Ich bin schon wieder bei den Feierabendpredigern. Der Beginn ihres Auftritts ist wieder ein gemeinsames Lied, danach noch eines. Was sie singen, ist immer dasselbe: Jesus wird uns retten. Es sind Männer und Frauen, junge und alte, müde Gesichter. Auch die Erweckten arbeiten den Tag über, und man merkt ihnen an, dass sie ein Opfer bringen wollen. Das Opfer ist bitter. Es bleibt kein Mensch stehen und hört sich an, dass wir nur dann weiterleben können, wenn sich der himmlische Retter unserer erbarmt. Der einzige, der in einiger Entfernung stehen bleibt, bin ich. Ich bleibe stehen, weil ich kaum fassen will, wie eine Handvoll Menschen seit über dreißig Jahren einer so aussichtslosen Übung treu bleiben kann. Die Hauptstütze der Gruppe ist eine Frau, die damals, vor dreißig Jahren, ein junges Mädchen war und schon damals das Menschengeschick zum Guten hin wenden wollte. Damals trug sie das Haar offen und sang mit schafsähnlicher Treue von einem besseren Leben. Heute ist die Frau zwischen 60 und 70 Jahre alt, ihr Haar ist grau und am Hinterkopf zu einer runden Glaubenszwiebel zusammengebunden. Ich glaube nicht, dass sie sich meiner erinnert. Allerdings schaut sie mich nicht an. Sie schaut, wenn sie singt, nach oben, wo der Segen herkommen muss, wenn er kommt. Nach der Frau treten die eigentlichen Helden der Gruppe auf. Es sind Männer in mittleren Jahren, die sich erst vor kurzem zu einem christlichen Leben haben bekehren lassen. Vorher waren sie Alkoholiker, Nichtsnutze, Ehebrecher, Faulpelze und Grobiane, die ihre Frauen und Kinder geschlagen haben und das heute öffentlich bereuen. Das Problem ist: Die Männer können nicht predigen, viele können nicht einmal richtig sprechen. Aber sie halten sich, seit sie Jesus Christus kennen, für Erleuchtete (das sagen sie wirklich), und deswegen nehmen sie an, ihre Rede ist die Rede von Jesus in der Wüste. Ich staune die Talentlosigkeit dieser Leute an und unterhalte mich dabei. Oft bleibe ich bis zum Ende der Darbietung der einzige, der schaut und hört. Die Prediger werden von einem manchmal sichtbaren Schauer überwältigt. An der Erregung ihrer Mienen ist zu sehen, was sie vor allem sagen wollen: Gib dir endlich einen Ruck.