagte Danté knurrend und kniff die Augen plötzlich zu schmalen Schlitzen zusammen.

»Ich kenne dieses Team. Ich habe das Projekt schon einmal gerettet, können Sie sich noch erinnern?«

Danté lehnte sich zurück. Er holte tief Luft und atmete dann langsam aus. »Ja, P. J. Sie haben das Projekt tatsächlich gerettet. Schön. Aber wenn Sie mich nicht anrufen, weil Sie gute Neuigkeiten haben, dann rufen Sie mich an, weil es schlechte gibt.«

»Es geht um Jian. Sie … hat wieder Alpträume. Ich wollte, dass Sie das wissen.«

»So schlimm wie vorher?«

Colding schüttelte den Kopf. »Nein. Wenigstens noch nicht.«

»Was sagt Rhumkorrf dazu?«

»Er hat ihre Medikation neu eingestellt. Er glaubt nicht, dass es ein größeres Problem werden wird, und er ist sicher, dass wir es unter Kontrolle halten können.«

Danté nickte. Die Muskeln seines großen Kiefers zuckten leicht. »Diese alte Frau macht mich verrückt. Kein Wunder, dass die Chinesen sie loswerden wollten.«

Was für ein Idiot. Sie loswerden wollten? Danté hatte die Chinesen fast angefleht, damit sie ihm erlaubten, Jian bei Genada mitarbeiten zu lassen. »Danté, ich bitte Sie. Sie wissen doch ganz genau, dass wir bei diesem Deal am meisten gewonnen haben.«

»Aber dieser Deal war nur dann wirklich gut, wenn sie Erfolg hat und wir endlich Gewinn machen. Wenn sie versagt, werden viele Menschen eines elenden Todes sterben.«

»Ich bin mit den Konsequenzen eines Scheiterns durchaus vertraut, Danté.«

Dantés knurrige Miene entspannte sich ein wenig. »Natürlich, P. J. Entschuldigen Sie. Aber wir können dieses Fass ohne Boden nicht ewig finanzieren. Unser Investor will Ergebnisse sehen. Rufen Sie mich an, wenn sich irgendwas ergibt. «

»Ja, Sir«, sagte Colding und beendete die Verbindung. Auf dem Bildschirm drehte sich wieder das Logo von Genada. Das Unternehmen hatte viele Investoren, aber es gab nur einen, der Danté wirklich Sorgen machte – die chinesische Regierung.

Wenn Danté so schroff war wie heute, konnte das nur bedeuten, dass die Chinesen ihn bedrängt hatten. Sie wollten endlich sehen, dass ihre beträchtliche, wenn auch geheime Investition ihnen etwas einbrachte.

Und das bedeutete, dass ihnen die Zeit davonlief.

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