11
Corran Horn, der sich gerade mit dem Issori Khe-Jeen Slee unterhielt, blickte auf und lächelte Gavin Darklighter zu, der neben dem freien Stuhl an ihrem Tisch stand. »Komm nur, Gavin, setz dich. Wir erzählen uns bloß Geschichten.« Die dunkelgrüne Schuppenhaut des Issori wurde etwas heller, als Gavin sein Tablett abstellte. »Schön, dass du dich zu uns setzen willst.«
»Ich will euch nicht stören, ich möchte nur Corran etwas fragen.«
Khe-Jeen wies einladend auf den Corellianer. »Bitte, frag ihn ruhig.«
Corran sah Gavin an und verdrehte die Augen. »Also, schieß los.«
Gavin sah auf sein Essen, und als er dann sprach, war seine Stimme so leise, dass sie in dem Lärm, der in der Stützpunktkantine herrschte, kaum zu hören war. »Hast du je den Wunsch gehabt, Vater zu werden?«
Die Frage verblüffte Corran so, dass er unwillkürlich zurückfuhr. Er stellte fest, dass Khe-Jeen seine Reaktion mit dem scharfen Blick eines Raubtiers beobachtete, das seine Beute anpirscht. »Eigentlich habe ich nie richtig darüber nachgedacht. Mirax hat zwar einmal gemeint, dass wir darüber reden sollten, aber dann kam die Sache mit Thrawn dazwischen, und da hatten wir ja alle Hände voll zu tun. Denkst du denn darüber nach?«
Der jüngere Pilot lächelte und nickte dann. »Du hast ja meine Familie auf Tatooine kennen gelernt.«
»Ja, freilich, eine Menge Brüder, Schwestern, Cousins und alles Mögliche.« Corran befingerte ein rundes, braunes Stück Brot und musterte es aufmerksam. »Juckt es dich denn, eine Familie zu gründen?«
»Ja, ich glaube schon.«
Corran runzelte die Stirn. »Nun, ich will ja nicht neugierig sein, aber du und Asyr, äh, ich meine, äh, funktioniert das denn? Ich meine, eine Verbindung zwischen Bothans und Menschen, das geht doch nicht.«
Gavin grinste dümmlich. »Nun, rein anatomisch passen wir schon zusammen, aber im zellularen Bereich funktioniert es nicht. Wir wollen heiraten und dann Kinder adoptieren. Wir haben schon die entsprechenden vorläufigen Dateien ausgefüllt und müssen uns jetzt das andere Zeug besorgen, das die haben wollen – die Behörden, meine ich.«
»Ist ja großartig, Gavin.« Corran schlug ihm auf die Schulter. »Du wirst einen großartigen Vater abgeben. Du bist intelligent und hast Einfühlungsvermögen, verstehst Spaß und kannst dich in andere Leute hineinversetzen.«
»Vielen Dank, Corran, es ist schön, das von dir zu hören.«
Khe-Jeen Slee pulte ein paar Fleischfetzen von einem kleinen Knochen und fing dann an, Knorpel zu knacken. »Wir freuen uns für dich, Gavin, und über deine Bereitschaft, die Verantwortung für Junge zu übernehmen, die nicht von euch stammen. Wir haben eine beeindruckende Art von Adel an dir festgestellt.« Der Issori schluckte angestrengt, und man konnte an seinem Hals eine sich nach unten arbeitende Ausbuchtung erkennen. »Auf Issor würdest du dich nie vor eine solche Entscheidung gestellt sehen.«
Gavin blickte auf, und von dem Löffel, den er halb zum Munde geführt hatte, tropfte eine klebrige, braune Bohnenmasse. »Ihr erlaubt auf Issor keine Adoptionen?«
»Dazu besteht keine Notwendigkeit.« Khe-Jeen knabberte das Endstück von dem Knochen ab und zermalmte es zwischen den Zähnen. »Wir Issori sind eine Eier legende Rasse. Die Frauen produzieren Eier, die, sofern sie befruchtet worden sind, anschließend versorgt und ausgebrütet werden. Die Männer produzieren ein Paket von dem Befruchtungsmittel…« Der Issori zog den Reißverschluss seiner ärmellosen Flugkombination auf und griff mit seiner Klauenhand an seinen Bauch.
Corran packte ihn am Arm. »Wir glauben es dir schon, du brauchst es uns nicht zu zeigen.«
Eine klare Membrane schob sich über Khe-Jeens bernsteinfarbene Augen. Er brachte langsam seine Hand wieder mit einem Bündel Holografien zum Vorschein. Er wählte wortlos eine davon aus und reichte sie Corran. »Das sollte zu eurer Aufklärung dienen.«
Corran nahm das Hologramm in Empfang und hielt es Gavin hin. Man konnte darauf zwei Issori sehen, einen Mann und eine kleine hellerhäutige Frau. Der Mann goss eine Flüssigkeit aus einem Becher über ein Ei, und sie verteilte es mit einem Pinsel darüber. Für Corran sah das aus wie die Tätigkeit eines Kochs, der einen Braten bestreicht, aber das war eine Beobachtung, die er für sich zu behalten beschloss.
Gavins braune Augen weiteten sich. »Du bist das Ei?«
»Ja, das war ich. Wir haben bei uns eine Kastengesellschaft. Die Kaste des Eierlegers ist maßgebend für die Kaste, in die das Kind geboren wird. Die Kaste des Befruchters bestimmt den Rang in jener Kaste und die politischen Bündnisse zwischen den jeweiligen Familien. Davor gibt es umfangreiche Verhandlungen, wobei die Eier oder die Befruchtungspakete über große Entfernungen befördert werden, um bei einer Befruchtungszeremonie wie dieser benutzt zu werden. Dieses Bild hier zeigt eine Whoon-cha. Es handelt sich um eine kasteninterne Adelsbefruchtung, die das Ansehen von zwei Familien in der herrschenden Kaste steigern soll. Ein Whoon-li wäre eine Inter-Kasten-Befruchtung innerhalb eines Reiches zwischen einem Adeligen und einer gewöhnlicheren Kaste. Ein Vuin-cha wäre eine Befruchtung zwischen Adeligen unterschiedlicher Reiche.«
Corran nickte. »Und eine Vuin-li wäre ein Adeliger, der sich mit einer gemeinen Kaste außerhalb des Reiches verbindet.«
Der Issori erstarrte sichtlich. »Zu so etwas würde es nie kommen.«
Corran runzelte die Stirn. »Augenblick mal, willst du behaupten, dass es unmöglich ist, dass zwei Issori von unterschiedlichen Kasten und unterschiedlichen Nationen sich zusammentun? Was ist, wenn sie sich lieben?«
Khe-Jeen lachte herablassend. »Diese emotionalen Aufwallungen, die so oft andere Vernunftwesen regieren, werden von uns Issori mit großem Abstand betrachtet. Wir betrachten die Liebe als etwas, das man mit einem Regenfall vergleichen kann. Also etwas, das schwach oder stark, lang oder kurz, mild oder stürmisch sein kann. Und jedenfalls etwas, das auch wieder endet. Das Leben eines Kindes an flüchtige emotionale Bindungen seiner Eltern zu knüpfen, wäre grausam. Die Familien einigen sich über Befruchtungen, die Familien ziehen die Kinder auf. Mein Name beispielsweise hat drei Bestandteile. Khe bedeutet, dass ich aus einer Einzelbefruchtung stamme, die die Familie meines Vaters verhandelt hat. Das ist nicht sein Familienname, sondern der Buchstabe in unserem Alphabet, mit dem die Familie meines Vaters eine solche Vereinigung markiert. Meine Mutter entstammte der Familie Jeen. Mich nennt man Slee. Die Bestandteile Khe und Slee meines Namens wurden nach einer Formel ausgewählt, nach der die numerischen Werte der Buchstaben meines Namens eine glückliche Zahl ergeben.«
Corran warf Gavin einen Blick zu. »Besorgt euch die Formel, dann habt ihr keine Probleme, den Kindern, die ihr adoptiert, die richtigen Namen zu geben.«
Khe-Jeen zermalmte den Rest des Knochens im Mund zu kleinen Splittern. »Das Ziel des Ganzen ist Folgendes: Auf Issor gibt es keine unerwünschten Kinder, und selbst die Waisen unterstehen der Verantwortung der Familien, denen sie entstammen.«
Corran kratzte sich an der Stirn. »Aber wenn Eier und Befruchtungspakete auf die Reise geschickt werden können, ist es dann nicht möglich, dass Kinder erst nach dem Tod ihrer Eltern geboren werden? Und ist es nicht möglich, dass jemand den Rivalen eines Führers ausbrütet, indem er Eier oder Befruchtungspakete von Leuten stiehlt, die einem Thron näher stehen als er selbst?«
»Wir haben in der Tat häufig die Eier oder den Samen toter Helden oder Führungspersönlichkeiten gezüchtet – wir haben die Eier ihrer Schwestern, ihrer Frauen oder ihrer Töchter in ähnlicher Weise benutzt, um ihr Blut zu bewahren. Die Familien sorgen immer für diese Neugeborenen.« Der Issori zuckte seine breiten Schultern. »Was unerlaubte Brutvorgänge angeht, so nennt man sie Vrecje. Das Wort in Basic, das dem am nächsten kommt, heißt ›Fremder‹, aber das geht viel tiefer, da wir sie nicht nur nicht kennen, sondern sie auch nicht von einer Familie großgezogen worden sind und deshalb im strengen Sinn gar nicht als Issori betrachtet werden. Das sind armselige, gequälte Kreaturen, und man erschlägt sie, wie man wilde Tiere erschlägt.«
»Dass Familien Kinder aufziehen, scheint mir richtig.« Gavin lächelte und wischte sich mit einer Serviette den Mund. »Asyr hat gesagt, dass die Familie den Bothans sehr viel bedeutet, und ich habe mich mit ihr darauf geeinigt, dass alle Kinder, die wir adoptieren, ihre eigene Kultur in vollem Maße verstehen sollen.«
Corran zog eine Augenbraue hoch. »Ihr wollt bothanische Kinder adoptieren?«
»Wenigstens eines, ja.« Gavin streckte die Hand aus und legte sie auf Corrans linken Arm. »Weißt du, wenn wir einmal verheiratet sind, werden eine Menge Leute Fragen stellen, ob Asyr und ich überhaupt dazu geeignet sind, Kinder großzuziehen, und solche Dinge. Ich möchte dich und Mirax dann als Referenzen nennen dürfen, wenn euch das recht ist.«
Corran strich sich das dunkelbraune Haar aus den Augen und nickte dann, wobei es ihm wieder in die Augen fiel.
»Aber sicher. Ich werde mit Mirax darüber sprechen, aber ich bin sicher, dass es ihr recht sein wird. Es wird uns ein Vergnügen sein, euch zu helfen.«
»Na großartig, das werde ich Asyr sagen. Sie wird sich freuen.«
»Wo ist sie?«
Gavin zuckte die Achseln und kaute auf einem Mund voll Bohnen herum. Er sah sich im Saal um und schüttelte dann den Kopf. »Ich hatte gedacht, dass sie versuchen würde, mit mir gemeinsam zu Mittag zu essen. Sie hat gleich nach unserer Besprechung eine Nachricht bekommen und gesagt, sie würde versuchen, rechtzeitig zurückzukommen.«
Corran sah auf sein Chronometer und stand auf. »Von wegen zurückkommen; wir haben gerade noch eine Viertelstunde, bis wir wieder in den Simulatoren sitzen sollen. Ich werde mir einen Becher Kaf holen und mich dann nach Whistler umsehen. Sonst noch jemand Kaf?«
Khe-Jeen Slee schüttelte ruckartig den Kopf, als wolle er einem unsichtbaren Tier einen Fetzen Fleisch herausreißen. »Unser Verdauungssystem ist für euren Kaf zu sensibel. Wenn es Schokolade gibt, würde ich gern welche nehmen.«
»Geht in Ordnung. Gavin?«
»Ich gehe schon, Corran.« Gavin zog ein paar Credits aus der Tasche. »Aber ich lade euch beide ein. Dafür, dass ihr mir bei dieser Adoptionsgeschichte geholfen habt.«
Corran wehrte ab. »Spar dir dein Geld, Gavin. Wenn ihr einmal Kinder habt, werdet ihr es dringend brauchen. Aber, ich habe irgendwie das Gefühl, ihr beide werdet es gut machen.«
Borsk Fey’lya wandte sich langsam von dem Fenster ab, aus dem er über die Häuserschluchten von Coruscant geblickt hatte. Er sah Asyr Sei’lar im Eingang zu seinem Büro stehen, und das durch das Fenster hereinströmende Licht ließ das weiße Fell in ihrem Gesicht und an ihren Händen schimmern. Ihre violetten Augen hatten immer noch das Feuer, das er vor Jahren in ihnen gesehen hatte, und ihr entschlossener Gesichtsausdruck schien zu dem Feuer zu passen. Gut, sie ist kampfbereit, also ist sie auch bereit, einen Handel zu schließen.
»Sie haben mich gerufen, Rat Fey’lya?«
Borsk nahm langsam die Hände auseinander und bemühte sich, seine Stimme leicht verletzt klingen zu lassen. »So förmlich, Captain Sei’lar? Ich hatte immer gedacht, wir Bothans können ein wenig lockerer miteinander umgehen.«
Asyrs Augen verengten sich, und sie spürte, wie ihre Fäuste sich ballten. »Ich wollte nur zu erkennen geben, dass ich genau weiß, wie die Machtverhältnisse sind, Rat.«
»Verstehe.« Borsk lächelte vorsichtig und strich sich dann über sein cremefarbenes Kinnfell. »Übrigens, meinen Glückwunsch zu Ihrer Beförderung. Lang verdient und überfällig. Typisch Mensch, Ihnen den gebührenden Rang so lang vorzuenthalten.«
Das schwarze Fell in Asyrs Nacken sträubte sich. »Die Sonderstaffel hat nie besonderen Wert auf Ränge gelegt, Rat. Uns kam es immer in erster Linie darauf an, unsere Pflicht zu tun. Dass das, was wir getan haben, jetzt mit Beförderungen belohnt worden ist, scheint mir gerechtfertigt. Ich würde sogar sagen, dass die Neue Republik in der Art und Weise, wie sie Helden wie Wedge Antilles belohnt, eher geizig war.«
Sehr gut, Asyr. Borsk nickte, wandte sich ganz vom Fenster ab und ging auf seinen Schreibtisch zu. Sie deuten an, dass Antilles nicht ausreichend belohnt worden ist, und lassen den Schluss zu, dass wir die übrigen Piloten der Sonderstaffel in ähnlicher Weise unter Wert behandeln, und tadeln mich dafür. Sie spielen Ihr Spiel gut.
Borsk wies mit einer Handbewegung auf den Besuchersessel vor seinem Schreibtisch. »Bitte, nehmen Sie Platz. Ich möchte, dass Sie bequem sitzen.«
Asyr trat vor, blieb aber hinter dem Stuhl stehen. »Ich habe heute den ganzen Tag in Einsatzbesprechungen gesessen. Es tut gut, einmal meine Muskeln zu strecken, aber lassen Sie sich nicht stören. Bitte, nehmen Sie Platz.«
Damit du auf mich heruntersehen kannst? Borsk nickte und nahm auf einem schweren Sessel Platz. Er tippte mit dem Zeigefinger an eine Datacard – die einzige Datacard – auf seinem Tisch. In dem Raum herrschte solche Stille, dass das Klicken seines Nagels auf dem Gehäuse der Datacard das Zimmer ganz erfüllte. Dann nahm er die Card in die Hand und drehte sie langsam herum. »Sie wissen, was das ist.«
Asyrs Muskeln spannten sich, und dann verschränkte sie die Hände hinter dem Rücken. »Ich nehme an, das ist mein Antrag auf Adoption eines bothanischen Waisenkindes.«
»Sie wissen natürlich, dass man jemandem, der sich wie Sie ausgezeichnet hat, niemals eine solche Ehre verwehren würde. Ohne Zweifel gibt es bothanische Familien, die Ihnen mit dem größten Vergnügen eines ihrer Kinder überlassen würden, wohl wissend, dass ihr Kind dann in einem Zuhause heranwachsen würde, in dem die Macht nicht in einem Rinnsal dahintröpfelt, sondern fließt und flutet.« Borsk tippte sich mit der Datacard ans Kinn und ließ sie dann sinken und lächelte. »Nach der Zerstörung des zweiten Todessterns, und nachdem bekannt geworden war, welche Rolle die Märtyrer dabei gespielt hatten, ging eine wahre Flut von Behauptungen über ihre Familien nieder, dass die Märtyrer die Erzeuger von Kindern seien. Für unser Volk ist es so wichtig, ein Stück der großen bothanischen Tradition in Anspruch zu nehmen, dass wir unser eigenes Fleisch und Blut weggeben würden, um daran teilhaben zu können.«
Ihr Kinn schob sich vor. »Dann haben Sie mich hierher bestellt, um mir zu sagen, dass der Antrag bewilligt ist?«
»Nein, und Sie wissen auch, dass das nicht der Fall ist.« Borsk schob die Datacard über den Schreibtisch zu ihr hinüber. »Ich möchte, dass Sie den Antrag zurückziehen.«
»Was?«
»Bitte, Asyr, Sie wissen ganz genau, wie unmöglich das ist. Sie haben eine Liaison mit einem Menschen – Sie wollen ihn heiraten. Ihrem Image auf Bothawui könnte das ja einen gewissen exotischen Glanz verleihen, aber die große Mehrzahl der Bothans hält das für eine Perversion. Er hat praktisch kein Fell, und sein Gesicht ist so zusammengedrückt, dass es, nun ja, hässlich wirkt. Dass Sie etwas an ihm gefunden haben, das auf Sie anziehend wirkt, kann ich ja verstehen, aber Sie dürfen nicht zulassen, dass diese unglückselige Vernarrtheit von Dauer ist.«
»Das ist keine Vernarrtheit. Wir lieben einander.«
Borsk Fey’lya hob beide Hände und wischte ihre Erklärung beiseite. »Vernarrtheit, Liebe, Begehren, wie auch immer Sie es nennen wollen, das ist unwichtig. Wichtig ist Folgendes: Wir waren bereit, ein Techtelmechtel zuzulassen, aber nicht mehr. Man wird Ihnen nicht erlauben, ihn zu heiraten und mit ihm eine Familie zu gründen.«
»Sein Name ist Gavin Darklighter, und er hat sich ebenso ausgezeichnet wie ich.« Asyrs Klauenhände lösten sich voneinander und krallten sich in die Lehne seines mit Nerfleder bezogenen Besuchersessels. »Ich kann einfach nicht glauben, dass Sie die Unverschämtheit besitzen, da zu sitzen und mir zu sagen, was ich mit meinem Leben zu tun oder zu lassen habe.«
»Nein?« Borsk achtete darauf, dass seine Stimme leise und gleichmäßig blieb, und erwiderte ihren flammenden Blick mit eisiger Miene. »Und ich kann nicht glauben, dass Sie da vor mir stehen und die Unverschämtheit besitzen, sich von jeder Verantwortung gegenüber Ihrem Volk loszusagen.«
»Was?«
Borsk spreizte die Arme und ließ seine Hände dann auf den Tisch fallen. »Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass Sie ein Vorbild für junge Bothans geworden sind. Die Märtyrer repräsentieren das, was wir alle zu erreichen hoffen, das, was wir uns wünschen zu tun, wenn man es von uns verlangt. Sie sind leuchtende Beispiele für das, wozu wir imstande sind. Ihre größte Tugend liegt darin, dass sie tot sind. Sie werden durch den Augenblick ihres Todes für alle Zeiten definiert, und nichts, was vorher geschah, ist von Bedeutung. All ihre Schwächen und Laster wurden weggespült, als das Imperium ihr Blut vergoss.
Sie, meine Liebe, sind ganz anders. Sie haben viel erreicht und leben noch. Sie sind ein lebendes Beispiel für unsere Mitbürger. Wenn eine junge Frau vor einer Entscheidung steht, könnte sie sich die Frage stellen: ›Was würde Asyr Sei’lar tun?‹ Sie haben Ihren Eltern getrotzt und sind in die Bothanische Kriegsakademie eingetreten. Sie haben sich mit einem Menschen eingelassen. Sie haben anscheinend kein Interesse daran, selbst Kinder zur Welt zu bringen, und wären bereit, ein Mischlingsrudel von Kindern aufzuziehen, das Sie sich aus den Ruinen des Imperiums zusammensammeln, ja, Menschen betrachten so etwas als wohltätig und beneidenswert, aber das ist nicht unsere bothanische Art. Indem sie Ihrem Beispiel folgen, würden andere das bothanische Lebensideal zerstören.«
Asyr schüttelte den Kopf. »Nein, es ist nicht fair, mir die Schuld für den Wandel zu geben. Die bothanische Gesellschaft ist vom Imperium unterdrückt worden, und wir haben diese Unterdrückung nur überlebt, indem wir uns nach innen gewandt haben. Jetzt haben die Dinge sich verändert, sich gewandelt, und dieser Wandel ist nicht mehr aufzuhalten.«
»Ich will ihn nicht aufhalten, Asyr, aber ich will ihn lenken.« Borsk hielt kurz inne, weniger der Dramatik wegen, sondern weil er wirklich seine Gedanken sammeln musste. Wenn ich Sie nicht davon überzeugen kann, welche Rolle Sie bei der Rettung des bothanischen Volkes zu spielen haben, könnte es notwendig sein, andere Schritte zu ergreifen. Er bewunderte ihr stählernes Rückgrat und die Energie, die ihn aus ihren Augen anfunkelte. Aber wenn es ihm nicht gelang, sie unter Kontrolle zu bringen, sie und die Richtung, die sie einschlug, würde die Katastrophe, die er am Horizont heraufziehen sah, das bothanische Volk verschlingen.
Und die Verzweiflung lieferte ihm die Inspiration.
Er seufzte tief. »Das Imperium hat die Vorstellung verbreitet, jede Spezies, die nicht menschlich ist, sei minderwertig. Menschen wurden als die absolute Krone der Schöpfung betrachtet. Wenn wir uns nach Größe sehnten, mussten wir uns danach sehnen, menschlich oder übermenschlich zu sein. Das ist die Botschaft, die man uns während der imperialen Periode eingebläut hat. Die Kinder Ihrer Generation sind in einer Welt großgezogen worden, wo das die Realität ist. Menschen sind das Maß, mit dem wir uns vergleichen.
Sie, eine Bothan, sind eine Kriegsheldin, die mit menschlichen Helden auf gleicher Stufe steht. Die Menschen akzeptieren Sie, und Sie akzeptieren die Menschen, und das ist sehr gut. Das Gleiche gilt für Ooryl Qyrgg oder Chewbacca. Sie liefern den Menschen ein leuchtendes Beispiel dafür, was Nichtmenschen tun können. In dieser Eigenschaft leisten Sie jeder nichtmenschlichen Spezies in der Neuen Republik einen hervorragenden Dienst.«
Borsk rieb sich die Hände. »Aber Sie sind eine romantische Beziehung mit einem Menschen eingegangen. Die Botschaft, die davon ausgeht, ist keine Botschaft der Gleichheit. Sie deutet vielmehr an, dass ein Nichtmensch es irgendwie nicht wert ist, Ihre Zuneigung zu gewinnen. Diese Beziehung war so lange erträglich, als man sie als ein Techtelmechtel abtun konnte. Sich jetzt auf Lebenszeit mit Gavin Darklighter zu verbinden, würde bestätigen, was das Imperium uns die ganze Zeit gepredigt hat: Wir sind den Menschen unterlegen, und selbst unsere Helden wissen das, und aus dem Grund haben Sie, Asyr Sei’lar, sich einen Menschen als Lebensgefährten genommen.«
»Nein, das ist nicht richtig.« Asyr schüttelte den Kopf, aber ihre Stimme klang jetzt nicht mehr so heftig. »Indem ich Gavin wähle, sage ich, dass es dort draußen eine ganze Galaxis voller Möglichkeiten gibt.«
Borsk schüttelte langsam den Kopf und gab seiner Stimme einen freundlich-väterlichen Klang. »Möglichkeiten, ja, aber sterile Möglichkeiten, unfruchtbare. Sie sagen damit allen, dass Sie lieber den Familientraditionen der Bothans den Rücken kehren würden, um einen Menschen zu heiraten, als Ihre Verantwortung in unserer Gemeinschaft zu akzeptieren. Das ist möglicherweise nicht die Botschaft, die Sie senden wollen, aber das ist die, die alle hören.«
Asyr beugte sich über die Stuhllehne. »Sie wollen sagen, wenn ich meine freie Wahl treffe – eine Freiheit, um die ich gekämpft habe und die ich mitgeholfen habe, dem Imperium zu entreißen –, würde ich damit den Einfluss des Imperiums aufrechterhalten?«
»So schlimm ist es nicht, aber im Prinzip haben Sie Recht. Sie haben das Unglück, in einer Zeit eine bothanische Kriegsheldin zu sein, in der es für uns dringend nötig ist, dass die bothanischen Helden sehr bothanisch sind. Das ist nicht fair. Das ist sogar grausam. Aber das ist Ihr Los im Leben, und das ist die Verantwortung, der Sie sich stellen müssen.«
Sie blickte zu ihm auf. »Und was würde meine Zukunft sein? Was muss ich tun, um bothanischer zu sein?«
»Darüber habe ich nicht nachgedacht.«
Asyr fletschte die Zähne. »Unter Druck dürfen Sie mich setzen, mich sogar meinetwegen verletzen, aber behandeln Sie mich bitte nicht wie ein dummes Kind. Sie haben in der Sekunde, in der Sie meinen Antrag gesehen haben, den Kurs für mein weiteres Leben geplant. Sie möchten, dass ich meine Beziehung zu Gavin abbreche – und was dann? Soll ich die Staffel verlassen, nach Bothawui zurückkehren und meine eigene Staffel befehligen? Und dann, nach einiger Zeit und geeigneten Verhandlungen, würde ich mit einem Ihrer Neffen verheiratet werden? Vielleicht einem Sohn?«
Borsk kniff die Augen zusammen. »Das wäre ein akzeptabler Kurs, ja. Ihre Familie wünscht, dass Sie auf unsere Welt zurückkehren, und es gibt viele Häuser, die Sie mit offenen Armen aufnehmen würden.«
Sie nickte. »Und die Alternative? Würde ich ausgestoßen werden, von meinem Volk abgeschnitten? Ich würde kein bothanisches Kind bekommen, das ich großziehen kann, und Sie würden Ihre Macht dafür einsetzen, um dafür zu sorgen, dass Gavin und ich nie ein anderes Kind adoptieren dürfen? Sie würden mir das Leben zur Hölle machen, weil Sie mich – wenn ich nicht bereit bin, die Art von Beispiel abzugeben, das Sie haben wollen – zu einem negativen Beispiel machen können, das Ihre Zwecke ebenso erfüllen würde.«
Borsk nickte und ließ damit kurz seine Hochachtung für sie erkennen. »In diesem Augenblick sind Sie durch und durch eine Bothan, Asyr. Das ist gut. Ihre Wahl liegt klar und deutlich vor Ihnen.«
»Sie wollen, dass ich Gavin das Herz breche.« Asyr zögerte einen Augenblick lang. »Und Sie würden zulassen, dass unsere Leute mir mein Herz brechen.«
»Besser ein gebrochenes Herz, als die Kultur eines ganzen Volkes für immer zu verlieren.«
Asyr richtete sich auf. »Ich werde darüber nachdenken müssen.«
»Das ist verständlich.« Borsk Fey’lya lächelte. »Der nächste Einsatz der Sonderstaffel sollte Ihren Ruhm noch steigern. Und am Ende der Mission würde ich Ihre Entscheidung erwarten.«
Sie nickte knapp. »Sie sehen, dass ich eine wahre Bothan bin, Rat Fey’lya. Wenn die Ströme der Macht sich neue Wege suchen, sollten Sie daran denken, dass Sie mich daran erinnert und mich gezwungen haben, meine Pflicht als Bothan zu erfüllen.«