Mr. Merkel
„Wo war ihr Mann?“, titelte BILD am Tag, an dem die Bundeskanzlerin eingeführt wurde. Und das schien die ganze Republik zu interessieren. Haben wir aber erstmals in der Geschichte unseres Landes eine Frau als zentrale Politikerin, hätte da der Titel nicht lauten müssen: „Erste Frau als Regierungschefin!“ Oder: „Deutschland hat eine Frau im Kanzleramt!“ Nein, da gibt es Umfragen nach dem Motto: „Was halten Sie davon, dass Professor Joachim Sauer seine Frau nicht zu ihrer Vereidigung begleitet hat?“ Oder: „Würden Sie von Ihrem Mann erwarten, dass er an Ihrer Seite stünde?“
Zum einen: Ich denke, das geht uns nichts an. Vielleicht ist es schlicht an der Zeit, dass wieder klar wird: Bei Politikerinnen und Politikern geht es zuallererst um Politik und nicht um die Farbe des Ballkleides oder die Frisur oder die Liebesbeziehung. Sie sind weder Popstars noch Schauspieler oder Sternchen, sondern sollen unser Land gestalten, Verantwortung übernehmen! Sie sind rechenschaftspflichtig und ihr Beruf ist kein „Job“ und schon gar keine unterhaltsame Angelegenheit.
Zum anderen: Auf diese Weise wird klar, dass sich etwas verändert hat. Die „Gattin“ ohne eigene Berufstätigkeit ausschließlich als „die Frau an seiner Seite“ wird seltener. In den Ehen unserer Zeit üben auch Frauen oft eine eigene Berufstätigkeit aus, stellen nicht das ganze eigene Leben auf „ihn“ ab. Wahrscheinlich wird das bei Frauen in Führungspositionen zuallererst sichtbar. Denn das umgekehrte Modell, sozusagen den Beruf „Kanzlergatte“, hat es wohl nie gegeben. Auch mein Mann kommt selten zu Empfängen oder dienstlichen öffentlichen Anlässen mit, höchstens, wenn es gut passt und ihn wirklich interessiert. Er nimmt ja auch nicht an den berühmten „Damenprogrammen“ teil. Bei den Ehemännern anderer Frauen in leitenden Positionen, die ich kenne, verhält es sich genauso. Das ist nur insofern neu und nun sichtbar, weil es bisher selten Frauen in solchen Positionen gab. Insofern kommt die Bundesrepublik vielleicht schlicht in der Normalität des 21. Jahrhunderts an.
Übrigens: Ich fand viel wichtiger, dass die Kanzlerin ihren Amtseid mit dem Zusatz „So wahr mir Gott helfe“ geleistet hat. Da weiß ich, vor wem sie sich verantwortet, wo sie Halt und Kraft findet. Das sagt mir jedenfalls mehr über Angela Merkel als die Antwort auf die Frage, wo ihr Mann war.
Über das Verhältnis von Mann und Frau in der Bibel wurde stets viel spekuliert. Wichtig war mir immer, dass es neben der Schöpfungsgeschichte mit der Rippe – die im Hebräischen eigentlich die Seite war – die Schöpfungsgeschichte gibt, in der es heißt: „Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.“ (1. Mose 1,26) Gott schafft also beide gleichermaßen zum eigenen Bild, ohne Hierarchie, ohne Abstand zueinander. Das ist ein ganz anderer Ausgangspunkt als die Unterordnung, die allzu oft in der Kirchengeschichte aus der Schöpfung abgeleitet wurde. Auch die zweite Schöpfungsgeschichte, in der Eva aus der Rippe Adams geschaffen wird, macht sie ja nicht geringer als ihn, nein, er ist nicht vollständig, ist sie nicht da: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei“ (1. Mose 2,18).