Martinstag
Der Martinstag am 11. November hat eine große Tradition: Zum einen wird an Martin von Tours gedacht, der als Soldat seinen Mantel mit einem Bettler teilte und so ein Vorbild wurde für das Miteinander von Reichen und Armen. Der 11. November war sein Todestag, an den viele Kirchengemeinden denken. In mancher evangelischen Gegend wird dieser Tag auch in Erinnerung an Martin Luther gefeiert, der am 10. November geboren und am 11. November getauft wurde. Beide Feste sind vor allem als Fest für Kinder ausgerichtet, die Brezeln oder Lutherbrötchen erhalten.
Diese Traditionen des Martinstages haben durchaus aktuelle Bedeutung. Das Teilen nach dem Vorbild Martin von Tours wird in einer Gesellschaft immer wichtiger, in der die einen im Überfluss leben, die anderen kaum über die Runden kommen. Jedes siebte Kind in Deutschland ist auf Sozialhilfe angewiesen – da wirken die grellbunten Reklamen bitter, die all das anpreisen, was sie sich nicht leisten können. In diesen Zeiten muss deutlich gesagt werden: Wir dürfen den Menschen nicht auf den Konsumenten reduzieren! Und: Die „Armen“ sind nicht einfach Objekte unserer Wohltätigkeit; es geht für alle um eine Gesellschaft, in der wir miteinander in sozialem Frieden leben.
Auch die Freiheit aus Glauben, von der Martin, der Reformator aus Wittenberg sprach, ist aktuell. Solche innere Freiheit kennen viele Menschen nicht mehr, weil sie keine Beziehung haben zu Gott, weil sie die Wurzeln des christlichen Glaubens verloren haben. Gerade deshalb wollen wir als Kirchen den Sonntag schützen. Er ist der wichtigste Tag in der Woche, weil er uns durchatmen lässt! Sonntage geben Zeit für die Seele, Zeit für Gott, für das Nachdenken über die letzten Dinge, und auch Zeit für die Familie, für Freunde. Eine Gesellschaft, die nur noch Werk- und Einkaufstage kennt, wird bald an einem kollektiven Burn-Out-Syndrom leiden. Es gibt vieles zu bedenken am Martinstag ...
Ach, da sei ein bischöflicher Stoßseufzer erlaubt: Muss es mancherorts wirklich ein verkaufsoffener Sonntag sein, der nun „Martinssonntag“ genannt wird? Wer an kirchliche Traditionen anknüpft, sollte das auch konsequent tun. Früher, als der Martinstag noch Markttag war, begann danach eine 40-tägige Fastenzeit zur Vorbereitung auf Weihnachten! Daran ist wohl kaum gedacht. Heute soll er quasi die Adventszeit einläuten – die beginnt aber erst nach dem Ewigkeitssonntag, oft erst Ende November! Wissen wir am Sonntag nichts anderes mit uns anzufangen, noch dazu in einer Zeit, in der die meisten angeblich weniger Geld in der Tasche haben?
Als gesetzliche Regelung akzeptieren wir als Kirchen notgedrungen maximal viermal im Jahr den Kompromiss: Kirchgang am Morgen und Markt am Nachmittag. Mir liegt daran, dass Menschen noch wissen, wo sie wirklich Orientierung finden im Leben, wenn keine Designerklamotte und kein Shopping Sinn produzieren können. Dazu kann mancher Martinsumzug mit Laternen und Andacht beitragen.