Weibsbilder

Wer eine Buchauflage steigern will, muss Aufmerksamkeit erregen. Da kommt zum Erscheinen des Buches von Günther Grass etwa die Beichte gerade recht, er sei in der Waffen-SS gewesen. Und Eva Hermann erklärt, es sei von der Natur so gedacht, dass Frauen Kinder und Haushalt versorgen. Wie bitte? Welche Natur? Die Natur hat uns Hände mitgegeben zum Arbeiten und einen Verstand zum Denken. Fast alle Frauen auf der Welt müssen arbeiten, um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. In Afrika sorgen Frauen für 80 Prozent der Nahrung. Da geht es um harte, mühsame Feldarbeit. Ja, glaubt Frau Hermann, die Frauen schuften alle aus Spaß?

Auch in Deutschland sind Frauenarbeitsplätze in der Regel nicht so abwechslungsreich wie der einer Tagesschausprecherin. Die meisten Frauen arbeiten nicht aus Eitelkeit oder weil sie das besonders schick finden, sondern weil das Einkommen notwendig ist, auch um Kinder zu versorgen. Und wenn es zu einer Scheidung kommt, dann wird das für eine Ehefrau bitter, die sich ganz dem Mann und den Kindern gewidmet hat. Sie kann ganz schnell abstürzen ins soziale Abseits, weil die Unterhaltszahlungen ihren Lebensstandard kaum sichern und sie nach Jahren ohne Berufstätigkeit auf dem Arbeitsmarkt nahezu chancenlos ist. Da habe ich zum Beispiel bei mancher engagierten Pfarrfrau, die sich über Jahre an der Seite ihres Mannes engagiert hat, ein bitteres, ja brutales Erwachen miterleben müssen.

Viele Frauen haben keinen Ehemann an der Seite, der soviel verdient, dass sie ganz zu Hause bleiben können, das ist für die meisten Familien Luxus. Und viele haben gar keinen Ehemann an der Seite, das höchste Armutsrisiko in unserem Land haben alleinerziehende Mütter.

In Frankreich sind 70 Prozent der Mütter berufstätig und die jungen Franzosen sind wahrhaftig nicht alle verhaltensgestört. Ein Kind kann auch verhaltensauffällig werden, wenn es eine übel gelaunte, weil unzufriedene Mutter den ganzen Tag zu Hause hat. Ich finde wunderbar, wenn eine Frau sich entscheidet, ihre Kinder zuhause zu betreuen. Das sollte sie dann auch ohne schlechtes Gewissen tun können. Wichtig aber ist, dass es auch anders gehen kann, dass Mütter, die erwerbstätig sind, ihre Kinder gut betreut wissen. Wichtig sind Betreuungsangebote und familienfreundliche Arbeitsplätze, um eine Investition in Kinder. Und darum, dass Kinderhaben ein Glück bedeutet, dass es wunderbar ist, mit anderen zusammen zu leben. Eine Ursache für die niedrige Geburtenrate liegt darin, dass die meisten Menschen keine feste Bindung eingehen wollen; und mehr Männer als Frauen im Land planen ein Leben ohne Kinder. Meiner Meinung nach geht es um Gottvertrauen und Zukunftshoffnung, nicht um alte Klischees.

Aber ach, wir sollten uns über Eva Hermann nicht aufregen. Vielleicht ist das Beste, das Buch schlicht zu ignorieren. Dann haben die so gewollt reißerischen Thesen nämlich ihr Ziel verfehlt. Ein Zurück zur „Versorgerehe“ der 50er Jahre gibt es ohnehin nicht, aus ökonomischen Gründen, weil Frauen gut ausgebildet sind und weil Männer sich längst verändert haben. Es hat sich etwas bewegt, und dahinter führt kein noch so medienwirksamer Weg zurück.

Mehr als fromme Wuensche
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