Buttergeschäfte

Den matous, den Kälbern, gaben wir die unbehandelte, fette Milch, den Färsen die entrahmte. Wir fütterten sie mit Milch und Heu.

Das Kalb verkauft man schon mit acht Tagen an den Metzger (geschlachtet wird es mit drei Monaten) oder man kastriert es mit einem Jahr und verkauft es, wenn es zweijährig ist. Dieser Ochse darf sich auf der Weide fett fressen.

Ochsen sind ziemlich verfressen, sie machen dir das Feld sauber. Nach den Fleischkälbern lasse ich die Färsen auf die Weide, dann die Schafe, hübsch nacheinander. Ihr Mist düngt die Erde.

Die Schafe, die wir bercas nennen, vollenden dann das Werk. Sie fressen die Grasbüschel, kratzen sie richtig aus der Erde heraus. Die Kühe mögen es nicht, wenn sie auf der Weide Kaninchen riechen. Das passiert vor allem, wenn es in einem Jahr sehr viele gibt, dann kommen sie von der Heide her. Sobald die Kühe die Kaninchenköttel riechen, hören sie auf zu fressen und geben keine Milch mehr. Mit den Schafen ist das ähnlich. Mit den Kühen ist nichts mehr anzufangen, wenn man sie auf eine Weide führt, auf der vorher Schafe gegrast haben.

Unser Gras wird zu Milch. Es dient zur Butterherstellung. Wir haben nicht genug Land, um Fleisch- und Milchvieh gleichzeitig zu halten. Fleischvieh warf mehr ab, aber wir haben uns für Butter und Sahne entschieden. Auch wenn der Milchpreis gefallen ist, sind wir nicht arm geworden. Man muss nur wissen, wo Geld zu holen ist. Wir mussten uns auch nicht nach einer Molkerei richten, denn in diesem Fall hätten wir drei oder vier Kühe mehr anschaffen müssen. Abholung, Transport und das Entrahmen der Milch hätten schließlich Gebühren gekostet. Und das hätte wiederum mehr Arbeit bedeutet.

Wir mussten nie hektisch herumrennen wie unsere Nachbarn, die, sobald der Molkereiwagen kam, zum Gatter stürzten. Der Zeitplan war so streng, dass sie keine Freiheit mehr hatten, nicht mehr so arbeiten konnten, wie sie wollten. Wir aber, die Familie Bedel, wir hatten diese Freiheit. Denn es ist schön, viel Zeit zu haben, das ist unser eigentlicher Reichtum. Und samstags bekamen wir dann immer Besuch von unseren etwa dreißig treuen Kunden und zwanzig anderen, die nur gelegentlich vorbeischauten. Das mochten meine Schwestern. Wenn Besuch kommt, erfährt man die ein oder andere Neuigkeit, und dann konnten sie unter der Woche darüber reden.

Einmal wollte ein Paar, das wir nicht kannten, am Pfingstsamstag ein ganzes Pfund Butter kaufen, und wir hatten nur noch ein Kilo. Da ich der Gesprächige in der Familie bin, habe ich mich eingeschaltet und den Handelsvertreter gespielt:

»Ich will Ihnen ja nichts aufschwatzen, aber wenn Sie das restliche Pfund auch noch nehmen, werden Sie es nicht bereuen.«

Die beiden fangen an zu disputieren, sie will nicht, aber der Mann hat schon begriffen, was ich ihm sagen will: In einer Stunde ist keine Butter mehr da!

Im Jahr darauf kamen sie dann etwa zur selben Jahreszeit wieder. Man redete so hin und her: »Ach, Sie hatten ja so wunderbare Butter. So etwas haben wir noch nie gegessen. Wir sind extra mit einer Kühltasche gekommen und würden gerne alles kaufen, was Sie erübrigen können!«

»Aber meine Herrschaften, da sind Sie zu spät. Die Butter für diese Woche ist schon verkauft.«

Für die Stammkunden haben wir uns manchmal sogar die Butter vom Mund abgespart. Die brachten vorher ihre Tellerchen vorbei. Meine Schwestern mussten die Namen gar nicht draufschreiben, sie erkannten die Kunden am Teller.

Für die Sahne brachten die meisten ein Marmeladenglas mit. Gelegentlich verkauften wir auch Milch, kannenweise, aber immer so wenig wie möglich. Wir haben uns dabei stets an den Preis gehalten, den die Molkerei auch verlangte. Und wenn man den Preis dann erhöhte, wurden manche Leute recht schmallippig.

Ein paar Kunden sind später weggeblieben, was meine Schwestern sehr getroffen hat. Das war, als der Euro kam, da war im Unico die Milch billiger. Wir haben den Supermarkt von Beaumont-Hague immer so genannt: Unico. Die Schwestern ließen eine Zeitlang den Kopf richtig hängen. Auch unsere Butter verkaufte sich nicht mehr so gut, schlechter bei den Hiesigen und fast gar nicht mehr bei der Laufkundschaft. Was sie besonders traurig stimmte, war, dass man bestimmte Leute einfach nicht mehr sah, denn mit der Zeit gewöhnt man sich an die Menschen. Man kennt sie, kennt ihre Geschichte, weiß, was sie so vorhaben. Und das Ganze wegen ein paar Cents.

Wer wollte diesen Euro denn eigentlich?

Beim Übergang von den alten zu den neuen Francs musste man nur das Komma verschieben und nicht lange herumrechnen. Mit dem Euro war alles anders, da musste man mit sechs multiplizieren, um auf den alten Preis in Francs zu kommen.

Die Engländer haben diese Affenwährung ja abgelehnt. Wir hätten das auch machen sollen. Die sind nicht so dumm wie wir. Aber nach etwa einem Jahr sind unsere Kunden wiedergekommen, aber da waren wir dann schon in der Rente. Sie sind fünfundzwanzig Kilo Butter zu spät gekommen, wenn man das übliche Pfund pro Woche zugrunde legt.

Natürlich haben sie sich beschwert. Sie waren überrascht, als wir ihnen sagten, dass wir keine Kühe mehr hatten und sie daher keine Butter bekommen könnten. Wir haben uns dann gegenseitig ein paar Mal zum Kaffee eingeladen.

Mittlerweile hatte die Butter im Unico nämlich »zugelegt«. Wir haben in der letzten Zeit, als wir noch Butter machten, insgesamt höchstens um 30 Cents erhöht, das waren damals etwa zwei Francs. Aber wer rechnet heute schon noch in Francs? Zwei Francs, das war viel für die Leute. Aber die Francs sind mittlerweile durch Cents ersetzt worden.

Der Euro hungert den Geldbeutel aus und lässt die Händler fett werden, aber nicht die Bauern. Die Kunden haben damals gedroht, sie würden nicht wiederkommen, wenn wir unseren Butterpreis nicht an den im Supermarkt angleichen.

Jahrzehntelang konnten wir unseren Butterpreis selbst bestimmen. Wir wollten uns nichts vorschreiben lassen. Wir würden Unico einfach Konkurrenz machen!

Aber wir haben einige Kunden verloren.

Die Schwestern hat diese Geschichte wirklich bekümmert. Heute können sie darüber lachen. Sie wissen, dass wir unsere Butter mittlerweile zu unserem Preis verkaufen könnten, weil es Leute gibt, die den Wert natürlich produzierter Lebensmittel zu schätzen wissen.