31

Dodd.eps

»Du Mistkerl«, hauchte Emma.

Jean-Pierre hatte auf den Schnitter geschossen. Er hatte auf Michael Durant geschossen.

Sie verspürte den intensiven Wunsch, Durant selbst umzubringen.

Er schaute hoch und begegnete ihrem Blick im Spiegel. »Ich habe ihm gesagt, dass er dir nichts erzählen soll. Warum hat er es trotzdem getan?« Er tauchte seinen Füllfederhalter in die Tinte und schrieb weiter.

Seine Stimme war heiser und unverwechselbar.

Oh, natürlich! Kein Wunder, dass der Schnitter nur ein einziges Wort an sie gerichtet hatte. Er hatte nicht versucht, damit einen Akzent zu verschleiern. Es war dieses charakteristische Kratzen seiner Stimme.

Dieser hinterlistige Mistkerl!

Mit einem Blick hatte sie das Ausmaß seiner Verwundung erkannt. »Weil du so weiß im Gesicht bist, dass du aussiehst, als hättest du dich verkleidet. Dein Oberkörper ist voller Blut, und du kannst den linken Arm vermutlich nicht heben?«

Das konnte er tatsächlich nicht. Das sah sie daran, wie seine linke Hand schlaff mit der Handfläche nach oben im Schoß lag und daran, wie sich die Haut leicht bläulich verfärbte. Außerdem stritt er ihre Anschuldigungen nicht ab, sondern schwankte auf der Bank leicht hin und her.

»Leg dich aufs Bett, wenn du das noch kannst«, wies sie ihn brüsk an. »Ich werde dir die Kugel aus der Schulter holen.«

»Die Kugel hat die Schulter durchschlagen. Ich muss zudem erst diese Liste der Informanten vervollständigen, bevor ich die Namen vergesse.«

»Du meinst, bevor du stirbst?«

»Das auch.« Er schien merkwürdig ungerührt ob der Aussicht auf seinen Tod oder des Umstands, dass sie seine wahre Identität enthüllt hatte. Vermutlich war er ohnehin davon ausgegangen, dass sie es irgendwann herausfand. Er hatte wohl geglaubt, sie werde tun, was sie immer tat und es mit einer typisch britischen Gelassenheit einfach hinnehmen. Vermutlich hatte er gewusst, dass sie ihn dann umbringen würde.

Das würde sie jetzt nicht tun. Noch nicht.

Sie öffnete ihre Tasche und fand die Handtücher darin, ihr Operationsbesteck und den kleinen Behälter mit Schwefelwasser, das aus einer Quelle in Frankreich stammte. Sie befeuchtete ein Tuch damit und drückte es auf die Wunde. Sie lächelte liebenswürdig, als er das Gesicht schmerzhaft verzog. »Lieber Himmel, Weib! Das tut weh!«

Geschah. Ihm. Recht.

»Und es stinkt«, fügte er hinzu. Aber er schaute gar nicht richtig hin.

»Der Schwefel verhindert, dass es zu einer Infektion kommt.« Sie nahm den Stoffstreifen weg und untersuchte die Wunde. »Du brauchst jede Hilfe, die du bekommen kannst. Die Kugel hat das Kostüm zerfetzt, und die einzelnen Fasern haben sich in den Muskel gegraben.«

Mit einem Seufzen legte er den Stift beiseite und blickte sie an. Jetzt schaute er sie zum ersten Mal bewusst an, seit sie durch diese Tür gekommen war. »Emma. Das hier ist wirklich wichtig.«

Wenn er ihr jetzt sagte, dass er sie liebte, würde sie darauf erwidern, dass ihr das egal war.

»Auf diesem Blatt Papier stehen die Namen der Informanten, die freiwillig oder gezwungenermaßen für Fürst Sandre arbeiten. Du musst mir versprechen, dafür zu sorgen, dass Rubio diese Liste zu Raul Lawrence bringt.«

Hatte sie nicht schon vorher gewusst, dass sie eine Närrin war? Jetzt wusste sie jedenfalls, dass sie eine hoffnungsvolle Närrin war, denn sie klammerte sich an die Erwartung, er werde ihr seine Zuneigung gestehen. Sie wollte sich für diesen Gedanken am liebsten ohrfeigen.

Nein. Viel lieber wollte sie ihn ohrfeigen.

»Emma, versprichst du mir das?«

»Natürlich. Ich habe bereits alles für diese Sache gegeben. Dann werde ich dich jetzt kaum enttäuschen, oder?«

Seine Stimme wurde tiefer. »Emma …«, schnurrte er.

Oh, jetzt merkte er also, dass sie verärgert war. Wenn das überhaupt möglich war, wurde er noch blasser.

Das kümmerte sie nicht. Dieser Mistkerl! Wenn er stirbt, bringe ich ihn um. »Leg dich aufs Bett.«

»Ich habe davon geträumt, dass du das zu mir sagst. Aber in meiner Vorstellung geschah es unter anderen Umständen.«

Glaubte er denn allen Ernstes, er könnte sie jetzt becircen?

Er stand auf und schwankte gefährlich.

Sie stürzte vor und legte den Arm um ihn.

Er stützte sich schwer auf sie. Doch dann richtete er sich wieder auf.

Dieser dumme, sture, stolze, verfluchte Mistkerl, der ihr unbedingt etwas vormachen musste.

»Was hast du gesagt?«, fragte er.

Sie war die Tochter eines Vikars. Sie hatte tatsächlich nichts gedacht, sie hatte alles laut ausgesprochen. »Ich sagte, du sollst dich hinlegen.«

»Dachte ich mir.« Wie konnte er es wagen, amüsiert zu klingen? Ausgerechnet jetzt?

Sie half ihm zu dem Bett, das bereits für die Nacht aufgedeckt war und auf ihn zu warten schien.

Früher an diesem Abend … Oh, früher an diesem Abend hatte er sie unter ihren Röcken geküsst. Keine halbe Stunde später hatte er mit ihr im Ballsaal geplaudert und so getan, als sei nichts dergleichen wirklich passiert. Er hatte so getan, als sei er nicht in der Nacht zuvor in ihrem Schlafgemach gewesen und in allen anderen Nächten davor auch. Er hatte so getan, als habe er sie nicht davon überzeugt, ihn zu verführen, damit er sie liebte. Er hatte sie nächtelang aus Sorge um ihn wach gehalten.

Sie war so wütend auf ihn! Ja, sie zitterte förmlich vor Wut. Es war bestimmt nicht allein die Sorge, dass er an dieser erbärmlichen, kleinen Verwundung sterben könnte. Die Kugel hatte ein Stück vom Muskel aus seiner Schulter gerissen. Sein Arm war schlaff, und er konnte an der Infektion sterben, die sie schon auf ihn zukommen sah.

»Wie hast du das angestellt?«

»Meinst du heute Abend oder …?«

»Ich meine das alles. Dein Kostüm, dein Pferd, die Freiheit, nachts zu reiten, obwohl du doch eigentlich weggeschlossen oder unter Bewachung stehst?«

»Rubio ist phänomenal, wenn es um Kleider und Stoffe geht. Als ich in den Kerker gesperrt wurde, haben meine moricadischen Freunde Old Nelson für mich gerettet.«

»Und Old Nelson ist …«

»Mein Pferd. Es gibt einen Stall in der Höhle unterhalb des Witwensitzes.« Seine Stimme wurde schwächer, das Kratzen schlimmer.

»Du hattest also alles, was es brauchte, um der Schnitter zu werden. Außer deiner Freiheit. Aber lass mich raten: Fancheres Wachleute sind Moricadier, und sie sind nicht besonders erpicht darauf, den Schnitter zu fangen.« Das war eigentlich nicht geraten. Brimley hatte sie von Anfang an gewarnt, dass die Moricadier aufsässiger waren, als auf den ersten Blick ersichtlich war. Sie erlaubten Michael natürlich, über das Land zu reiten, wenn er damit das Vermögen und den Ruf der de Guignards untergrub. Sie wollten, dass er ritt. »Fanchere ist Moricadier. Ist er auch Teil dieser Intrige?«

»Vielleicht.« Michael nickte nachdenklich. »Wir haben nie darüber gesprochen. Und wenn er Teil der Sache ist, dann wohl vor allem, weil er auf einem Auge blind ist und nicht, weil er uns aktiv unterstützt.«

Emma neigte den Kopf.

»Sei nicht wütend auf mich«, flüsterte Michael. »Ich weiß, was du darüber denkst, was ich dir angetan habe. Aber du weißt nicht alles.«

»Du hast absolut keine Ahnung, was ich denke.« Sie widmete sich wieder ihrer Aufgabe und zupfte mit einer Pinzette winzige Fäden seines schwarzen Umhangs und des weißen Leichentuchs aus dem zerfleischten, blutenden Muskel.

Er antwortete nicht mehr. Er hatte das Bewusstsein verloren.

Gut. So spürte er wenigstens nicht den Schmerz. Warum ihr das wichtig war, wusste sie allerdings nicht.

Sie fuhr mit der Hand an seinem Arm nach unten. Er fühlte sich kalt und leblos an. Die Kugel hatte etwas Schreckliches getan: Sie hatte die Nerven zerfetzt oder eine Arterie getroffen – sie wusste nicht, was genau es war, und obwohl sie so wütend und schlecht auf ihn zu sprechen war, wollte sie auf keinen Fall seinen Arm amputieren müssen.

Sie blickte auf, als Rubio endlich durch die Tür kam und sich zu ihr gesellte.

Wenn Durant bei Bewusstsein gewesen wäre, hätte sie Rubio zu sich gebeten, damit er seinem Herrn erzählte, was es hieß, mit einer Amputation leben zu müssen. Nur um ihm Angst einzujagen. Nur damit er wusste, wie nahe ihm Tod und Verstümmelung waren.

Rubio kam zum Bett. »Wie geht es ihm?«

»Es geht ihm so weit ganz gut.« Sie arbeitete weiter konzentriert daran, die Fetzen seines Kostüms aus der Schulter zu ziehen.

»Warum weint Ihr dann?«

»Ich weine doch gar nicht.« Sie wischte sich die Tränen erst mit der einen Schulter, dann mit der anderen von den Wangen. »Auf dem Tisch liegt eine Liste. Sie ist wohl wichtig. Ihr sollt sie Raul Lawrence aushändigen.«

Er ging zum Tisch und schaute auf die Liste, ehe er sie faltete und in die Tasche steckte.

»Was hat er sich nur dabei gedacht?«, brach es plötzlich aus ihr hervor.

»Ihr meint, weil er nachts geritten ist? Als der Schnitter?« Rubio grinste und zeigte ihr zwei angeschlagene Zähne. »Das musste er. Als er im Kerker war, plante er bereits, wie er das Regime der de Guignards untergraben könnte. Und Gott sei Dank funktioniert sein Plan.«

Als sie über die Gefahr nachdachte, in die Durant sich damit gebracht hatte und darüber, wie er seine Verkleidung benutzt hatte, um sie zu verführen … »Was hat er denn gedacht, was er damit erreichen könnte?«

»Er will Sandre zerstören.«

»Indem er sich wie ein Geist verkleidete?« Sie legte all ihre Verachtung in die Stimme.

»Indem er Informationen an den neuen König liefert. Er will, dass die Gäste des Landes in Scharen fliehen und Sandres Einkommen schwindet. Er will das Gerücht streuen, dass die Rückkehr des Königs bevorsteht. Er will kämpfen, wenn es sein muss, und töten, um sich zu rächen.«

Sie schaute Rubio an, dann widmete sie sich wieder ihrer Arbeit an Durants Wunde. »Zieht ihm die nasse Hose aus«, befahl sie. Weil Rubio zögerte, warf sie ihm einen brennenden Blick zu. »Ich habe das alles schon gesehen, und ich fürchte, er hat sich unterkühlt. Zieht ihm die Hose aus und wickelt ihn in warme Decken.« Ohne ihn anzusehen, begann sie, den Schal um Michaels Hals abzuwickeln.

Rubio schälte Durant aus seiner Hose und deckte ihn zu. Er schaute sie an und bemerkte, wie sie Durants Kehle anstarrte. »Als er aus dem Kerker kam, konnte er überhaupt nicht sprechen«, sagte Rubio leise.

Er konnte nicht sprechen? Sie war sprachlos.

Die Narben um Durants Hals sahen so aus, als habe jemand eine Kette um seinen Hals gelegt und ihn hinter einem Pferd hergezogen. Die Haut war rot, vernarbt und über seinem Adamsapfel regelrecht zerfetzt. Die Verformungen reichten von seinem Kiefer bis zum Schlüsselbein. Die Wunde war kaum verheilt. Es würde niemals heilen. »Woher hat er das?«

»Die de Guignards lieben es, ihre Opfer aufzuhängen.«

»Davon habe ich bereits gehört.« Heute Abend, um genau zu sein. Der Fürst hatte es ihr stolz erzählt.

»Und es stimmt. Sie lieben es, ein Seil um den Hals eines Mannes zu legen, ihn hochzuziehen und am Seil zappeln zu lassen, während er um sich tritt und langsam erstickt. Der Mann greift dann verzweifelt nach seinem Hals, während der Tod so langsam auf in zugekrochen kommt, dass er die letzten Herzschläge mitzählen kann.«

»Sie haben Michael gehängt? Aber was hat ihn gerettet?«

Rubio lachte rau. »Ihr Wunsch, ihn erneut zu hängen. Wenn man einen Mann fünfzehn Minuten so hängen lässt, kann man ihn vom Strick schneiden, damit er sich erholt. Dann fängt man von vorne an und genießt seinen Todeskampf noch viel mehr. Es ist eine brutale Methode, vor allem, wenn man weiß, dass das Opfer mit dem Gelächter der Täter in den Ohren sterben soll.«

Sie schaute auf seinen Hals und sah ähnliche Narben, die über dem steifen Kragen seines Hemds aufblitzten.

»Ich war ein Niemand. Es war ihnen sogar egal, ob sie mich verstümmelten. Also haben sie mich gehängt und vom Seil geschnitten, als es ihnen langweilig wurde. Danach kam die Streckbank. Bei ihm«, Rubio nickte zu Durant herüber, »war es anders. Sie kümmerten sich um ihn. Weil seine Familie Geld und Einfluss hat. Weil er sich nicht brechen ließ. Weil er ihnen viel Spaß bereitete. Und weil sie glaubten, dass er mehr wusste, als er zuzugeben bereit war.«

»Und? Weiß er mehr?«

»Ich weiß es nicht. Aber wenn er mehr weiß, hat er die Angst und den Schmerz überwunden, um sein Geheimnis zu bewahren.« Er klang, als bewunderte er Michael dafür.

Natürlich. Er war ein einfacher Mann, der aussprach, was er dachte.

Und sie war eine Frau, die verraten worden war.

Sie widmete sich wieder Michaels Wunde. »Holt gewärmte Sandsäcke. Wir müssen seinen Arm darin einpacken, um den Blutfluss wieder in Gang zu bringen.«

»Ich kümmere mich darum.« Sie hörte die Absätze von Rubios Stiefeln auf den Steinfliesen. Tock. Tock. Tock. Tock. Er blieb stehen. »Jemand muss das Kostüm des Schnitters anziehen und nachts reiten, solange er verletzt ist.«

»Dann finde jemanden, der das übernimmt.«

»Das kann kein Moricadier machen. Die Moricadier waren einst die besten Reiter der Welt. Aber heutzutage kann keiner von ihnen sich ein Pferd leisten. Und wenn einer von ihnen dabei erwischt wird, hängt Sandre ihn siebenmal, ehe er endlich sterben darf.«

»Dann wird wohl die Rolle des Schnitters bis auf weiteres nicht besetzt sein.« Sie konzentrierte sich ganz auf ihre Aufgabe.

»Der Schnitter hat das Einkommen des Fürsten dezimiert, indem er die Vergnügungssüchtigen vertrieben hat. Und der Schnitter hat bei den Bürgern Hoffnung geweckt. Sie glauben, sein Erscheinen sei tatsächlich der Vorbote für die Rückkehr des rechtmäßigen Königs. Das Beste aber ist, dass der Schnitter den Fürsten wie einen Narren dastehen lässt.« Rubio lachte heiser. »Er hat Sandre zum Gespött der Leute gemacht. Der Schnitter vollbringt wahrhaft viel Gutes hier. Ihr könnt doch nicht zulassen, dass seine Arbeit umsonst war.«

Sie warf ihm einen wütenden Blick zu. »Ich höre Euch nicht zu.«

Aber sie hörte ihn. Natürlich hörte sie ihn.

In seinem Arbeitszimmer saß der Fürst am Schreibtisch und trug die Zahlen in das in Leder gebundene Kontobuch ein. Ein munteres Feuer flackerte im offenen Kamin und vertrieb die Kälte, die das Gewitter mit sich gebracht hatte. Quicos Frau Bethania bewegte sich mit stiller Anmut durch den Raum und staubte die Möbel ab. Es war eine gemütliche, friedliche Szene. Vielleicht die letzte friedliche Szene, die Jean-Pierre zu Gesicht bekam.

Er stand in der Tür und tropfte auf den Boden. Doch vor allem zitterte er vor Kälte … und Angst.

»Ja?« Sandre blickte nicht auf.

»Ich habe auf den Schnitter geschossen, mein Fürst.«

Der Fürst legte seinen Füllfederhalter auf das Löschblatt, blickte vom Schreibtisch auf und faltete die Hände. Er lächelte. »Du hast ihn hoffentlich nicht tödlich getroffen.«

»Nicht tödlich, nein.« Jean-Pierre versuchte, ruhiger zu atmen, damit seine Stimme nicht bebte. »Er ist entkommen.«

Sandres Lächeln schwand. »Er ist entkommen

»Mein Herr, ich habe sorgfältig darauf geachtet, ihn nicht zu töten. Aber ich fürchte, ich war zu vorsichtig.« Jean-Pierre sprach hastig weiter. »Aber ich habe gesehen, wie die Kugel ihn getroffen hat. Sie schlug in seine Schulter ein. Ich habe gesehen, wie er im Sattel geschwankt hat, das Blut hat nur so gespritzt. Er ist verletzt. Wir können ihn finden.«

Sandre starrte Jean-Pierre an. Er starrte ihn einfach nur an. Dann stand er auf und öffnete eine Schublade. Steckte die Hand hinein. Und zog eine Pistole heraus.

Jean-Pierre musste sterben.

Sandre hob die Pistole und zielte auf Jean-Pierre. Dann machte er eine Drehung und schoss stattdessen auf Bethania.

Sie schrie auf und fiel zu Boden. Die Frau wand sich auf dem Teppich und hielt den Oberschenkel umklammert.

Ganz ruhig, als machte er das jeden Tag, legte Sandre die Pistole in die Schublade zurück und schloss sie. Dann hob er die Stimme, damit er auch über Bethanias Schreien gut zu verstehen war. »Seit der Schnitter begann, nachts hier aufzutauchen, sind meine Einkünfte aus den Spielclubs und den Hotels deutlich gesunken. Und hörst du dieses Geräusch?«

Jean-Pierre blickte Bethania an. »Ja, Euer Hoheit.« Wie konnte er das nicht hören?

»Ich meine nicht sie. Das andere. Hör zu!« Sandre legte die Hand um sein Ohr.

Jean-Pierre strengte sich an, aber außer dem schmerzerfüllten Schluchzen der Frau hörte er nichts.

»Das ist das Gelächter der Moricadier. Weißt du, über wen sie lachen?«

Jean-Pierre schüttelte den Kopf.

»Sie lachen über mich. Sie lachen mich aus, weil der Schnitter noch immer reitet.« Sandre legte die Hand auf seinen Schreibtisch und beugte sich vor. »Niemand lacht über Fürst Sandre de Guignard.«

»Nein, Euer Hoheit.«

»Weise meine Wachen an, auszuschwärmen und den Schnitter zu finden. Wenn sie ihn nicht finden, wird alle drei Tage eine Frau oder ein Kind erschossen.«

Jean-Pierre konnte nicht glauben, dass Sandre das ernst meinte.

Der Fürst war verrückt geworden.

Aber der Fürst würde seinen Willen bekommen. Diese Drohung würde seine Wachleute wachrütteln.

»Nimm sie mit.« Sandre rieb sich die Schläfen. »Von ihrem Gekreische bekomme ich Kopfschmerzen.«

Jean-Pierre stürzte vor. Er hob die sich vor Schmerz windende Frau hoch und ging Richtung Tür.

»Jean-Pierre!«, rief Sandre.

Jean-Pierre drehte sich um.

»Ab sofort wirst du derjenige sein, der ihre Lieben erschießt. Du findest den Schnitter besser bald, sonst wirst du aus Angst vor ihrer Rache irgendwann nicht mehr wagen einzuschlafen.«