18

 

Iella Wessiri schob sich den Werkzeuggürtel zurecht, sodass der Hydroschlüssel jetzt nicht mehr hinten an ihr Bein, sondern gegen den rechten Schenkel schlug. Der Werkzeuggurt, der Duraplasthelm und der blau-grau gestreifte Overall vervollkommneten eine Verkleidung, die damit angefangen hatte, dass sie sich die Haare rabenschwarz gefärbt und blaue Kontaktlinsen angelegt hatte. Nun sah sie wie eine Servicetechnikerin von Commenor Holocom aus, ein hinreichend häufiger Anblick auf diesem Planeten, um sie unauffällig erscheinen zu lassen.

Mirax hatte sich die Haare grellrot gefärbt und war in ein rotes Straßenkostüm mit einer schwarzen Bluse geschlüpft, was ihr zahlreiche neugierige Blicke eintrug Sie trug ein Datapad in der linken Hand und benutzte einen Griffel, den sie in der rechten Hand hielt, dazu, Iella dies und jenes zu zeigen, um damit bei Zuschauern den Eindruck zu erwecken, dass sie Iellas Vorgesetzte und damit beschäftigt war, sie einzuweisen. Beide waren von dieser Situation offenbar nicht gerade angetan, wie durch das ständige Murren beider Beteiligter zu erkennen war.

Die diversen Vernunftbegabten, die auf der Straße unterwegs waren, schlugen daher einen weiten Bogen um sie.

Iella hatte drei Wochen nach ihrem Gespräch mit Mirax nach Commenor aufbrechen wollen, aber Corrans Entdeckung auf Liinade III hatte zu völlig neuen Schwerpunkten für den Nachrichtendienst der Neuen Republik geführt. Sie hatte über einen Monat damit verbracht, das vorhandene Datenmaterial über Krennels Hegemoniewelten zu studieren und dabei nach einer möglichen Werft für die Pulsar-Station zu suchen. Sie hatte keine ausfindig machen können und zweifelte auch stark daran, dass überhaupt eine existierte, war aber einigermaßen darüber beunruhigt, dass für einige von Krennels Welten praktisch keinerlei Informationen vorhanden waren.

Die Befriedung von Liinade III verschaffte ihr eine kurze Atempause, die sie und Mirax dazu nutzten, die Reise nach Commenor anzutreten. Ihre erste Station war die Errant Ventura gewesen, der imperiale Sternenzerstörer, den die Neue Republik Mirax’ Vater als Dank für seine Mitwirkung bei der Befreiung von Thyferra überlassen hatte. Mirax hatte Booster Terrik dazu überredet, die Einrichtungen des Schiffes für die Herstellung gefälschter Dokumente zu nutzen, die ihnen die Einreise nach Commenor ermöglichen sollten, und Booster hatte es sogar geschafft, ihnen auf einem anderen Schiff eine Passage zu jener Welt zu besorgen. Iella hatte Booster widerstrebend darin beipflichten müssen, dass die Pulsar Skate ein zu bekanntes Schiff war, als dass sie damit unbemerkt auf Commenor hätten landen können.

Sie betraten den Vorraum eines großen Bürogebäudes und blieben vor dem Holowegweiser stehen. Mit Hilfe eines gelangweilt wirkenden Büroangestellten gab Mirax die Daten für das Büro der Anwaltssozietät Wooter, Rimki & Vass ein. Das Verzeichnis ließ sie wissen, dass die Büros sich im achtzehnten Stockwerk befanden und das Wochenende über geschlossen waren, aber Mirax drückte trotzdem einen Knopf, um einen Turbolift herbeizuholen, der sie nach oben bringen sollte.

»Die Büros sind aber geschlossen, Chefin. Die arbeiten am Wochenende nicht, so wie sich das für uns eigentlich auch gehören sollte.«

Mirax bedachte Iella mit einem finsteren Blick und stieß sie mit ihrem Griffel an der Schulter an. »Wenn Sie nicht zwei Leitungen kurzgeschlossen hätten, brauchten wir am Wochenende nicht zu arbeiten, und die könnten arbeiten.«

Ein Mitarbeiter der Hausverwaltung, ein Trandoshaner, zuckte zusammen, und zwei insektoide Verpinen wackelten viel sagend mit ihren Fühlern. Iella trottete ziemlich bedrückt hinter Mirax einher und hielt den Blick dabei zu Boden gerichtet. Sie trat wortlos in die Turboliftkabine, deren Türen sich hinter ihnen schlossen.

Mirax strich mit der Hand über die hölzerne Wandverkleidung. »Echt, kein Fiberplastersatz. Sehr elegant und sehr teuer.«

»Eine Kleinigkeit, wenn man seine Spesen vom Imperium bezahlt bekommt.« Iella schüttelte den Kopf. »Wenn Mem Wooter nicht zu habgierig geworden wäre, hätte ihm keiner etwas am Zeug flicken können.«

Mirax lächelte und schob sich eine rote Haarsträhne hinter das linke Ohr. »Ich dachte, du wärst diejenige gewesen, die meinem Vater gesagt hat, wir dürften Wooter nicht schnappen und ausquetschen, weil wir nicht sicher sind, dass er mit der Sache zu tun hat.«

»Na ja, so ist es ja auch.« Iella zuckte unbehaglich die Achseln. »Tatsächlich habe ich die gleichen Schwierigkeiten wie Corran, wenn es darum geht, Vorschläge deines Vaters abzulehnen.«

»Nein, die hast du nicht.«

»Na schön, vielleicht ist es bei mir nicht ganz so schlimm.« Sie lachte. »Nachdem ich mir jahrelang Geschichten über ihn angehört habe, ist mir jedenfalls nicht wohl dabei, seinen Vorschlägen zu folgen. Und das trifft besonders dann zu, wenn es um Personendelikte geht.«

»Und was wir jetzt vorhaben, ist etwas anderes?«

»Das ist ein Eigentumsdelikt, und das ist etwas völlig anderes.« Iella steckte die Daumen in ihren Werkzeuggurt, als der Lift anhielt und die Türen sich öffneten. »Ich sag’s Ihnen doch, Chefin, die haben selbst an ihrer Leitung herumgepfuscht, und das hat das Problem ausgelöst.«

»Das Problem war unerlaubter Lum-Verbrauch, Spleißerin.« Mirax ging Iella zu der breiten Doppeltür voran, auf der in goldenen Aurebesh-Lettern der Firmenname zu lesen war. Sie klopfte an die Tür und wartete. »Sieht mir wie ein Kambis- 9400-Schloss aus«, murmelte sie halblaut. »Nicht schlecht.«

»Das soll wohl ein Witz sein?« Iella zog ein kleines Kästchen aus einer Tasche ihres Werkzeuggurts. Es passte spielend in ihre Handfläche. Mit einem leichten Daumendruck schaltete sie die Vorrichtung ein, worauf an der Längsseite ein schmaler Streifen von der Dicke einer Schlüsselkarte herausfuhr. Sie zog ihn schnell einmal durch den Kartenschlitz, und dann noch zweimal. Beim dritten Versuch öffnete sich die Tür klickend.

Mirax riss die Augen auf. »Wie hast du…?«

Iella zuckte die Achseln. »Die Tür hätte auch Whistler aufgebracht.«

»Ich auch, aber dann hätte man den Blasterschuss gehört.«

Iella drängte Mirax in den Vorraum des Büros und schloss die Tür hinter ihnen. »Die Abwehr verfügt über ein paar recht interessante Spielsachen. Man stellt das Ding auf den Schlosstyp ein, zieht den Streifen einmal durch, um den gültigen Code zu löschen, ein zweites Mal, um einen neuen einzugeben, und ein drittes Mal, um die Tür zu öffnen.«

Mirax lächelte. »Weißt du, wo Cracken diese Dinger herbekommt?«

»Ich bezweifle, dass ihm recht wäre, wenn du eines hättest.«

»Mhm, dann eignen sie sich wohl auch nicht für den Handel.« Mirax warf einen Blick in das Büro. »Andererseits, wenn man dieses Büro so sieht, könnte es viel lukrativer sein, für die Imps zu arbeiten.«

Iella konnte Mirax da nicht widersprechen. Zwei schulterhohe Wände mit gedrechselten Holzsäulen, die eine reflektierende, silberne Decke stützten, teilten den Vorraum, in dessen Mitte ein breiter Schreibtisch stand. Ein Stück rechts davon waren einige äußerst behaglich wirkende Sessel um einen runden Tisch angeordnet. Auf der linken Seite führte ein Durchgang in die Rechercheräume, zum Archiv, zu ein paar Einbauschränken und einer kleinen Teeküche. Zumindest war das auf den Plänen des Büros so bezeichnet gewesen. Hinter dem Schreibtisch waren drei Türen zu den Büros der drei Partner der Sozietät zu sehen.

Iella deutete mit einer Kopfbewegung in den offenen Flur. »Zuerst das Archiv und dann Wooters Büro. Wenn es hier Beweismaterial gibt, werden wir es auch finden.«

Als Iella sich das in der Xenoveterinärstation erbeutete Material angesehen hatte, hatte sie schnell erkannt, dass man damit nicht viel anfangen konnte. Deshalb hatte sie das Material beiseite gelegt und sich mehr um die Umgebung der Anlage gekümmert. Die Existenz des Labors war unumstritten, was man keineswegs von den äußeren Umständen sagen konnte. Die Gefangenen hatten behauptet, sie hätten geglaubt, jahrelang in der Anlage gewesen zu sein, aber das stand in deutlichem Widerspruch zu den Aussagen der Bewohner der Umgebung.

Oder, wenn die Gefangenen in der Zeit dort gewesen waren, hatten die Imps die Zuchtstation nur zur Tarnung betrieben.

Als Iella ihre Ermittlungen ausgeweitet hatte, war sie auf einen ortsansässigen Anwalt namens Mem Wooter gestoßen. Wooter hatte sich in der imperialen Ära seinen Lebensunterhalt als Anwalt für Diebe, Glitzerstimsüchtige und anderes Gelichter verdient, die von den imperialen Behörden vor Gericht gebracht worden waren. Meist waren es belanglose Fälle, die Wooter zugeteilt bekam, weil nach imperialem Gesetz jeder Gefangene Anspruch auf einen Pflichtverteidiger hatte. Er verstand sich allem Anschein nach recht gut darauf, Deals mit der Anklagevertretung auszuhandeln und ihr andererseits, wenn das Beweismaterial fadenscheinig war, das Leben nicht zu schwer zu machen.

Obwohl Wooter hauptsächlich als Strafverteidiger tätig gewesen war, hatte man ihn als Treuhänder eingesetzt, als die Xenoveterinärstation in Konkurs ging. Er bezahlte die Ausgaben der Anlage aus seiner Tasche und baute darauf, dass er seine Verluste später beim Verkauf des Instituts würde wettmachen können. Die Unterlagen über das Konkursverfahren, die Iella sich aus den Computern von Commenor besorgt hatte, machten einen sehr ordentlichen Eindruck, was im deutlichen Gegensatz zu Wooters Arbeitsweise bei Kriminalfällen stand. Jedenfalls hatte das Konkursgericht keine Probleme mit ihm, da er keine unvernünftigen Wünsche vorbrachte und ordentliche Belege für seine sämtlichen Auslagen beibringen konnte. Der Vorsitzende Richter hatte sogar einen Aktenvermerk angefertigt, in dem stand, dass das Gericht Wooter, falls seine Ausgaben den Wert der Anlage überstiegen, ihm ebenso gut das Institut übereignen und die Akten schließen könne.

Mirax schaltete die Leuchtplatten im Archiv ein und ließ den Blick über die endlosen Regale mit den Datacard-Schachteln schweifen. »Nun, eine bequeme Suche wird das jedenfalls nicht werden.«

»Nein, aber wir haben ja genug Zeit.« Sie hatten die Pläne des Büros mit den Unterlagen der Hausverwaltung verglichen und daraus entnommen, dass die Sicherheitsvorkehrungen Wooters mit dem Kambis 9400 ihr Bewenden hatten. »Keine Alarmanlage, keine Bewegungsmelder. Wir bleiben also ungestört.«

Mirax runzelte die Stirn, als sie eine Schachtel mit Datacards von einem Regal nahm und sie auf den langen Tisch in der Mitte des rechteckigen Saals stellte. »Wooter ist ganz offensichtlich ein recht widersprüchlicher Typ. Intelligent genug, um sich ein gutes Schloss zu leisten, und zu dämlich, um eine Alarmanlage einzubauen. Intelligent genug, um als Konkursverwalter saubere Arbeit für die Imps zu leisten, und dumm genug, seinen Reichtum zur Schau zu stellen, indem er sich ein solches Büro nimmt.«

»Ziemlich auffällig, was?« Iella legte ihren Duraplasthelm auf den Tisch. »Aber das hat uns ja schließlich hierher geführt, oder?«

»Sicher.« Mirax zog eine Datacard aus der Schachtel. »Da, schau dir das an. Das sind die Konten von Xenovet.«

Iella griff nach Mirax’ Datapad und schob die Karte hinein. »Verschlüsselt, aber ich werde die Daten kopieren, dann können wir sie uns später vornehmen.«

Ein Schauder überlief Mirax. »Das ist alles zu einfach. Irgendetwas an dieser Geschichte gefällt mir nicht.«

Iella reichte ihr die Datacard zurück und schob das Datapad in die linke Schenkeltasche ihres Overalls. »Jetzt klingst du schon wie Corran. Sag mir bloß nicht, dass du auch Jedi-Blut in den Adern hast.«

»Viel schlimmer, mein Vater hat mir beigebracht, immer argwöhnisch zu sein.«

»Dann hat er dabei aber einiges versäumt.« Ein Mann stand in der Tür des Archivs, zog jetzt unter seinem langen Nerfmantel einen Blasterkarabiner hervor und richtete ihn auf die beiden Frauen. »Sie kommen mit uns.« Er trat in den Raum und machte einen Schritt nach rechts, sodass sie einen ähnlich bewaffneten Mann hinter ihm im Vorraum stehen sehen konnten.

Iella hob langsam die Hände, und Mirax schloss sich ihr an. Ihre lange Ausbildung, zuerst beim CSD und später bei der Rebellion, ließ Iella erkennen, dass jeder Widerstandsversuch Selbstmord wäre. Jetzt mit den beiden Männern zu gehen, bedeutete zwar, dass ihre Chancen, mit dem Leben davonzukommen, äußerst gering waren, aber in dem Archiv war jeder Fluchtversuch aussichtslos. Uns hier zu erschießen, wäre noch leichter, als in einer Turboliftkabine einen Bantha zu erledigen.

Mirax verließ den Raum mit hoch erhobenen Händen als Erste, Iella folgte dicht hinter ihr und war davon beeindruckt, dass der Mann, der ihr folgte, sie nicht mit dem Lauf seines Blasterkarabiners in den Rücken stieß. Wenn er das täte, wüsste ich, wo die Waffe ist, und hätte eine Chance, sie wegzustoßen und ihn anzugreifen. Seine Vorsicht verriet ihr, dass er nicht bloß ein gewöhnlicher Raufbold war, der beweisen wollte, wie hart er sein konnte. Das ist ein Profi, und das bedeutet, dass er nicht in Panik geraten wird. Und das ist gut.

Im Flur vor dem Büro schlossen sich den beiden ersten Männern zwei weitere an. Sie kamen aus dem gegenüberliegenden Büro – der Aufschrift auf der Tür nach eine Steuerberatungsfirma. »Sie haben in den Lüftungsschächten Überwachungskameras installiert und den Energieverbrauch dem anderen Büro berechnet und nicht Wooter. Hübsch.«

Der erste Mann dirigierte sie den Korridor hinunter zu einer Tür, die zu den Wartungslifts führte.

Mirax nickte. »Sehr hübsch. Ich wette, Wooter hat nicht einmal gewusst, dass er beobachtet wurde. Es passt zu Isard, an so etwas zu denken.«

Der Mann an der Spitze ging nicht auf die Bemerkung ein, aber einer der anderen zuckte kurz zusammen. Der Anführer bemerkte das ebenso schnell wie Iella und blieb stehen. »Ihr beiden seid jetzt hübsch still, sonst lähmen wir euch und tragen euch in Abfalltonnen hinaus. Ihr könnt wählen.«

Einer der Männer holte den Frachtaufzug, während sie sich in dem kleinen, mit Fliesen ausgelegten Raum versammelten, der im Kontrast zum Rest des Gebäudes umso schäbiger wirkte. Alle vier Männer waren groß und kräftig gebaut – Iella nahm an, dass sie auf einer Hochschwerkraftwelt ausgebildet worden waren –, aber sie waren unterschiedlich genug, dass sie keine Klone sein konnten. Wenn sie Panzer getragen hätten, hätte man sie für Sturmtruppler halten können. Iella vermutete deshalb, dass sie einer Abwehreinheit angehörten, und das war genau die Art von Leuten, die Isard auf Coruscant und anderswo für ihre schmutzige Arbeit eingesetzt hatte.

Sie drängten sich alle sechs in den Frachtaufzug, und der trat die Reise nach unten an. Die Blasterkarabiner verschwanden alle unter Jacken und Mänteln, aber Iella wusste, dass es unsinnig wäre, in dem überfüllten Lift einen Ausbruchsversuch zu unternehmen. Einer von denen könnte bei der Schießerei dran glauben müssen, aber wir wären mitten drin, und das könnte sehr gefährlich sein.

Der Frachtaufzug kam in einem Saal mit Laderampen am hinteren Ende des Gebäudes zum Stillstand. Der Gestank von verfaulendem Müll stieg Iella in die Nase, und eine Hand stieß sie am Rücken an. Als sie die Liftkabine verließ, sah sie einen der Verpine-Wartungsarbeiter aus der Halle. Einer ihrer Entführer zeigte dem Verpine seinen Karabiner, worauf der laut zu schnattern begann und sich schnell in eine Wandnische zurückzog, während die anderen Iella und Mirax auf die Seitenstraße hinter dem Gebäude hinausführten.

Drei mit Rädern versehene Müllbehälter standen auf der rechten Seite der Gasse und verengten sie erheblich. Aus dem näheren der beiden ragte ein zuckendes Paar Beine hervor, was bei einigen ihrer Bewacher ein Grinsen auslöste. Hinter den Müllbehältern sah Iella zwei schwarze Schwebewagen und vermutete, dass diese ihr Ziel waren. Die Türen der Schwebewagen öffneten sich, und zwei weitere Gestalten stiegen aus. Iella blickte sich um und sah eine weitere Gasse, die etwa auf halbem Weg zu den Fahrzeugen nach links abzweigte. Die Hauptstraße lag hinter ihnen, und zwei der Entführer befanden sich zwischen ihr und der Straße. Eine weitere Straße mündete hinter den Schwebewagen in die Gasse.

Sobald die uns einmal in die Schwebewagen gestopft haben, können sie uns hinbringen, wo sie wollen, uns verhören und uns töten. Doch so verzweifelt ihre Lage auch war, sie wusste, dass sie im Augenblick keine Chance hatten. Einer der Entführer ging an der Spitze der kleinen Gruppe, dann kam Mirax, dahinter ein zweiter Bewacher, dann Iella und schließlich hinter ihr die letzten beiden Entführer. In dieser schmalen Gasse wäre es eine Leichtigkeit, uns abzuknallen. Trotzdem, ein Ablenkungsmanöver…

Sie hatten den ersten Abfallbehälter passiert, als sich das Ablenkungsmanöver einstellte. Die schmierige Gestalt eines Mannes, der in dem Abfallbehälter herumgewühlt hatte, tänzelte an ihnen vorbei und bat sie dann nacheinander um Geld. »Ich bin kein Junkie, ich brauche bloß etwas zu essen.« Er zupfte am Ärmel des vordersten Mannes und huschte weiter, als der ihn wegstieß, griff nach Iellas rechter Hand. Als ihn der Mann hinter ihr anfauchte, riss der Bettler erschreckt die Augen auf und zog sich zurück, drückte sich mit dem Rücken gegen den mittleren Abfallbehälter.

»Ich würde gern helfen«, sagte Iella langsam.

»Das werden Sie, Lady, das werden Sie.« Der Mann stürzte sich auf den letzten Entführer und schmetterte ihn quer über die Gasse gegen die Betonwand auf der anderen Seite.

Die Kidnapper fuhren herum, als sie ihren Kameraden aufschreien hörten, und die Männer bei den Fahrzeugen zeigten beide auf sie. Iella riss die rechte Hand hoch und schob den Zeigefinger über den Abzug des Miniblasters, den der Bettler ihr zugesteckt hatte. Sie schoss dem dritten Kidnapper in den Rücken, sodass er nach vorn auf den Bettler und den letzten Kidnapper geschleudert wurde. Dann wirbelte sie herum, um auf den zweiten Kidnapper zu schießen, aber Mirax hatte ihn bereits mit einem Tritt gegen die Kniescheibe zu Boden geschickt. Iella schoss dem ersten Kidnapper ins Gesicht, packte dann Mirax’ Hand und rannte mit ihr auf die Schwebewagen zu.

Die Männer an den Fahrzeugen schossen nicht auf die laufenden Frauen – ob nun aus Überraschung oder aus Angst, ihre Kollegen zu treffen, wusste Iella nicht, und es war ihr auch gleichgültig. Sie rannte mit Mirax in die Gasse und wurde immer schneller. Die Gasse bog nach rechts ab; sie rannten um die Ecke und blieben wie erstarrt stehen.

»Mist! Sackgasse.« Mirax schlug mit der flachen Hand gegen eine Betonwand. »Du hast nicht zufällig etwas in deinem Werkzeuggurt, womit man da ein Loch hineinbrennen kann?«

»Leider nicht.«

»Und dein Mann mit seinem Lichtschwert ist auch nie da, wenn man ihn braucht, weißt du?«

»Ja, wenn wir ihn oder Wedge oder die ganze Sonderstaffel jetzt hier hätten, wäre das recht angenehm.« Iella duckte sich hinter eine Fiberplastkiste und kauerte sich nieder. Sie zielte mit ihrem Blaster auf die Mündung der Gasse, zwanzig Meter hinter ihnen. »Die werden jetzt gleich auftauchen und ziemlich böse auf uns sein.«

»Ja, das würde ich auch meinen.« Mirax schob eine weitere Fiberplastkiste herum und fing an, ein paar größere Betonbrocken auf der Kiste aufzuhäufen. Kleinere Stücke behielt sie näher bei sich.

Iella zog die Augenbraue hoch und sah sie an. »Du wirst mit Betonbrocken nach ihnen werfen?«

»Das wird vielleicht nicht viel bringen, aber mir ist dabei jedenfalls wohler.« Mirax zuckte die Achseln. »Und außerdem, wenn man Wedge glauben kann, haben die Ewoks ja mit Steinen eine ganze Menge ausgerichtet.«

»Nun, ein Bataillon von diesen kleinen Wuschelbiestern hätte ich jetzt gern hier.«

Am Ende der Gasse schob sich ein Gesicht um die Ecke, verschwand dann aber gleich wieder. Dann kam eine Blastermündung und jagte tödliche rote Energiebolzen durch die Gasse. An den Wänden züngelten Flammen.

»Ich würde euch beide lieber lebend haben«, rief jemand um die Ecke herum.

Iella zielte auf die Ecke, verlagerte ihr Ziel dann dreißig Zentimeter tiefer und einen Meter nach links. »Leicht werden wir euch das nicht machen.«

»Das habe ich auch nicht erwartet.«

Iella beobachtete scharf und wartete, dass die Gegenseite etwas unternahm. Ein gedämpftes Dröhnen war zu hören, sie wusste aber nicht, was sie damit anfangen sollte. Dann das stotternde Pfeifen von Blasterschüssen und ein Hagel roter Bolzen, die über die Gasse zuckten. Zwei Männer kamen in die Mündung der Gasse getaumelt und versuchten, dem konzentrierten Blasterfeuer auszuweichen. Schließlich blieben sie schlaff und mit rauchenden Kleidern mitten in der Gasse liegen.

Iella sah Mirax an. »Was geht hier vor?«

Mirax schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung, aber mir gefällt es jedenfalls.«

Sie blieben in Deckung, bis in der Gasse ein schnatterndes Zirpen zu hören war und sich zwei Verpinen mit Blastern über die toten Männer beugten. Sie stocherten an den Leichen herum und winkten dann jemand zu, ihnen zu folgen. Dann blieben sie über die Leichen gebeugt stehen und sahen zu Mirax und Iella hinüber, machten aber keine Anstalten näher zu kommen und richteten auch ihre Waffen nicht auf sie.

Ein älterer Mann mit einem weißen Haarkranz um den Kopf und einem buschigen weißen Schnurrbart steckte den Kopf in die Gasse und zog ihn gleich wieder zurück. »Nicht schießen, gut Freund.«

Iella ließ den Blaster sinken. »Wir glauben Ihnen.«

»Gut.« Der Mann trat in die Gasse und ließ seinen Blaster an einem Schulterriemen von der rechten Schulter baumeln. »Sind Sie beide unverletzt?«

»Ja.« Iella richtete sich auf und verschränkte die Arme über der Brust. »Wer sind Sie?«

Der Mann lächelte. »Baz Korral. Mirax’ Vater hat mir in den Bergwerken von Kessel das Leben gerettet und mich gebeten, ein wenig auf Sie aufzupassen. Als einer meiner Verpinen mir meldete, dass man Sie gefangen genommen hat, sind wir losgezogen. Wir wären gern früher hier gewesen, aber es ging nicht schneller.«

Iella nickte. Verpinen konnten über Energiewellen kommunizieren, die sie mit ihren Fühlern erzeugen und auffangen konnten. Sie eigneten sich perfekt dafür, ein Beobachternetz aufzubauen. »Keine Sorge, der Typ, der in der Gasse auf uns gewartet hat, hat schon für uns gesorgt.« Sie deutete auf ihren Blaster. »Er hat mir das hier gegeben und die Dinge in Gang gebracht.«

»Jemand hat Ihnen einen Blaster gegeben?« Korrals weiße Augenbrauen schoben sich zusammen. »Ich hatte niemanden in der Gasse, niemanden mit einem Blaster.«

Mirax’ Augen weiteten sich. »Der Bettler, der kam nicht von Ihnen?«

»Bettler?« Korral sah seine Verpinen an. Ihre Antennen zuckten, und dann schüttelte einer den Kopf. Korral sah wieder die beiden Frauen an. »Die Verps in der Gasse draußen sagen, dass dort keiner ist, bloß die Typen, die Sie abgeschleppt haben, und deren Freunde.«

Mirax sah Iella an. »Erinnerst du dich, wie ich gesagt habe, dass das alles zu leicht geht?«

Iella nickte. »Ja.«

»Nun, da habe ich mich getäuscht.« Mirax fröstelte. »Und ich glaube, das gefällt mir ganz und gar nicht.«