Ausflug 1. Wir fahren von Frankfurt aus mit der S-Bahn nach Wiesbaden. Dort, am Bahnhof, steigen wir in einen Bus, der uns nach Schierstein-Hafen bringt. Schierstein-Hafen ist ein kleiner Ort am Rhein, und hier beginnt der Ausflug. Von Schierstein-Hafen führt ein Weg direkt am Rhein entlang. Im ganzen Rhein-Main-Gebiet gibt es keine andere Route, die uns direkt in Ufernähe nach Norden führt. Das Schöne daran ist: Wir schauen weder von oben auf den Fluss noch aus weiter Ferne. Die Augenhöhe ist der Grund, warum der Fluss ganz dicht an uns herantritt und dadurch erheblich breiter wirkt, als er de facto ist. Momentweise verlieren wir das Gefühl, dass es sich um einen Fluss handelt. Dann denken wir: Es ist in Wahrheit ein See, mindestens ein Delta, das bald in ein Meer einmündet. Das tut der Rhein nicht, jedenfalls nicht hier. Sondern er fließt ruhig, wenn auch mit enormer Kraft nach Norden. Wie stark die Strömung ist, sehen wir, wenn zwei Rheinschiffe an uns vorüberbollern, von denen das erste das Antriebsschiff und das zweite das Schleppschiff ist. Beide sind mit starken Stahlseilen miteinander verbunden, weil das Schleppschiff vom vorausfahrenden Schiff gezogen wird. Als ich das Schauspiel wiedersehe, stockt mir kurz der Atem. Denn ich sehe, dass ein paar Jungs genau das machen, was ich als Kind ebenfalls gerne tat. Die Jungs versuchen, sich auf die durchhängenden Schleppseile zu stellen, um die Lust des Schaukelns im Wasser zu empfinden, wenn die Schleppseile ein wenig durchhängen und sich dann plötzlich wieder anspannen. Ein falscher Schritt oder ein plötzlicher Ruck der Schleppseile genügt, und die Jungs rutschen von den Seilen und werden gegen den Bug des nachfolgenden Schiffs getrieben. Was dann passieren könnte, kann man nur fürchten: Die Jungs können sich schwimmend in der Strömung nicht rasch genug vom langen Schiffsrumpf entfernen und geraten in den Sog der Schiffsschraube. Aber alles geht gut. Hinter der Schiffsschraube tauchen die drei Kinderköpfe über der Wasseroberfläche wieder auf und werden schnell abgetrieben. Ich nähere mich meinem Ziel, dem rheinhessischen Weinort Eltville. An Wochenenden strömen Hobbytrinker aus allen Winkeln herbei und besetzen die Holzbänke. Aber heute ist ein gewöhnlicher Werktag, der Betrieb ist erträglich. Das gilt auch für den Rheinpfad selbst. An Wochentagen trifft man nur ein paar Müßiggänger. Aber am Wochenende bricht hier die Freizeitleidenschaft der Radfahrer aus. Sie rasen gern den Weg entlang, erwarten von den Fußgängern, dass sie zur Seite treten, damit sie unbehindert weiterdüsen können. Von Eltville sind es nur ein paar Schritte zum Bahnhof, der genauso schön verlassen inmitten der Landschaft liegt wie die Provinzbahnhöfe in französischen Spielfilmen der sechziger Jahre. Man muss den Fahrplan nicht kennen. Früher oder später kommt ein Zug und bringt die Ausflügler zurück.