Buß- und Bettag?

Im November ist Buß- und Bettag. Leider kein öffentlicher Feiertag mehr – aber immerhin ein wichtiger kirchlicher Gedenktag. Dieser Tag hat traditionell drei Funktionen: Es geht um das Gebet der Kirche für die Schuld unseres Volkes vor Gott; die Kirche soll in besonderer Weise ihr Wächteramt ausüben; und es ist ein Tag der Gewissensprüfung für den Einzelnen vor Gott.

Buße spielt eine große Rolle gerade für Evangelische. Die Reformation Martin Luthers hat viel mit diesem Begriff zu tun. In der ersten seiner 95 Thesen, die er an die Wittenberger Schlosskirche schlug, formulierte er: „Da unser Herr und Meister Jesus Christus sagte: tut Buße, wollte er, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sein sollte.“

Auch wenn der Buß- und Bettag heute ein rein kirchlicher Tag ist, hat er doch einen öffentlichen Anspruch. Die Welt ist immer in der Gefahr, Gottes Gebote zu vergessen. Deshalb sagt die Kirche an diesem Tag besonders laut und deutlich, dass das Leben von Staat und Volk in der Verantwortung vor Gott steht. Der Bußtag erinnert die Kirche an diesen Dienst. Es entspricht Gottes Willen, wenn öffentlich benannt wird, wo wir in die Irre gehen. So wird das, was die Barmer Theologische Erklärung schon 1934 die Botschaft von der „frohen Befreiung aus den gottlosen Bindungen der Welt“ nannte, unerschrocken verkündet. Dabei darf die Kirche nie überheblich werden. Auch sie kann in die Irre gehen und hat es immer wieder getan.

Wenn ich über öffentliche Schuld nachdenke, bedrängt mich vor allem die Lage der Flüchtlinge in unserem Land. Das neue Zuwanderungsgesetz macht es immer schwerer, überhaupt Asyl zu erhalten. Und wenn wir die Dramen sehen, die sich vor Ferieninseln wie Teneriffa oder vor Lampedusa abspielen, bekommen wir eine Ahnung von dem Leidensdruck vieler Menschen. Sie haben Sehnsucht nach Frieden, Freiheit, Entwicklungsmöglichkeiten. Dass immer wieder Familien mit Kindern aus Deutschland abgeschoben werden, die seit vielen Jahren in unserem Land leben und gut integriert sind, das finde ich besonders bedrückend. Ich zweifle nicht an, dass das rechtens ist. Aber ich zweifle daran, dass es richtig ist. Wir brauchen Zuwanderung, dass wissen wir. Aber dann Menschen aufgrund der Rechtslage abzuschieben, deren Kinder hier zur Schule gehen, die sich als Deutsche verstehen, beste Zukunftschancen haben, ist für mich unverständlich, und ich halte es in vielen Fällen für unmenschlich.

„Gerechtigkeit erhöht ein Volk“ – dieser Vers aus dem Buch der Sprüche steht über dem Buß- und Bettag. Ich wünsche mir, dass diese biblische Weisheit eine Mahnung ist, genau hinzuschauen, wie wir mit Flüchtlingen und vor allem mit Familien, die seit vielen Jahren bei uns leben, umgehen.

Mehr als fromme Wuensche
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