Meine Trophäe

Ein ordentlicher Tidenhub für den Monat Juni, also nichts wie raus zum Fischen. Ich wate ein wenig durchs Wasser, um zu meinen Fischgründen zu kommen. Dabei werde ich ziemlich nass, darum stelle ich mich auf einen Felsen, um nicht völlig aufzuweichen. Trotzdem reicht mir das Wasser bis zu den Knien. Ich klopfe auf das Loch, wie ich es immer tue. Der Hummer kommt heraus und verschwindet wieder im Loch, drei Mal hintereinander. Lieber Himmel, der ist ja riesig! Ich packe ihn, aber dafür muss ich ganz schön die Finger spreizen, mehr als je zuvor. Ein kleiner, wendiger Hummer wäre längst abgehauen, aber der ist langsam, wirklich langsam. Ich falle ins Wasser, aber ich schnappe mir das Tier und dann renne ich damit zu den Felsen. Ich muss einen seltsamen Anblick abgegeben haben, zum Glück hat mich niemand gesehen.

Für den wäre ich sogar den Seemannstod gestorben.

Ich will ja nicht herummäkeln, aber ein Männchen von dieser Größe hätte auch ordentlich große Scheren, und ich mag beim Hummer nun mal die Scheren am liebsten! Aber gut, es ist ein Weibchen und die Scheren sind auch nicht von schlechten Eltern! Außerdem haben die Männchen kein so feines Fleisch wie die Weibchen, so viel ist sicher.

Glücklicherweise begegnet mir niemand, sonst hätte jeder gleich mein Loch gekannt. Und was für eine Werbung dieses Riesending gewesen wäre!

Und was noch gut ist: Ich bin vor dem Hummer nicht auf Krebse gegangen, sonst wäre es in der Kiepe eng hergegangen und ich hätte die Krebse wieder aussetzen müssen. Ich musste den Hummer ohnehin ein wenig stauchen, so groß war er. Wenn sie leben, lassen sie sich noch ein klein wenig biegen. Das ist wie bei den Menschen. Die werden auch mit der Zeit krumm. Wenn die Hummer tot sind, geht das gar nicht. Dann bricht der Panzer einfach.

So kam ich also mit meinem Hummer auf dem Rücken nach Hause. Und was man nicht für möglich gehalten hätte: Er war wirklich lecker. Später habe ich ihn mit Gips ausgegossen. Ich habe ihm quasi eine unsterbliche Hülle gegeben und ihn wie eine Trophäe auf ein Stück Treibholz genagelt. Gut schmecken wird er wahrscheinlich jetzt nicht mehr … Ich habe meine Fantasie angestrengt und das Brett mit ein paar »Meeresflöhen« verziert, Schalen einer Muschel, die man bei uns nur an einer Stelle findet, unter den Felsen relativ weit draußen. Ich weiß nicht genau, wo sie herkommen, aber sie sind sehr hübsch, fast wie Korallen. Da ich seit jeher das Gefühl habe, ein alter Esel zu sein, dem Tiere und Menschen überlegen sind, habe ich darüber »P. B.« geschrieben: Pauvre Bête (Armes Vieh) oder Paul Bedel, je nachdem, wie man es lesen will. Da ist eins so gut wie’s andere.

Dass ich mir wie ein Esel vorkomme, ist schon eine alte Gewohnheit. Ich meine einfach, den anderen unterlegen zu sein. Ich »glaube« nicht an mich.

Diesen Hummer habe ich durch reinen Zufall gefangen. Es war der größte in meiner Laufbahn als Hummerfischer. Ich war deswegen nicht besonders stolz. Warum auch? Es war einfach ein Spaß, und dieses Mal mussten die Schwestern nichts anderes essen, zum Beispiel Schnecken. Wir haben richtig geteilt!

Aber bei uns wird sowieso immer alles geteilt.

Ich habe zuvor noch nie einen so großen Hummer gesehen. Er wog acht Pfund. Ich habe ihn mit den Steinen gewogen, die wir zum Butter-Auswiegen nehmen und die auf das Gewicht von Kupfer geeicht sind.

Ein Riesenvieh. Ich habe es im Dorf nicht herumgezeigt, aber es hat sich trotzdem herumgesprochen.