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»Colonel Roat!« Lorrirs Stimme hallte unnatürlich laut durch den fast leeren Hangar. »Warum sind Ihre Leute noch nicht gestartet?«

Wedge fuhr herum und hakte die Daumen in den Blastergurt, den er über seine Flugkombination geschnallt hatte. »Ich glaube mich zu erinnern, Colonel Lorrir, dass wir das schon einmal besprochen haben. Meine Defender sind mit Hyperantrieb ausgestattet, wir brauchen also nicht auf die Reckoning oder ein anderes Schiff geladen zu werden, um an unser Ziel zu kommen. Und falls wir doch in die Startgestelle geladen werden sollen, dann macht es Sinn, dass wir als Letzte hineinkommen und als Erste wieder gestartet werden. Und darüber hinaus – Sie haben das selbst bemerkt – sind die Lademeister auf den kapitalen Schiffen noch damit beschäftigt, die Ladevorschriften für unsere Maschinen auszuarbeiten.«

Lorrirs Gesicht verfinsterte sich. »Das ist aber kein Grund dafür, dass Sie noch hier im Hangar sind.«

»Aber Colonel, Ihr Interceptor ist doch auch noch hier.« Wedge hob die Hand. »Vielleicht sollten wir das in einem Büro besprechen und nicht vor unseren Leuten?«

Der Hegemonieoffizier nickte. Den Helm unter den Arm geklemmt, führte er Wedge in ein kleines Büro mit einem rechteckigen Fenster, das ebenso hoch war wie die Tür daneben. Die Aufschrift auf der Tür ließ erkennen, dass es sich um die Einsatzzentrale handelte.

Lorrir setzte sich auf die Schreibtischkante und schüttelte den Kopf. »Ich kann das nicht zulassen, Colonel Roat.«

Wedge schloss die Tür und legte dann den Finger auf die Sensorplatte neben dem Fenster, bis es ganz schwarz geworden war. »Nein, Colonel, wahrscheinlich nicht.«

»Sie haben Ihre Befehle erhalten, und ich erwarte, dass Sie sie befolgen.«

Wedge nickte bedächtig und sah dann auf sein Chronometer. »Ich befolge meine Befehle, Colonel.« Er zog den Handschuh mit der Handprothese von seiner rechten Hand und bewegte dann seine Finger.

»Was machen Sie da?« Lorrirs Augen weiteten sich überrascht. »Was geht hier vor?«

»Sie erinnern sich doch, wie wir neulich beim Abendessen über Brentaal sprachen. Sie sagten damals, das Imperium sei von Baron Fel verraten worden?«

»Ja.«

Wedge griff an seine Gesichtsprothese, zog sie sich vom Auge und löste dann das Band von seinem Hals. »Ah, so ist es viel besser. Und Sie erinnern sich auch, wie Sie sagten, Sie hätten bei Brentaal einige Maschinen der Sonderstaffel abgeschossen und dass Wedge Antilles zurückkehren würde.«

Die Stimme des Mannes klang jetzt unsicher. »Jjja?«

»Sie hatten Recht. Ich bin Wedge Antilles. Ich bin zurückgekehrt.«

Die zwei Sekunden, die Lorrirs Gehirn brauchte, um Wedges Worte zu verarbeiten, dauerten etwa eine Sekunde länger, als Wedge brauchte, um seinen Blaster zu ziehen und den Hegemonieoffizier niederzuschießen. Der blaue Lähmstrahl traf Lorrir mitten auf der Brust und warf ihn nach hinten über den Tisch. Sein Helm fiel krachend zu Boden, ein Metallsessel rutschte unter ihm weg und prallte von der Rückwand des Raums ab.

Wedge steckte den Blaster ins Halfter zurück und zog den Schreibtisch zur Seite. Er beugte sich vor, entdeckte kräftigen Pulsschlag an Lorrirs Hals und riss ihm dann den rechten Handschuh von der Hand. Er streifte ihn sich über und hob Lorrirs Helm auf. »Ich benötige eine Verkleidung, also werde ich mir Ihren Helm nehmen. Ohne den werden Sie nicht starten können, aber dann brauche ich Sie auch nicht wieder abzuschießen. Schlafen Sie gut.«

Wedge stülpte sich den Helm über, verließ das Büro, zog die Tür hinter sich zu und sperrte sie ab. Er ging gemächlich zu den übrigen Piloten der Sonderstaffel hinüber und wackelte mit den Fingern.

Tycho sah ihn überrascht an. »Hat es Probleme gegeben?«

»Eine kleine Meinungsverschiedenheit mit Lorrir. Er fand meine Argumentation umwerfend.« Wedge zeigte auf die Defender. »Steigt ein und setzt diese Dinger in Bewegung. Wir fliegen in Formation zu der südlichen Schildprojektoranlage. Wir haben zehn Minuten bis zum Eintreffen, und ich möchte, dass wir dann alle bereit sind.«

Alle rannten zu ihren Maschinen, und Wedge kletterte in die seine. Er fuhr die Energieversorgung hoch und schnallte sich dann an. Als der Defender warm gelaufen war, leuchteten auf seiner Konsole die Rückmeldungen der restlichen Staffel. Der Knopf für die Flottenfrequenz blitzte, also drückte er ihn.

»Hier Colonel Roat.«

»Hier Flugkontrolle Reckoning. Wann werden Ihre Leute sich zum Laden melden?«

»Ich hatte geglaubt, dass wir nach Colonel Lorrir starten sollen. Sein Interceptor ist noch hier. Soll ich ihn suchen?«

»Negativ, Colonel, starten Sie Ihre Maschinen und nehmen Sie Kurs auf uns. Jemand anderer wird sich um Lorrir kümmern.«

»Zu Befehl, Kontrolle. Sind unterwegs.«

 

Der Klon Ysanne Isards war sich der Tatsache nicht bewusst, ein Klon zu sein. Sie besaß alle Erinnerungen des Originals, ihre ganze Lebensgeschichte bis zu dem Zeitpunkt unmittelbar vor der Flucht der Lusankya von Imperial Center. Und mit diesen Erinnerungen auch die ganze Einstellung des Originals und damit eine gesunde Portion geringschätziger Skepsis gegenüber allen mystischen Dingen, einschließlich der Macht.

Doch trotz dieses Vorurteils hatte sie das Gefühl, dass an der Nachricht, die sie von Krennel erhalten hatte, etwas nicht stimmte. Er forderte sie auf, jemanden auszuschicken, um Colonel Lorrir zu finden. Normalerweise hätte sie einen ihrer Untergebenen geschickt, aber jetzt wollte sie Lorrir selbst finden und ihn wissen lassen, dass Krennel mit ihm unzufrieden war. Sie hatte Lorrir als einen nicht sonderlich intelligenten Mann kennen gelernt, der zu seinen Untergebenen unfreundlich bis rücksichtslos und seinen Vorgesetzten gegenüber beflissen war. Da sie außerhalb der militärischen Hierarchie stand, hatte er sie mit vorsichtiger Höflichkeit behandelt, an deren Stelle kriecherische Unterwürfigkeit treten würde, sobald er einmal wusste, wie mächtig sie war.

Sie hatte inzwischen den Hangar erreicht und sah Lorrirs Interceptor auf der Betonpiste stehen. Sie wusste, dass es der seine war, weil er an jeder Tragfläche rote Streifen aufgemalt hatte, so wie das früher die 181ste getan hatte. Was für ein jämmerliches Leben doch dieser Mann führen musste, dachte sie, dass er sich an eine vernichtende Niederlage klammern musste, die offenbar den Höhepunkt seiner Existenz darstellte.

Sie rief einen Techniker herbei und fragte ihn, ob er Lorrir gesehen hätte. Der Mann deutete auf die verschlossene Tür der Einsatzzentrale. Sie ging auf die Tür zu, versuchte sie zu öffnen und stellte fest, dass sie abgeschlossen war. Sie sah auf ihr Chronometer, rechnete im Kopf den in dieser Viertelstunde gültigen Sicherheitscode aus, tippte ihn in die Schlüsseltastatur und betrat das Büro.

Der Ozongestank, der in der Luft hing, stieg ihr sofort in die Nase und verriet ihr, dass der reglos am Boden liegende Lorrir mit einem Blasterschuss gelähmt worden war. Sie kauerte sich nieder, stieß einen von Lorrirs Füßen weg und zog darunter einen schwarzen Handschuh heraus. Der Handschuh hatte nur zwei Finger und war mit Metallteilen ausgestattet worden, um wie eine Prothese auszusehen.

»Colonel Roat.« Wenn Roats Hand nicht echt gewesen war, dann war er selbst das auch nicht. Das bedeutete, dass man ihn und seine Defendergruppe nach Ciutric eingeschleust hatte – aber zu welchem Zweck? Sie konnten auf Ciutric nichts ausrichten, überlegte sie, es sei denn…

In dem ganzen Hangargebäude und überall in der Stadt Daplona begannen Sirenen zu heulen. Rote Lichter flackerten, und draußen im Hangar rannten die Techniker aufgescheucht herum.

Sie schlug Lorrir ein paar Mal ins Gesicht, bis er aufgewacht war, und zerrte ihn dann auf die Beine. »Kommen Sie mit, ich brauche Sie.«

»Madam Direktor!« Der Mann riss überrascht die Augen auf. »Es war ein Verräter, es war…«

»Ja, ja, dafür ist jetzt keine Zeit. Sie stehen jetzt unter meinem Kommando.«

»Was?« Lorrir richtete sich auf und strich sich die Flugkombination über der Brust glatt. »Ich bin Pilot.«

»Ja, dann sind Sie eben einer und werden jetzt für mich fliegen.«

»Für Sie? Warum?«

»Hören Sie die Sirenen, Sie Schwachkopf?« Isards Klon lächelte und deutete mit einer Kopfbewegung zum Himmel. »Da ist eine militärische Operation im Gange – und deren Ziel ist hier. Die interessieren sich nicht für Krennel, die haben es auf mich und meine Gefangenen abgesehen. Wir werden dafür sorgen müssen, dass sie am Ende sehr enttäuscht sind.«

 

Der Primärmonitor in Wedges Defender leuchtete einen Augenblick lang hell auf, als schnell hintereinander ein Schiffsbild nach dem anderen den Bildschirm füllte. Zuerst zeigte ihm der Scannerschirm einen Mon-Calamari-Kreuzer, dann einen imperialen Sternenzerstörer Mark II, der ähnlich wie die Reckoning bestückt war. Anschließend kamen drei Nebulon-B-Fregatten, ein halbes Dutzend corellianische Korvetten und zwei schnelle kleine Frachter. Das ist ziemlich genau die Gruppierung, die ich Admiral Ackbar vorgeschlagen habe, und das hätte auch vollauf genügt, um mit der Reckoning und Binder fertig zu werden.

Das Problem war, dass Krennel die Emperor’s Wisdom und die Decisive dazu geholt hatte, was den Streitkräften der Hegemonie eine gewaltige Überlegenheit an Feuerkraft gab. Der Victory-Sternenzerstörer Emperor’s Wisdom verfügte über acht Abschussvorrichtungen für Erschütterungsflugkörper. Eine einzige Salve mit diesen Geschossen konnte die Schilde des Mon-Cal-Kreuzers außer Gefecht setzen und das Schiff damit dem konzentrierten Feuer der Energiewaffen der Emperor’s Wisdom aussetzen. Die Decisive und die Reckoning konnten sich beide den Emancipator vornehmen – ein Impstern Zwei, den die Neue Republik bei Endor gekapert hatte. Der Impstern konnte zwar seinen Gegnern ernsthafte Schäden zufügen, war ihnen aber auf die Dauer nicht gewachsen.

Wedge fröstelte und tastete dann die Staffelfrequenz ein. »Ihr habt die Scans alle gesehen, Sonderstaffel. Das wird nicht gerade angenehm werden. Rotte Eins, wir erledigen die Schildgeneratoren hier unten, und dann fliegen wir zum Raumhafen und schnappen uns einen Frachter, der groß genug ist, um die Gefangenen hier wegzuschaffen. Rotte Zwei, ihr werdet wie geplant die Verteidigungsanlagen des Gefängnisses außer Gefecht setzen.«

»Zu Befehl, Führer. Wie gehen wir bei dem Gefängnis vor?«

»Ich habe Teliks Kommandoeinheiten und Vesserys Raumjäger noch nicht gesehen.«

»Das weiß ich nicht, Tycho. Ich hoffe, die haben sich lediglich verspätet. Aber eines nach dem anderen.«

»Geht klar, Führer. Rotte Zwei folgt mir. Möge die Macht mit uns allen sein.«

Wedge zog seinen Defender an der Backbordseite hoch und ging auf Südkurs. Als er in Horizontalflug übergegangen war, tauchte Hobbie an seiner Steuerbordseite auf, Gavin und Myn backbords von ihm. Das Cockpit des Defenders bot ihm einen großartigen Ausblick auf die Stadtlandschaft, über die sie flogen. Wuchtige beigefarbene Gebäude wechselten sich mit Grüngürteln und Parks ab, dann wichen die Wolkenkratzer des Stadtzentrums kleineren Wohngebäuden und schließlich einzelnen Häusern. Jenseits des Wohngürtels sah er die mächtigen Bauten des Fabrikviertels, in dessen Mitte die Schildgeneratoranlage stand.

»Drei und Vier, ihr übernehmt die Türme im Osten, Zwei die im Westen. Ich fliege mitten hinein.« Wedge schaltete die Waffenauswahl auf Erschütterungsflugkörper. Er stellte sie auf Doppelbeschuss und richtete dann sein Fadenkreuz auf die Zentralkuppel. Sein Entfernungsmesser zeigte eine Distanz von zwei Kilometern an, die sich schnell verringerte.

Die Ionenkanonen, mit denen die die Fabrikanlage umgebenden Türme bestückt waren, waren himmelwärts gerichtet. Sie jagten jetzt den Defenders Salve um Salve mächtiger blauer Energieblitze entgegen, die die Verteidigungsschilde in den von den Feuerkontrollcomputern geschalteten, jeweils nur Sekundenbruchteile andauernden Feldlücken durchstießen. Unter ihnen wanderten die Mündungen von Turbolaserkanonen, die auf denselben Türmen aufgebaut waren, über den Horizont. Drei Batterien von jeweils vier Kanonen waren in zwanzig, vierzig und sechzig Metern Höhe auf den Türmen postiert, während die Ionenkanonen an der Spitze der Gebäude angebracht waren. Vor Waffen starrend stellten die Türme gewaltige Ziele dar.

Aber immerhin Ziele. Myn und Gavin feuerten ihre Erschütterungsflugkörper ab. Vier Raketen schossen auf die Osttürme zu. Myns Geschosse trafen eine Sekunde vor Gavins, da Gavin ein Stück weiter entfernt war, aber alle vier fanden ihr Ziel. Sie setzten die unterste Batterie außer Gefecht und ließen die Turbolaserkanonen in einem grellen Blitz explodieren. Die Druckwelle der Explosion dehnte sich nach oben und zur Seite aus und jagte superheißes Plasma durch die nächste Batterie. Die Eisenbetonplatten dazwischen bogen sich durch und platzten dann. Die Turmspitzen erzitterten und brachen dann wie in Zeitlupentempo zusammen. Im Westen brach auch der erste Turm, den Wedge Hobbie als Ziel zugewiesen hatte, in sich zusammen.

Wedges Zielfadenkreuz wurde rot, also drückte er ab und jagte zwei Erschütterungsflugkörper auf den Schildgenerator. Die rosafarbenen Raketen durchbohrten die Stahlbetonkuppel und detonierten dann. Zwei silberne Flammenzungen schossen aus den Löchern, die die Raketen gerissen hatten. Das Feuer dehnte sich aus, verband die beiden Löcher zu einem einzigen, größeren Krater und nagte sich dann in der Kuppel nach oben, bis diese in sich zusammenbrach. Fenster und Türen der Schildanlage platzten heraus, Trümmerteile wurden in die Höhe gerissen und über den gepflegten Rasen der Anlage verteilt.

»Nach Backbord kippen, Führer.«

Wedge ließ seine Maschine sofort nach links abkippen und sah einen Ionenblitz von der Größe eines kleinen Frachters an sich vorbeizischen. Die einzige noch intakt gebliebene Ionenkanone des Turms hatte ihn beim Anflug erfasst und beinahe erwischt. Ehe er seinen Kurs für den nächsten Anflug korrigieren konnte, kamen Gavin und Myn im Tiefflug herangebraust und setzten zwei Feuerstöße ihrer Vierlingslaser auf die Ionenkanone ab.

Die Kanone explodierte wie eine überreife Frucht, die von einem Gaffistock getroffen wurde. Ein riesiger Brocken ihrer Panzerung fiel wie ein Stück Rinde herunter und zerdrückte einen Teil der brennenden Schildanlage. Sekundärexplosionen in der Fabrik selbst schleuderten Panzerplatten über die Büsche, die sofort zu brennen anfingen, als das heiße Metall sie berührte.

Wedge führte einen Sensorscan durch, um sich zu vergewissern, dass der Schild über dem Südquadranten von Daplona ausgeschaltet war. Die Stadt lag jetzt für Teliks Kommandos ungeschützt da. Falls die je hierauftauchen.

Er drückte den Sprechschalter seines Komlinks. »Führer an Fünf, wir sind hier klar. Zustandsbericht?«

»Beschäftigt, Führer. Könnten Hilfe gebrauchen. Die Jungs am Boden wollen nicht weggehen, und ich habe ein Dutzend TIEs im Anflug auf unsere Position.« Tycho zögerte einen Augenblick. »Du solltest schnell hier erscheinen, sonst hast du vielleicht gar keinen Anlass mehr dazu.«