So gegen 18.00 Uhr, wenn der Druck des Tages langsam nachlässt, kann man dabei zuschauen, wie die Leute ein bisschen merkwürdig werden, weil auch ihnen der Tag zu lang wird. Ältere Ehepaare sinken merkwürdig gemeinsam auf die Bänke nieder. Ein Mann legt sich auf die Holzverkleidung einer Mauer und holt sein Cognacfläschchen aus der Hosentasche. Ein anderer Mann nähert sich einem Weinausschank. Man macht hier Werbung für badischen Wein. Eine junge Frau in badischer Tracht öffnet eine Flasche und nickt dem Mann freundlich zu. Er wendet sich der Frau zu, die ihm prompt ein Gläschen einschenkt. Der Mann macht ein paar Schritte und trinkt das Gläschen rasch leer. Die Frau erkennt die Hemmung des Mannes und winkt ihm ein bisschen mit der Flasche. Mit dem zweiten Glas lässt er sich auf einer Bank nieder. Er fängt an, die Taschen seiner Hose, seines Sakkos und außerdem seine Brieftasche nach überflüssigen Zetteln, Quittungen, Coupons und Gutscheinen abzusuchen. Die Papiere zerreißt er nicht, sondern schiebt sie mit dem Zeigefinger in die Zwischenräume zwischen den Holzplanken der Bank. Vermutlich würde er gern ein drittes Glas trinken, aber jetzt ist seine Hemmung wieder stärker. Die nette Frau nimmt den Blickkontakt diesmal nicht mit ihm auf. Der Mann hebt sein leeres Glas noch einmal an die Lippen, aber es ist wirklich leer. Er steht auf und geht doch noch mal zum Ausschank. Jetzt ist zu sehen, dass der Mann ein bisschen wankt. Es ist völlig in Ordnung, dass ihm die Frau nicht noch einmal nachschenkt. Eine Spur beleidigt zieht der Mann von dannen. Ich gehe zum Ausschank und lasse mir ebenfalls ein Gläschen einschenken. Als der Mann verschwunden ist, nehme ich dort Platz, wo er gesessen war. Ich drehe mich ein wenig so, dass die Frau im Ausschank nicht sehen kann, dass ich mit den Fingern nach den Zetteln, Quittungen, Coupons hakle, die der Mann in die Ritzen der Bank eingeschoben hat. Es sind verfallene Kinokarten, Kassenbelege, Einkaufsquittungen. Auf der Rückseite eines Parkhaus-Scheins stehen vier handgeschriebene Sätze: Lange geht das nicht mehr. Du machst mich fertig. Ich gehe zu meiner Mutter und hole Geld. Um sieben bin ich zurück und koche Nudeln. Ich lasse den Parkhaus-Schein in meiner Anzugtasche verschwinden. Es wird Abend. Ich habe nicht die geringste Ahnung, warum mich der letzte Satz rührt: Um sieben bin ich zurück und koche Nudeln.