Meine »Löcher«

Wenn man am Atlantik fischt, interessieren natürlich die Hummerlöcher. Ich nenne sie tôtons. Wenn ich wieder so ein Vieh gefangen habe, komme ich nach Hause und sage zu meinen Schwestern:

»Schaut mal, den habe ich in dem oder dem Loch gefunden.«

Die beiden verstehen meinen Jargon natürlich. Beim Hummersuchen waren sie nie dabei, aber sie könnten die Löcher sicher beschreiben: langgezogene Becken von fast zwei Metern Tiefe unter einzelnen Felsbrocken von der Länge und Breite eines Sofas. Die »Löcher« dort trocknen nie ganz aus.

Meist handelt es sich einfach um Felsspalten. Natürlich sind die Stellen bei La Biroule beim Hafen von Goury auch nicht schlecht, aber das ist nicht meine Ecke.

Meine Ecke liegt woanders. Sie trocknet ein bisschen aus, vor allem zur Frühlingstagundnachtgleiche, wenn der Tidenhub am größten ist (Grande Marée).

Wenn ich an meine Stelle komme, liegt die von meinem Bruder Augustin oft gar nicht frei. Wir wechseln uns beim Sammeln ab, da der Wasserstand an unseren Löchern so verschieden ist. Mein Bruder hat seine Ecke von unserem Vater, meine stammt von meinem Onkel.

Ich habe ganz schön lange gebraucht, bis ich sie richtig kannte, und das, obwohl mein Onkel sie mir gezeigt hatte. Ich nehme niemanden dorthin mit. Nur einmal waren die Kameraleute für den Film dabei, der meinen Berufsstand und unseren Landstrich hier bekannt gemacht hat. Aber damals war es neblig. Außerdem habe ich sozusagen im Trüben gefischt, denn das waren gar nicht meine Löcher. Ich habe die Kameraleute nach Fosset mitgenommen. Die Familie ist schon lange ausgestorben, und wenn die, die ihr Land geerbt haben, nicht da sind, gehe eben ich die Hummerlöcher ab. Aber nur dann, darauf passe ich immer auf. Das ist eine Sache des Anstands, so bleibt man immer in guter Beziehung.

Eines Tages habe ich einen »Auswärtigen« dabei erwischt, wie er in meiner Ecke herumsuchte. Ganz nahe bei meinem Hummerloch. Auf meinem Sofafelsen steht einer. Ich habe zwar keine besonders guten Augen mehr, aber das war in dem Fall auch nicht nötig! Das Herz schlug mir bis zum Hals vor Aufregung. Wenn der Gelegenheitsfischer jetzt vom Felsen herabsteigen würde und in den Löchern darunter herumstocherte, würde er das Hummerloch entdecken. Das allerbeste in der ganzen Gegend. Glücklicherweise wächst der Tang dort recht dicht, sodass man die Löcher nicht auf den ersten Blick sieht. Außerdem ziehe ich den Tang immer wieder richtig hin, wenn ich einen Hummer herausgeholt habe. Und zwar auf den Millimeter! Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß!

Ich wartete darauf, dass er abhaute. Sobald er sich leise davongeschlichen hatte wie ein Dieb, fing ich an, in meiner Höhle herumzustochern und zack, schon hatte ich einen fünfpfündigen Hummer erwischt! Damit wollte ich ihn natürlich nicht überholen, ich wollte ihn loswerden und vor ihm an meine anderen Löcher kommen. Aber der Typ war neugierig, und so steuerte er direkt auf mich zu. Dabei hatte ich nicht die geringste Lust, mit ihm zu plaudern.

»Hast du was gefangen?«

»Nein, nichts Besonderes.«

Er kam näher und versuchte, in meine Kiepe zu spähen:

»Da drin werkt aber jemand ganz schön rum, mein Lieber!«

Da hatte er recht. Der Hummer schien sich der Protestbewegung angeschlossen zu haben. Anscheinend schmeckte ihm das Leben in Gefangenschaft nicht besonders. Und der Typ wich mir nicht von der Pelle. Er musterte die Kiepe genau, aber den Hummer konnte er nicht sehen und ich würde ihm bestimmt nichts sagen. Doch ich nutzte den Überraschungseffekt. Ich ließ den Kerl einfach stehen und ging ohne ein Wort weiter. Da zog er endlich ab.

Von den Löchern der anderen lässt man die Finger. Das ist, als wäre man wo eingeladen. Du setzt dich hin und breitest ordentlich deine Serviette aus. Wenn das Gleichgewicht in einem Hummerloch gestört wird, stirbt dort alles ab. Also dreht man einen Stein um, sucht und legt den Stein dann genauso wieder hin wie vorher.

Meine Löcher sind immer vom Tang verdeckt, nur im Februar nicht. Da reißen ihn die Stürme mit. Wie die Bäume verliert die Pflanze die Blätter, um sich zu regenerieren. Acht oder fünfzehn Tage, bevor das Gras kommt, treibt der Tang aus. Darauf kann man sich verlassen. Das Gras folgt unweigerlich nach.

Ich vergleiche oft das Gras und den Tang miteinander, Erde und Meer, alles ist Natur. Ein Büschel Gras ist für mich wie ein Büschel Tang. Der Tang ist das Gras des Meeres.

Wenn die Wellen hoch schlagen und das Meer kabbelig wird, dann wird die Hummerjagd für einen wie mich, der nicht schwimmen kann, gefährlich. Aber auch wenn die See glatt ist, heißt das erst mal gar nichts. Die scheinbare Ruhe dauert höchstens einen Augenblick, das Meer holt Luft, es holt Atem in der Tiefe. Du stehst ruhig und sicher auf deinem Felsen. Du hebst einen Stein an und willst sehen, ob du darunter etwas findest. Aber schon kommen die beiden nächsten Wellen, und wenn du dann noch auf deinem Stein stehst, dann ziehen sie dir die Füße weg. Du verlierst das Gleichgewicht und platsch.

Das Meer bewegt sich immer in Dreierschritten, drei Wellen wie der Himmel, die Erde und das Wasser.