Erntedank

Erinnern Sie sich? Adam und Eva lebten glücklich und zufrieden im Paradies. Aber dann kam die Versuchung: Selbst wie Gott sein, das wäre großartig. Und so essen sie die verbotenen Früchte vom Baum der Erkenntnis. Gott vertreibt die beiden zur Strafe aus dem Paradies. Die Nahrung fällt den Menschen seither nicht mehr in den Schoß, nein, sie muss erarbeitet werden. Um den Lebensunterhalt müssen die Menschen nun ringen. Gott sagte, so heißt es im ersten Buch Mose: „Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen!“ Land bewirtschaften – für viele ist das sehr fremd geworden. Sie verdienen ihren Lebensunterhalt mit Dienstleistungen oder am Computer. Aber bei uns in Niedersachsen etwa, dem zweitgrößten Agrarland der Republik, spielt die Landwirtschaft durchaus eine große Rolle. Sie ist auch der zweitgrößte Wirtschaftsfaktor in unserem Land. Ihre Wertschöpfung beträgt 4,5 Milliarden Euro pro Jahr. Ja, jeder vierte Arbeitsplatz in Niedersachsen hängt mittelbar oder unmittelbar an der Landwirtschaft. Fast 60 000 landwirtschaftliche Betriebe gibt es.

Die Familien auf den Höfen, die ich besuche, wissen aber inzwischen bei allem Schweiß in ihrem Angesicht oft nicht mehr, wie sie weiterleben sollen. Sie sind eingeklemmt in einem enormen Druck. Allein in den Jahren 2001 und 2002 gab es bei ihnen im Durchschnitt eine Einkommenseinbuße von 38 Prozent. Eine Frau in der Landwirtschaft arbeitet in der Regel 63 Stunden pro Woche, ein Mann 59 Stunden – von einer 40-Stundenwoche kann keine Rede sein! Da müssen Kühe gemolken, Schweine versorgt, Getreide eingeholt werden. Trotzdem liegt das durchschnittliche Familieneinkommen ohne Investitionskosten und Sozialversorgung bei gerade mal 22.000 Euro.

Immer mehr Betriebe machen dicht, seit den 60er Jahren wurden in Deutschland zwei Drittel aller Höfe aufgegeben. Immer öfter finden sich schlicht und einfach auch kein Nachfolger und keine Nachfolgerin, die den Hof übernehmen wollen. Viele versuchen, durch Direktvermarktung auf dem Hof oder „Ferien auf dem Bauernhof“ ein Zubrot zu verdienen. „Aber“, sagte ein Landwirt, „wir können doch nicht noch mehr arbeiten, weil die eigentliche Erzeugung von Lebensmitteln nicht genug einbringt, um davon leben zu können. Im Grund zahlen wir auf jedes Schwein drauf, das wir aufziehen!“

Nehmen wir eigentlich noch wahr, dass die bäuerlichen Familien Sachwalter des Segens Gottes in Saat und Ernte sind? Warum wird die Arbeit in der Landwirtschaft so wenig respektiert? „Im Schweiße deines Angesichts“ – das kann doch nicht so einseitig bleiben. Es kann nicht angehen, dass der Preisdruck die Existenz von immer mehr Landwirten gefährdet. Wollen wir denn eines Tages die Landwirtschaft nur noch im Museum anschauen: So war das einmal, früher auf dem Dorf? Eine Bäuerin klagt: „Mein Mann und ich machen alles richtig, und trotzdem reicht es nicht!“ Wir sollten genau hinschauen. Das Dorf ist nicht nur ein Schlafplatz mit billigem Bauland. Das Land bebauen, das Land bewahren, das ist ein Urauftrag der Menschen, und wir alle leben von den Nahrungsmitteln, die dort erzeugt werden. Landwirtschaft dient allen. Wir dürfen die Familien auf dem Land, auf dem Acker und in der Viehzucht nicht allein lassen. Wir sollten genau hinsehen, wie es ihnen geht, und wert schätzen, was sie tun.

Mehr als fromme Wuensche
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