Kirche – wer ist das?

Mich erreichen ja oft tiefe Seufzer und manchmal heftige Beschwerden. Da gibt es Ärger über den Pastor, dort über den Friedhof, hier über den Konfirmandenunterricht. Oder es heißt, „die Kirche“ sollte gefälligst dies oder das tun. Dann versuche ich zu antworten: Die Kirche ist eben nicht die Bischöfin oder das Landeskirchenamt oder der Pastor. „Du bist Kirche!“ Martin Luther hat vom Priestertum aller Gläubigen gesprochen, da gibt es zwar unterschiedliche Aufgaben, aber keine Hierarchie und keinen Weihestatus. Der Apostel Paulus hat die Gemeinde oder Kirche in der Bibel einmal mit einem Körper verglichen und gesagt: Das Auge braucht die Hand und der Kopf braucht die Füße. Das heißt, nicht alle machen dasselbe in der Kirche, aber alle werden gebraucht. Kirche lebt vom Mitmachen, vom Engagement vieler. Klar gibt es da manchmal unterschiedliche Meinungen, es gibt Auseinandersetzungen – das gehört dazu, denn Kirche wird von Menschen gestaltet. Sie entsteht durch Gottes Wort, sie lebt vom Glauben, aber wir alle sind – wie es umgangssprachlich so schön heißt – „das Bodenpersonal“.

Allein in unserer hannoverschen Landeskirche engagieren sich mehr als hunderttausend Menschen ehrenamtlich. Das finde ich großartig! Da sind einerseits die Kirchenvorstände, die etwa über die Art der Gottesdienste entscheiden und über vieles andere. Da gibt es ehrenamtliches Engagement beispielsweise im Hospizdienst: Sterbende Menschen werden in ihrer letzten Zeit liebevoll begleitet. Andere besuchen Kranke, die sonst einsam und allein wären. „Tafeln“ werden organisiert für Menschen, die sich keine warme Mahlzeit leisten können. Der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt. Wir brauchen Engagement und Vielfalt in unserer Kirche wie in unserer Gesellschaft.

Mir ist wichtig, dass Kirche nicht „die da oben“ sind oder der Pastor, die Pastorin. Jeder Christ und jede Christin sind nicht nur Teil der Kirche, sie können und sollen sie auch mitgestalten. Wer sich ärgert, kann etwas ändern: Indem er zur Kirchenwahl geht oder indem sie sich wählen lässt; indem in der Gemeinde Neues angeregt wird. Solche Veränderungen aber brauchen Engagement nicht nur von Hauptamtlichen, sondern auch von Ehrenamtlichen. „Es sind verschiedene Gaben, aber es ist ein Geist.“ (Galater 12,4)

Im neuen Testament der Bibel stehen Briefe des Apostels Paulus an die jungen christlichen Gemeinden. In seinen Grüßen am Ende dieser Briefe ist zu erkennen, dass in den Gemeinden von Anfang an die unterschiedlichsten Menschen mit den verschiedensten Gaben am Werk sind. Er grüßt etwa am Ende des Römerbriefs im 16. Kapitel die Priska und den Aquila, Maria, „die viel Arbeit um euch gehabt hat“, Andronikus und Junia und viele andere mehr.

Wichtig ist schon damals, dass die unterschiedlichen Gaben zum Tragen kommen können. Die einen können besser die Bibel auslegen, die anderen Kranke begleiten, wieder andere Kinder betreuen. Entscheidend für die Gemeinschaft soll sein, dass dadurch keine Hierarchie entsteht, sondern ein solidarisches Miteinander im Respekt vor dem, was der oder die andere leistet. Gewiss ist das immer auch ein Idealbild. Aber damit auch ein Anspruch, ein Leitbild.

Mehr als fromme Wuensche
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