6:55 Uhr
Magnus saß auf der Vorderbank des Bv, die Erste-Hilfe-Ausrüstung neben sich. In seiner rechten Hand hielt er das Ka-Bar-Messer, und mit seiner linken drückte er mehrere zusammengerollte blutige Mullstreifen gegen seinen Oberschenkel. Er musste die Blutung stoppen. Seine Socke, sein Schuh und sein Hosenbein waren unterhalb des Knies bereits völlig von Blut durchtränkt. Er fragte sich, ob die Kreaturen eine Blutspur wittern konnten.
Er hatte Sara unterschätzt. Er hatte es verdient, angeschossen zu werden, denn wie ein völliger Schwachkopf war er ohne jede Deckung einfach losmarschiert. Zuerst Clayton und jetzt Sara – Magnus hatte seinen früheren Biss verloren.
Das Messer hatte er benutzt, um sein Hosenbein aufzutrennen. Schon komisch, das eigene Blut an seinem Messer zu sehen, doch es war nicht das erste Mal. Er hob die zusammengerollte Mullbinde an, um einen Blick auf die Wunde zu werfen. Sofort füllte sich das aufgerissene Fleisch mit der dichten roten Flüssigkeit.
Fuck. Sie hatte eine Arterie getroffen. Er drückte das Verbandsmaterial so fest auf die Wunde, dass der Schmerz in sein gesamtes Bein ausstrahlte. Er hatte diesen Tanz schon einmal mitgemacht. Druck alleine würde wahrscheinlich nicht ausreichen, außerdem hatte er keine Zeit zu warten.
Die Verletzung lag an der Außenseite seines Oberschenkels in der Nähe des Knies, deshalb wusste er, dass es nicht die Arteria femoralis sein konnte. Wahrscheinlich war es eine ihrer Verästelungen, vielleicht die … wie hieß sie noch gleich … irgendsowas wie lateralis circumflexa? Es spielte keine Rolle. Er musste die Blutung stoppen und das mörderische Miststück umbringen.
Er klemmte sich das Ka-Bar mit der Spitze nach oben zwischen die Knie. Mit seiner rechten Hand griff er auf die Rückbank des Bv und kramte in seiner Leinentasche, bis er fand, was er suchte – den Schneidbrenner.
Welche Ironie.
Wie vielen Menschen hatte er schon mit genau so einem Ding Brandwunden zugefügt? Wie viele Leben hatte er damit schon beendet? Und jetzt benutzte er eben dieses Gerät, um sein eigenes Leben zu retten.
Mit seinem linken Ellbogen drückte er das Verbandsmaterial weiter fest gegen die Wunde; dann öffnete er die Düse an dem kleinen Propanbehälter. Er fischte das Feuerzeug aus seiner Tasche und entzündete das Gas. Magnus richtete die blaue Gasflamme auf die Spitze des Messers und wartete darauf, dass die Klinge heiß wurde.
Er würde die Wunde ausbrennen müssen. Er würde die Mullbinde wegziehen, das Messer hineinstecken und die Arterie mit der Hitze verschließen. Dann noch ein Druckverband, und er wäre wieder einsatzfähig. Ob die Wunde noch einmal aufbrechen würde, wusste er nicht, aber er würde damit Zeit gewinnen und könnte sich wieder in Bewegung setzen.
Die Klinge begann rot zu glühen.
»Dafür wirst du bezahlen, Sara. Ich werde dafür sorgen, dass du ein ums andere Mal dafür bezahlen wirst.«
Er fragte sich, ob er dieses Messer auch wieder zurück nach Manitoba mitnehmen würde, ob es seinen Platz unter den anderen an der Wand seines Büros finden würde.
Er schloss die Düse und ließ den kleinen Propanbehälter zu Boden fallen. Er umfasste den Messergriff mit seiner rechten Hand. Die glühende Messerspitze schwebte nur zwei, drei Zentimeter über der Mullbinde.
»Und wo die Schuld ist, mag das Strafbeil fallen.«
Seine linke Hand zog das blutige Verbandsmaterial weg und mit seiner rechten rammte er die heiße Messerspitze in die Schusswunde. Das Blut warf Blasen, und Muskelgewebe zischte heiß auf. Der Gestank nach brennendem Fleisch erfüllte die Fahrerkabine des Bv.