Vorbilder
Dietrich Bonhoeffer wird von manchen ein evangelischer Heiliger genannt. Am 9. April 1945 wurde er im Konzentrationslager Flossenbürg gehenkt. Der anwesende Arzt schrieb: „Nie habe ich einen Mann so gottergeben sterben sehen.“ In einer Skulptur an der Westminster Abbey in London wird er zu den Märtyrern des 20. Jahrhunderts gezählt. Selbst US-Präsident George W. Bush hat sich bei seiner Rede vor dem Bundestag auf ihn bezogen.
Der junge Dietrich wuchs als eines von acht Kindern auf, eine Zwillingsschwester hatte er. Bereits mit 21 hatte er sein Theologiestudium beendet und dazu gleich noch einen Doktortitel erworben. So eine Art Überflieger war er. Dann machte er Auslandserfahrungen. Er wurde Vikar in Barcelona, fuhr nach New York, weil man meinte, er sei noch zu jung, um Pastor zu werden. Und so bekam er einen anderen Blick auf das, was in Deutschland geschah. Schon 1933 warnte er in einem Rundfunkvortrag davor, dass „das Bild des Führers in das des Verführers übergleiten“ könne. Der Vortrag wurde vorzeitig abgeschaltet ...
Im April 1933, nach dem Beginn des Boykotts jüdischer Geschäfte, schrieb Bonhoeffer den Kirchen ins Gewissen, sie dürften nicht nur die Opfer unter dem Rad verbinden, sondern müssten zur Not auch dem Rad selbst in die Speichen fallen. Beliebt hat er sich in seiner Kirche damit nicht gemacht. Er blieb ein Außenseiter. Als er sich schließlich entschieden hat, für den Widerstand gegen Hitler aktiv zu werden, tat er das auf eigene Verantwortung. Er hat seine vielen Kontakte ins Ausland genutzt, um deutlich zu machen: Es gibt Widerstand in Deutschland. Und er hat versucht, frühzeitig mit anderen darüber nachzudenken, wie die Deutschen mit ihrer Schuld umgehen können nach der Zeit der Nazi-Diktatur.
Ja, es ist wahr: Viele in Deutschland haben versagt in der Zeit des Nationalsozialismus. Sie hatten nicht den Mut, aufzustehen gegen Ideologie und Hass. Sie haben sich nicht schützend vor Menschen jüdischen Glaubens gestellt. Sie haben zugelassen, dass Millionen von Menschen brutal ermordet wurden. Dietrich Bonhoeffer ist eine Art Denkmal für alle die, die den Mut hatten, anders zu denken und widerständig zu handeln. Und sein Leben ist eine Mahnung, sich nicht allzu leicht anzupassen, den Mut zu behalten, frei zu denken. Dafür ist der christliche Glaube eine gute Ausgangsposition.
Martin Luther hat einmal gesagt, ein Heiliger sei ein Mensch, der sich Gott ganz und gar anvertraut. In diesem Sinne kann von Bonhoeffer als Heiligem gesprochen werden. Er wusste, dass er wohl nie wieder in Freiheit leben, seine Familie und seine Verlobte wohl nicht wieder sehen würde. Sein Gottvertrauen hat dieses Wissen nicht zerstört. Im Gefängnis hat Dietrich Bonhoeffer an Weihnachten 1944 in diesem Bewusstsein gedichtet: „Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar, so will ich diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein neues Jahr.“
Die Geschichte von Jesus Christus fordert uns dazu heraus, die Allmacht und die Ohnmacht Gottes zusammen zu denken. Ein einfacher Gedanke ist das nicht. Dietrich Bonhoeffer schreibt: „Gott läßt sich aus der Welt hinaus drängen ans Kreuz, Gott ist ohnmächtig und schwach in der Welt und nur so ist er bei uns und hilft uns.“ Und die Auferstehung zeigt: Gott will das Leiden schon in dieser Welt überwinden mit der Macht der Liebe allein – nicht mit Krieg, durch Mächte oder Gewalt. Wer immer den Namen Gottes im Munde führt, sollte das bedenken! – Und das gilt besonders für diejenigen, die politische Leitfiguren sein wollen.
Die Liebe ist verletzlich, verwundbar, aber sie ist auch stärker als der Tod! Von dieser Verheißung auf Gottes neue Welt leben wir. Diesem so offenbar gewordenen Gott dürfen wir vertrauen, an ihn glauben und uns ihm mit all unseren Verwundungen und Verletzungen anvertrauen. Das hat Jesus Christus verkündigt, dafür hat er gelebt und ist er gestorben und darin ist er in der Auferstehung ins Recht gesetzt worden. An diesen Gott halten wir uns, das ist unser Heiland. Luther übrigens hat an der Rede vom Verborgensein Gottes immer festgehalten. Ja, Gott kann fremd werden, es mag sein, dass wir zweifeln. Und doch erfahren Menschen immer wieder, dass sie gerade im Leiden von Gott gehalten sind.