Fußball-Sommermärchen
Das große Fußballfest haben wir im Sommer 2006 erlebt! Die Fans jubelten und trauerten, Gewinnen und Verlieren standen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.
„Die Welt zu Gast bei Freunden“ – ein schönes Motto für diese Wochen. An ihrem Anfang hofften wir zuallererst, dass sich diese Grundstimmung bewahrheiten würde. Gastgeber sein, heißt ja: Die Tür aufmachen, sich freuen, dass andere in meine „gute Stube“ kommen, Brot und Wein miteinander teilen oder auch Bier und Chips. Schön, dass wir als Deutsche während der WM geübt haben, gastfreundlicher zu sein. Oft wird ja aus dem Urlaub erzählt, wie nett es in der Türkei war, wie gastfreundlich die Menschen in Tunesien sind. Bei uns ist es eher selten, dass wir wirklich die Türen öffnen. Eine Türkin erzählte mir: „Ich wohne schon 16 Jahre lang in Deutschland, aber ich habe noch nie ein deutsches Wohnzimmer von innen gesehen.“ Dabei ist Gastfreundschaft wirklich eine Bereicherung. Du lernst neue Menschen kennen, dein Horizont erweitert sich und manche echte Freundschaft entsteht.
Gäste beherbergen ist übrigens eine gut biblische Tugend. „Gastfrei zu sein, vergesst nicht; denn dadurch haben einige ohne ihr Wissen Engel beherbergt“, steht im Hebräerbrief (13,2).
Alle Gäste zur WM Engel? Was für eine Vorstellung! Doch am Schlimmsten ist ja nicht, wenn die deutsche Elf ein Spiel verliert oder dass sie nicht Weltmeister geworden ist. Das Schlimmste ist, wenn es zu Gewalt kommt, Menschen verletzt werden oder es gar Attentate gibt. 300 000 Polizistinnen und Polizisten standen zur Weltmeisterschaft bundesweit in Bereitschaft. Aber auch die Polizei kann nicht alles verhindern, gerade dann nicht, wenn unter den Gastgebenden oder den Gästen Menschen sind, die entschlossen sind, ein friedliches Miteinander, den Wettkampf auf dem Rasen für ihren Fanatismus zu missbrauchen. Den Älteren unter uns ist das Grauen von 1972 noch gut im Gedächtnis, als die Olympischen Spiele in München, die so großartig begonnen hatten, durch den Überfall auf die Mannschaft aus Israel jäh zerstört wurden.
In den Gottesdiensten dieser Zeit haben wir auch die Weltmeisterschaft ins Gebet aufgenommen. Um Siegen und Verlieren ist es dabei weniger gegangen als um ein friedliches Miteinander der Menschen. Dafür zu beten und dafür auch aktiv einzutreten war vielleicht das Wichtigste in diesen Tagen. Und am Ende hat sich gezeigt: Die Wochen wurden zu einer Zeit der Verbundenheit, in der gefiebert, gefeiert und sich miteinander gefreut wurde. Da wurde ein dritter Platz zum „Weltmeister der Herzen“, nichts war zu spüren von Rassismus und Gewalt – das war wohl der größte Sieg.