Es gibt nicht nur die spießige Wohnung, das spießige Auto und die spießige Hollywood-Schaukel, es gibt auch den spießigen Lebenstraum. Mir begegnen spießige Menschen in großer Zahl. Sie sehen in mir einen Glückspilz, den man nur beneiden kann. Sie haben keines meiner Bücher gelesen, Gott bewahre, soweit lassen sie es nicht kommen. Aber sie lesen Zeitung und sehen mich dann und wann im Fernsehen, und wer im Fernsehen auftritt, gehört zum Kreis der Edlen und Geweihten. Es irritiert sie nicht, dass ich ohne Bedauern antworte: Ich habe keinen Fernseher. Was?! rufen sie aus. Dann können Sie sich ja nicht einmal im Fernsehen sehen. Ich schweige, was meine Gesprächspartner wieder nicht irritiert. Vielleicht sind sie erschütterungsresistent, wenn es so etwas gibt. Aber dann haben sie einen Einfall, der sie weiterbringt: Aber Sie sind ja die meiste Zeit nicht da! Sie leben in Ihrem Häuschen auf den Malediven oder sitzen am Ufer des Gardasees. Jetzt lachen sie, weil sie vorschnell annehmen, sie hätten ins Schwarze getroffen. Dann kommt die Enttäuschung. Ich habe kein Häuschen auf den Malediven, sage ich ruhig, ich sitze auch nicht am Ufer des Gardasees. Jetzt haben sie genug von mir. Sie wollen es bloß nicht zugeben, ruft einer ein wenig höhnisch aus, sie reden nicht gern mit solchen armen Eulen, wie wir es sind.

Das Wort von den armen Eulen gefällt mir, sonst nichts. Ich sehe ein, dass ich meine Position (wenn es sich um eine Position handelt) nicht deutlich machen kann. Ich denke flüchtig an diverse Kollegen, die tatsächlich an den Stränden irgendwelcher Inseln leben, deren Namen ich mir nicht merken kann. Mir fallen dann immer Catarina Valente, Freddy Quinn und Willy Hagara ein, die in den fünfziger Jahren vom Glück unter Kokospalmen gesungen haben. Schon damals hatte ich das durchdringende Gefühl, dass sie mit ihrem Strandkitsch die deutschen Nachkriegsseelen unheilbar infiziert haben. Nur in diesem Lebenskitsch kann man die eigene Nichtigkeit ertragen und an schönen Fernsehabenden sogar großartig finden. Wahrscheinlich reicht die Sehnsucht nach Ferne sogar noch tiefer. Nur in der Befangenheit des Kitschs kann man wenigstens zwischendurch den Gedanken an seinen Tod ertragen und dessen langsames Näherkommen gefasst »annehmen«. Insofern hat der Kitsch einen unverrückbaren Halt im Leben, den sogar ich gut finden muss.