17
Obwohl Gavin Darklighter die Augen vor Müdigkeit schier zufielen, hielt ihn doch das Bild von Delak Krennel, das über den Holoprojektor des Aufenthaltsraums hereinkam, wach. Der Projektor verkleinerte Krennels Gestalt auf drei Viertel seiner natürlichen Größe, aber weil Gavin neben Asyr auf einer Couch saß, musste er zu dem Bild des Mannes aufblicken. Krennel hatte seine Admiralsuniform gegen einen gut geschnittenen Zivilanzug vertauscht, verzichtete aber auf die wallenden Gewänder, wie sie in der Umgebung des Imperators lange Zeit getragen wurden.
»Jetzt sehe ich mich also vor der schweren Aufgabe, die Vorwürfe zu widerlegen, die Mon Mothma und die Neue Republik gegen mich erhoben haben. Für viele von Ihnen, die Sie mir jetzt zuhören, ist es wahrscheinlich unvorstellbar, dass derartige Forschungsarbeiten auf einer von mir kontrollierten Welt stattfinden konnten, ohne dass ich davon wusste.« Krennel blickte mit argloser Miene in die Kamera. »Da bin ich ganz Ihrer Ansicht und sage Ihnen, dass ich von diesen Forschungsarbeiten nichts gewusst habe. Ich darf darauf hinweisen, dass die Neue Republik keinerlei Beweise dafür vorgelegt hat, dass ich informiert war, und darüber hinaus auch keine Beweise vorgelegt hat, dass vor der Eroberung von Liinade III durch die Neue Republik überhaupt jemand über diese Arbeiten informiert war.«
Gavin runzelte die Stirn. »Welchen Anlass sollte denn die Neue Republik haben, ein Labor vorzutäuschen und dir dann vorwerfen, du würdest einen Todesstern entwickeln?«
Die anderen Piloten nickten und stimmten damit Gavins Frage zu.
Hobbie lachte. »Nicht, dass wir nichts Besseres zu tun gehabt hätten, als wir den Planeten befriedet haben.«
»So schwierig war das nicht, Hobbie.« Myn Donos streckte die Arme aus. »Ich meine, wir hatten ja auch etwas Muße, ein oder zwei Stunden vielleicht, in denen wir ein solches Täuschungsmanöver planen und ausführen konnten.«
Krennels natürliche Hand aus Fleisch und Blut hob sich unschuldig. »Wenn ich jetzt andeute, dass die Neue Republik diese Beweise gegen mich gefälscht hat, würde ich mich der gleichen Täuschung schuldig machen, wenn ich keine Beweise dafür anbieten würde. Warum sollte man daran interessiert sein, mich so in Misskredit zu bringen? Indem die Neue Republik mich beschuldigt, Sate Pestage ermordet zu haben, haben meine Feinde sich ja schon all die Rechtfertigung verschafft, die sie brauchten, um eine Invasion auf einer meiner Hegemonie-Welten zu starten. Diese Vorwürfe tragen ja nur dazu bei, die Neue Republik zusammenzuschweißen, indem sie das Gespenst des Imperators heraufbeschwören, um dem, was ich getan habe, einen Makel anzuhängen – eine Neue Republik, die zuerst allem Anschein nach keineswegs einheitlich hinter diesem Überfall stand. Tatsächlich waren die Meinungsverschiedenheiten in der Neuen Republik sogar größer, als irgendjemand sich vorstellen konnte, und genau diese Meinungsverschiedenheiten waren es, die diesen Schritt veranlasst hatten.«
Krennel schob sein Kinn vor. »Ich habe versprochen, jedem bedrängten Volk in der Galaxis Zuflucht und die Chance auf eine bessere Zukunft zu bieten, und das hat dazu geführt, dass ich auch mit der Flüchtlingsbevölkerung von Alderaan in Verhandlungen getreten bin. Ich hatte vorgehabt, den Alderaanern den Südkontinent von Liinade III als Asyl anzubieten – einen Kontinent, der für seine zahlreichen Parallelen zu Alderaan bekannt ist. Indem die Neue Republik Beweismaterial erfunden hat, wonach ich die Art von Forschungsarbeiten fördern soll, die zu der tragischen Vernichtung von Alderaan geführt haben, hat sie natürlich dieses Vorhaben, das dem Volk von Alderaan und den Völkern meiner Hegemonie Frieden gebracht hätte, zunichte gemacht.«
Gavin schaute zu Tycho Celchu hinüber und sah, wie der seine Arme über der Brust verschränkte. »Colonel, stimmt das denn, was er sagt?«
Tycho schüttelte langsam den Kopf, als ob er die Frage gar nicht ganz zur Kenntnis genommen hätte. »Ich weiß nicht. Ich kümmere mich nicht sehr um die alderaanischen Flüchtlingsgruppen, und die lassen mich zum größten Teil auch in Ruhe. Die würden mich ohnehin als jemanden sehen, der der Neuen Republik nahe steht, und falls sie tatsächlich mit Krennel verhandeln sollten, würde es deshalb ihre Pläne beeinträchtigen, wenn sie mich davon in Kenntnis setzen würden.«
Krennel senkte kurz den Kopf. »Was mich an der Taktik der Neuen Republik am meisten schmerzt, ist die Tatsache, dass Mon Mothma mich beschuldigt hat, Terrorwaffen von der Art bauen zu lassen, wie die, die Alderaan zerstört haben. Damit hat sie mich als unmenschliches Monstrum dargestellt und angedeutet, dass diejenigen, die die Schrecken von Alderaan vergessen, es erneut zulassen werden, dass solche Grausamkeiten begangen werden.
Dabei habe ich die Lektion, die Alderaan uns alle gelehrt hat, nicht vergessen. Captain Wynt Kepporra stammte von Alderaan und hat zur gleichen Zeit wie ich die Imperiale Akademie auf Prefsbelt Vier besucht. Wir waren Freunde, gute, einander nahe stehende Freunde. Er war nach Alderaan zurückgekehrt, um seine Familie zu besuchen, und war dort, als Großmufti Tarkin…«
Krennel versagte die Stimme, und er wischte mit der linken Hand eine Träne weg. Als er sich wieder gefasst hatte, nickte er und fuhr fort: »Wynt war auf Alderaan, als es zerstört wurde. Ich war auf Alderaan. Ich habe den Friedhof besucht, das Denkmal, das man errichtet hat, und habe mich dort im Gedenken an ihn und all die anderen, die dort gestorben sind, verneigt. Die Erinnerung an ihn war es auch, die mich veranlasst hat, mit den alderaanischen Flüchtlingen zu verhandeln und nach einer geeigneten Welt zu suchen, auf der sie eine neue Heimat würden finden können. Und jetzt wirft man mir vor, dass ich auf der einen Seite mit ihnen verhandle und auf der anderen Seite Pläne schmiede, um einen neuen Todesstern zu schaffen – nun, nicht einmal der Imperator war seinen Feinden gegenüber so grausam und gemein.«
»Ihren Ruf verunglimpfen, nein«, schnaubte Asyr. »Aber den Planeten sprengen, das schon. Ich weiß nicht, ob mir Krennels Definition für grausam und gemein gefällt.«
Gavin legte ihr den Arm um die Schultern und zog sie an sich. »Du liest wieder einmal meine Gedanken.«
Der Prinz-Admiral schob sein Kinn vor. »Es ist eine traurige Tatsache, dass eine Brutalität oft die nächste auslöst. Die Neue Republik, die in ihren Anfängen Freiheit für alle gesucht hat, ist jetzt zu einem Ungeheuer herangewachsen, das diejenigen unterdrückt, die sich ihr widersetzen, ganz genau wie das Imperium das früher versucht hat. Für die Neue Republik gibt es so etwas wie Neutralität nicht, sie lässt anderen keine Chance, einen eigenen Weg zur Freiheit zu suchen. Und das war stets mein Wunsch.
Wir haben in dieser Galaxis einen schrecklichen Bürgerkrieg hinter uns, einen Krieg, dessen Schrecken noch frisch in unserer Erinnerung haften. Unter uns ist keiner, der nicht zurückgeblickt hat und mit der Klugheit, die einem nachher immer leichter fällt als vorher, der Meinung gewesen wäre, durch rechtzeitiges Handeln hätte man vielleicht die Schmerzen und das Leid von Milliarden abwenden können. Tapferer Widerstand gegen die Tyrannei hätte sie schon in ihrer Entstehungsphase erstickt und verhindert, dass man sie auf dem Höhepunkt ihrer Macht vernichten muss.«
Die Holokam erfasste jetzt Krennels Gesicht in der Totale. »Die Tyrannei der Neuen Republik steht an ihrem Anfang. Stellt euch jetzt gegen sie, damit es uns erspart bleibt, das Blut Milliarden Unschuldiger zu vergießen. Die Völker der Hegemonie werden kämpfen, um unsere Freiheit zu bewahren. Wir laden all jene ein, die sich der Freiheit verschreiben wollen, an unsere Seite zu treten, damit die Opfer, die gebracht wurden, um das Imperium zu überwältigen, nicht durch die Habgier der Neuen Republik befleckt werden mögen.«
Sein Bild verblasste langsam, und Gavin verspürte eine Gänsehaut auf den Armen. Er schüttelte den Kopf, und sein Blick verfinsterte sich. »Gibt es hier sonst noch jemanden, der auch nur einen Augenblick lang glaubt, dass wir vielleicht in diesem Krieg auf der falschen Seite stehen?«
»Allerdings«, meinte Inyri Forge, »aber nur etwa so lang, wie ich gebraucht habe, um mich daran zu erinnern, wie die Leute dort meinen X-Wing abschießen wollten.«
Myn Donos fuhr sich mit den Fingern durch sein schwarzes Haar. »Ich glaube, Krennel würde jetzt argumentieren, dass die nur versucht haben, ihren Planeten gegen unseren Angriff zu verteidigen. Wir waren tatsächlich die Angreifer.«
»Und das war auch richtig so.« Inyri deutete auf die Holoplattform, auf der gerade noch Krennel gestanden hatte. »Wenn wir nicht hierher gekommen wären und nicht jemand versucht hätte, Corran zu töten, hätten wir dieses Labor nicht gefunden. Und in ein oder zwei Jahren würde dann Krennel mit seinem Todesstern über Coruscant auftauchen und eine Menge Ärger verursachen.«
Myn hob beide Hände. »Hey, ich sage ja nicht, dass Krennel Recht hat, aber ich denke schon, dass es eine Menge Leute geben wird, die diese Rede nachdenklich machen wird.«
Asyr beugte sich unter Gavins Arm etwas vor und richtete sich auf. »Menschen, willst du wohl sagen, Myn.«
»Nicht unbedingt. Nehmen wir doch beispielsweise die Bothans.« Myn deutete mit einer Kopfbewegung auf sie. »Ihr seid ein hoch entwickeltes Volk, das große Opfer gebracht hat, um der Rebellion zu helfen. Ihr seid politisch reif, verfügt über Kolonialwelten und eine blühende Wirtschaft. Was wäre, wenn eine Eingeborenenbevölkerung auf einer dieser Kolonialwelten den Wunsch verspüren würde, die Bothans sollten verschwinden, und die Neue Republik würde sich dafür entscheiden, diese Unabhängigkeitsbewegung zu unterstützen – weitgehend wegen einer Abstimmung, die von Spezies organisiert wurde, die nichts von der bothanischen Politik halten? Ihr Bothans würdet euch dann sofort in der gleichen Situation befinden wie manche Menschen im Augenblick.
Und dann gibt es auch Menschen, die die schwarzen Tiefen im Herzen des Imperators gesehen haben. Einer von der Gespensterstaffel kam von Toprawa. Die Imps haben die Leute dort als Zugtiere benutzt. Sie könnten sich fragen, warum wir nicht sie befreien, statt um Welten zu kämpfen, die nicht um unsere Hilfe gebeten haben. Ich meine, ich habe nicht mehr für Krennel übrig als ihr anderen auch, und ich glaube auch, dass die Galaxis keine Tränen über ihn vergießen sollte, aber den Mord an Pestage als Rechtfertigung zu benutzen, ist tatsächlich ein wenig fadenscheinig.«
Gavin schüttelte den Kopf. »Myn, wenn ich dich richtig verstehe, dann willst du Folgendes sagen: Weil die Neue Republik das eine behauptet und Krennel das genaue Gegenteil davon, werden die meisten Leute sich fragen, ob die Wahrheit in Wirklichkeit irgendwo in der Mitte liegt.«
»Ganz richtig. Sie haben Grund sich zu fragen, wer Recht hat.«
Tycho stand auf. »Man nennt das die Grautäuschung. Der eine sagt Weiß, der andere Schwarz, und ein Beobachter von außen sagt, Grau ist die Wahrheit. Aber das ist nur dann so, wenn man faul und schlampig im Denken ist. Die Tatsache, dass eine Person eine Position bezieht, die im diametralen Gegensatz zur Wahrheit steht, kann die Realität nicht verändern und bewirken, dass die Wahrheit nicht länger wahr wäre. Die Wahrheit ist und bleibt wahr.«
Er nickte gemessen. »Und in diesem Fall ist die Wahrheit ganz simpel: Krennel ist ein unverbesserlicher Imperialer, der in der Vergangenheit eine Neigung zu Mord und Grausamkeit an den Tag gelegt hat. Wir haben ein Labor gefunden, das darauf hindeutet, dass er einen neuen Todesstern bauen möchte. Die Tatsache, dass wir es nicht genau wissen, bedeutet, dass wir weiter suchen und ihn weiter unter Druck setzen müssen. Selbst wenn Krennel Recht hat und er nichts mit diesem Labor zu tun hatte, zweifle ich doch keine Minute daran, dass er eine solche Station einsetzen würde.«
Inyri zog eine Augenbraue hoch. »Selbst nach dem, was er über seinen Freund von Alderaan gesagt hat?«
Tycho schnaubte. »Ich habe die Akademie auf Prefsbelt Vier einige Zeit nach den beiden besucht. Krennels Name stand auf ein paar Plaketten für waffenlosen Kampf. Kepporra galt als besonders begabter Ingenieur. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die beiden dicke Freunde waren, aber selbst wenn das der Fall war, würde es mehr als eine Träne brauchen, um mich davon zu überzeugen, dass Kepporras Tod Krennel sehr zugesetzt hat.«
Inyri verschränkte die Arme über der Brust. »Glaubst du wirklich, du kannst aus einer Holosendung schließen, was in Krennels Herz vorgeht?«
»Nein, ich gehe nur von dem aus, was ich in der Vergangenheit über ihn gehört habe. Er hat auf Axxila eine Ansammlung von Zivilisten beschossen und auf Ciutric Pestage ermordet.« Tychos Augen verengten sich. »Aber viel aufschlussreicher ist die Tatsache, dass er erst viereinhalb Jahre nach dem Tod seines Freundes aus den imperialen Diensten ausgeschieden ist. Die Vernichtung Alderaans hat mich sofort dazu veranlasst, mich der Rebellion anzuschließen, aber das war wohl nahe liegend, weil ich ja von Alderaan stamme. Andere haben für ihre Entscheidung länger gebraucht, einen Monat, ein Jahr, zwei Jahre vielleicht, aber am Ende haben sie es getan. Krennel blieb selbst nach der Zerstörung des zweiten Todessterns noch beim Imperium und hat sich erst abgesetzt, als er die Chance sah, Pestages Hegemonie an sich zu reißen. So jemand denkt nur an sich selbst.«
Gavin nickte langsam, ließ das, was Tycho gesagt hatte, in sich einsickern und erkannte, dass der Alderaaner die Wahrheit gesprochen hatte. In den ganzen dreieinhalb Jahren, die er jetzt bei der Sonderstaffel war, war es für ihn immer darum gegangen, anderen zu helfen. Ganz gleich wie schwierig der Einsatz auch war, sie zogen aus und taten ihre Arbeit, weil sie damit anderen nützten. Unsere eigene Zukunft aufs Spiel zu setzen, um damit die Zukunft anderer zu sichern, schien immer ein guter Handel. Krennel und Leute wie er würden das nie so sehen, weil sie sich selbst für wichtiger als andere hielten.
Und deshalb müssen wir sie unschädlich machen.
Gavin strich mit der Hand über das schwarze Fell auf Asyrs Rücken. »Ich weiß nicht, wie ihr das seht, aber ich finde, Mon Mothmas Ankündigung und Krennels Antwort darauf bedeuten, dass es sehr wichtig sein wird, Beweise für die Existenz dieser Station zu beschaffen. Ich denke, uns stehen ein paar interessante Aufklärungseinsätze bevor.«
Er stand auf und streckte sich. »Ich denke, ich sollte mich in einen Simulator setzen und ein wenig üben, einen T-Sechs-Fünf-R zu fliegen. Würde mich freuen, wenn einer von euch mitkäme.«