Kinder sind Chefsache
Warum war da eigentlich so viel Aufregung um das Elterngeld? Es ist doch nur vorgesehen, dass unser Land einer Frau, die ein Kind bekommt, zehn Monate lang 67 Prozent ihres Einkommens (bis zu 1800 Euro) zahlt. Sollte auch der Vater des Kindes sich entschließen, für die Betreuung eine Auszeit zu nehmen, gibt es zusätzlich zwei Monate. Was soll daran so schlimm sein? Das ist ein großartiges Angebot – wir können aus Schweden lernen, dass viele Väter das als Chance sehen, intensiver Kontakt zu ihrem Kind aufzubauen. Und wir wissen längst, wie wichtig Väter als Bezugspersonen sind, wie viele Jungen dringend männliche Vorbilder brauchen.
Kreative Angebote brauchen wir, wie Kind und Karriere zusammen passen, denn immer weniger Frauen und Männer in unserem Land bekommen Kinder. Nun könnten wir sagen: ist doch ihre Sache! Für viele ist Kinderlosigkeit kein Schicksal mehr, sondern ein Lebensentwurf. Jeder vierte Mann in Deutschland wünscht sich gar keine Kinder. Ja, Kinder verursachen Kosten, nehmen Zeit in Anspruch und sind die wohl letzte lebenslange Bindung, die es bei uns überhaupt noch gibt. Aber Kinder sind auch ein Lebensglück; ich sehe sie als Geschenk Gottes. Familie ist bei allen Schwierigkeiten eine wunderbare Lebensform. Und ein Land mit so wenig Nachwuchs wie Deutschland bekommt Probleme: wirtschaftlich gesehen fehlen bald qualifizierte Fachkräfte, sozialpolitisch gesehen bricht das Rentensystem zusammen.
Es ist an der Zeit, dass Erziehung endlich als Leistung anerkannt wird in Deutschland. Sie gilt weiterhin als „Gedöns“, Kleinkram und eben auch Frauensache. Eine Frau, die ein Kind bekommt, wird schnell als „Mutti“ abgestempelt und muss dann mühsam ins Berufsleben „wieder eingegliedert“ werden. Als hätte sie sich auf einem anderen Stern befunden!
Wenn wir Mut zu Kindern machen wollen, geht es auch darum: junge Leute zum Kind ermutigen, mehr Betreuungseinrichtungen bereitstellen, elternfreundliche Arbeitsplätze anbieten, als Gesellschaft kinderfreundlicher werden, etwa in der Architektur. Ein Bericht der Bosch-Stiftung hat festgestellt: Die Kosten für Kinder sind heute Sache der Eltern. Der Nutzen aber kommt allen zugute, der Staat verdient sozusagen daran. Das kann gezielt geändert werden!
Wir müssen Kinder und Familie endlich zur Chefsache machen. Das Elterngeld jedenfalls ist ein Schritt in die richtige Richtung. – Im Markusevangelium wird erzählt, dass die Jünger fragen, wer der Größte unter ihnen sei. Jesus stellt ein Kind in die Mitte und sagt: „Wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf.“ (Markus 9,37) Das war damals und ist auch heute noch eine ungeheure Provokation. Ein Kind, dem keinerlei Rang in der Gesellschaft gebührte und auch heute oft eher als Problem empfunden wird, wird ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Indem Jesus es in die Mitte stellt, zeigt er, dass aus Gottes Perspektive die gesellschaftlichen Strukturen umgekehrt werden. Gerade die Unscheinbaren stehen im Mittelpunkt. Ein Kind wird zum Vorbild. Das gilt auch heute, glaube ich. Denn Kinder lehren uns Zukunftshoffnung und Kreativität, Liebe und Lust am Leben, Verletzlichkeit und die Unterscheidung von Wichtig und Unwichtig. Das ist wichtig für Eltern wie für eine ganze Gesellschaft.