29
Der Schnitter beobachtete aus den Schatten, wie Emma, die noch immer unsicher auf den Füßen war, in den Ballsaal zurückkehrte.
In dem schimmernden Kleid war sie wirklich wunderschön, doch noch viel schöner war sie ohne das Kleid. Sie war sein, er konnte es kaum ertragen, zu sehen, wie sie an Fürst Sandres Seite zurückkehrte. Aber er hatte eine Mission zu erfüllen.
Rasch kehrte er in das Gemach zurück, das sie so leidenschaftlich in Besitz genommen hatten.
Er hatte den Raum sofort erkannt. Das Wappen der de Guignards zierte die Doppeltüren – es handelte sich um das Arbeitszimmer des Fürsten, und es befriedigte ihn zutiefst, zu wissen, dass er Emma auf dem Tischchen des Fürsten Lust verschafft hatte.
Im Gemach war es dunkel. Doch der Mond schien in dieser Nacht, und die Jahre in der Dunkelheit hatten ihn gelehrt, sich bei diesen Lichtverhältnissen gut zurechtzufinden.
Er durchsuchte den Schreibtisch. Auf der Tischplatte waren offizielle Dokumente verstreut. Er überflog sie und wandte sich den Schubladen zu.
In der oberen rechten Schublade fand er eine Pistole.
Er zog die Pistole heraus und überprüfte sie. Geladen. Natürlich war jemand, der wie Fürst Sandre lebte, gut damit beraten, stets eine Pistole zur Hand zu haben.
In der zweiten Schublade entdeckte er eine Liste, auf der in engen Kolonnen Namen aufgeführt waren. Daneben waren Zahlen notiert. Das war die Liste, auf der die moricadischen Bürger standen, die für den Fürsten freiwillig oder unfreiwillig spionierten. Er las die Liste und versuchte, sich jeden Namen einzuprägen, ehe er sie in die Schublade zurücklegte.
Er suchte noch immer und öffnete die unterste Schublade. In dem Moment hörte er Metall klappern. Er erstarrte.
Dieses Geräusch kannte er.
Vorsichtig zog er einen Eisenring heraus, an dem zwei große, alte, schwarze Schlüssel hingen. Sie waren uralt, stammten wohl aus dem Mittelalter. Und sie hätten im Laufe der Zeit rostig werden müssen. Aber sie waren sorgfältig poliert und glatt. Sie wurden oft benutzt, und ihr Besitzer passte gut auf sie auf.
Dies waren Fürst Sandres persönliche Schlüssel zum Kerker.
Tiefe Abscheu erfasste den Schnitter, und die Schlüssel zitterten in seinen Händen. Sie klapperten wie die Boten des Todes. Er wollte sie an sich nehmen, wollte sie von der Terrasse tief in die Schlucht werfen, damit Sandre nie wieder nach unten in den Kerker gehen und eine arme Seele quälen konnte.
Aber das würde die Gefangenen nicht vor ihrem Schicksal bewahren, und der Schnitter wagte es nicht, irgendwelche Hinweise darauf zu hinterlassen, dass er Sandres Arbeitszimmer durchsucht hatte.
Mit eiserne Selbstbeherrschung legte er die Schlüssel zurück, schloss die Schublade und machte sich wieder auf den Weg in die Tiefen des Palasts, um sein Kostüm abzulegen und erneut die festliche Abendgarderobe anzulegen, die ein Gentleman bei einem Ball zu tragen pflegte.
Was für den Schnitter als der kühl berechnete Versuch begonnen hatte, für Fürst Sandre und die de Guignards den Anfang vom Ende ihrer Herrschaft zu signalisieren, war inzwischen zu einem verzweifelten Wettlauf mit der Zeit geworden. Er musste das Regime dieses Despoten beenden, bevor Sandre die Wahrheit über Emma herausfand. Dass sie nämlich nicht die demütige, sanfte und brave Gesellschafterin war, sondern eine Frau, die wie eine Wildkatze für den Mann kämpfen würde, den sie liebte.
Dieser Mann war der Schnitter. Doch es stand zu viel auf dem Spiel. Er musste dieses Spiel gewinnen, und zwar schleunigst.
Emma stand am Rande des Ballsaals und lächelte leicht. Sie nickte den Leuten zu, die sie grüßten, und tat so, als hielte sie nach Lord und Lady Fanchere Ausschau.
Ihr Geliebter hatte Leib und Leben riskiert, um sie zu finden. Vielleicht war es schlecht von ihr, dass sie sich deshalb geschmeichelt fühlte. Noch viel bemerkenswerter war aber sein beharrlicher Wunsch, sie auf eine so neue, beschämende und herrliche Art zu lieben. Sie fühlte sich in diesem bedrückenden Palast jetzt abgeklärter, befriedigter und wohler, als sie sich hätte vorstellen können.
Außerdem hatte sie inzwischen eine Vermutung, die ihr vorher noch gar nicht in den Sinn gekommen war.
Im wahren Leben war der Schnitter ein Gentleman.
Sie ließ den Blick über die Menge schweifen und hielt nach ihm Ausschau.
Das ergab durchaus einen Sinn. Er konnte sich ein schnelles Pferd leisten. Dafür brauchte man ein gutes Einkommen.
In den vorangegangenen Nächten hatte er sie besucht und war zu ihr geritten. Daher hatte ihm der Geruch nach Sattelseife und Pferd angehaftet. Heute Abend jedoch war er als einer der Gäste in den Palast gekommen, deshalb roch er nach Seife und frischer Wäsche.
Er konnte sprechen, tat es aber lieber nicht. Weil er einen Akzent hatte? War er Moricadier? Oder Deutscher, Franzose, Italiener? Oder vielleicht war seine Stimme hoch, tief, markant? War er jetzt in diesem Raum? Beobachtete er sie etwa?
Sie straffte die Schultern und reckte das Kinn. Sie brüstete sich für einen Mann, der vielleicht gar nicht da war.
»Miss Chegwidden, ich habe gehofft, Euch heute Abend zu sprechen. Aber Ihr seid so lange verschwunden, dass ich schon ganz verzweifelt war. Habt Ihr Euch wieder verlaufen?« Durant lachte heiser.
Sie blickte ihn knapp an. Es ärgerte sie, dass er ihre Fantasie so jäh unterbrach. »Ja. Ja, ich habe mich verlaufen.«
»Es tut mir aufrichtig leid, dass ich nicht zur Stelle war, um Euch zurückzugeleiten. Aber irgendwie habt Ihr ja auch ohne meine Hilfe hierhergefunden.«
»Das habe ich, ja.« Sie wollte, dass er endlich verschwand. Er versperrte ihr den Blick auf den Ballsaal.
»Seid lieber vorsichtig, wenn Ihr herumspaziert. Einige Orte in diesem Land sind gefährlich, und man sollte lieber nicht zufällig dort landen.« Er wirkte irgendwie anders als sie ihn bisher erlebt hatte. Nicht mehr so ernst. Sie hatte ihn immer ernst erlebt. Jetzt aber war er … intensiver.
»Ich werde daran denken.« Sie blickte ihm in die Augen. Einen Moment lang hatte sie das schwindelerregende Gefühl, sie verbinde etwas mit ihm.
Doch der Moment wurde schnell unterbrochen.
»Miss Chegwidden! Ich habe nach Euch gesucht.« Fürst Sandre nahm ihre Hand, als habe er das Recht, sie zu berühren. »Wo habt Ihr nur gesteckt?«
»Sie hat sich verlaufen«, sagte Durant. »Das passiert Miss Chegwidden ständig.«
Der Fürst fuhr so heftig zu ihm herum, dass Emma der Atem stockte. »Verschwindet!«
Durant schrak zurück. Die Angst stand ihm so deutlich ins Gesicht geschrieben, als habe man sie ihm eingeschnitten. Er drehte sich auf dem Absatz um und floh. Sie war mit dem Fürsten allein.
Jedes Gefühl, mit Durant verbunden zu sein, schwand angesichts dieser Szene. Mitleid wallte in ihr auf, und sie konnte nur eines denken. Armer Mann. Es kümmerte sie nicht, welches Versprechen er ihr gegeben hatte. Irgendetwas Schreckliches war im Kerker passiert, und Fürst Sandre war dabei gewesen. Er hatte Michael Durant das angetan.
Fürst Sandre wandte sich ihr wieder zu. »Wo wart Ihr denn?«
»Wie Durant bereits sagte, habe ich mich verlaufen. Ich bin falsch abgebogen und bin lange herumgeirrt.« Das stimmte soweit, aber sie errötete, weil sie sich daran erinnerte, wohin sie gegangen war und wen sie dort gefunden hatte.
Prüfend musterte er ihr Gesicht. Die Ballgäste zerstreuten sich, als er sie in einen Alkoven zog. »Eine Stunde lang? Ihr seid eine ganze Stunde herumgeirrt?«
»Ich habe viel vom Palast gesehen. Ich fürchte, dabei habe ich Eure Privatsphäre verletzt.«
»Wo wart Ihr?«
Sein Tonfall gefiel ihr überhaupt nicht. »Wenn ich das wüsste, hätte ich mich ja nicht verlaufen!«
Seine blauen Augen wurden kalt, und er drückte ihre Hand so fest, dass sich der schlichte Silberring in ihre Haut grub.
Sie erstarrte. Er tat ihr weh! Hastig erwiderte sie: »Ich war auf einem langen Korridor, von dem einzelne Räume abgingen. Ich habe eine Terrasse entdeckt, die im Mondlicht weiß strahlte. Dort bin ich hinausgegangen, weil ich hoffte, den Weg nach unten zur Küche zu finden. Aber da ging es nicht weiter.«
Sein Griff lockerte sich. »Ihr wart in meinen Privatgemächern.«
»Das habe ich mir gedacht. Selbst in der Dunkelheit kam ich nicht umhin, die luxuriöse Ausstattung der Gemächer zu bemerken.«
Er dachte über ihre Erklärung nach. »Und wie habt Ihr zurückgefunden?«
»Ich habe den Weg genommen, von dem ich glaubte, es sei der Falsche. Und hier bin ich.« Sie wollte hinzufügen, dass es ihr leidtue, wieder im Ballsaal zu sein. Aber auch wenn der Zorn in seinen Augen langsam verrauchte, hielt er immer noch ihre Hand gepackt, und sie hatte Angst.
»Alle haben mich gefragt, wo Ihr seid. Ich habe mir Sorgen gemacht.«
Er hatte sich nur gesorgt, sie könne weglaufen und ihn wie einen Narren aussehen lassen. Sie nickte nur. »Ich habe mir auch Sorgen gemacht. Ich hatte ja keine Ahnung, dass der Palast so viele Zimmer hat.«
Lord und Lady Fanchere betraten den Alkoven.
»Sandre, es gehört sich nicht, sich so zurückzuziehen.« Lady Fancheres Stimme klang sehr ernst.
»Ich musste mit Miss Chegwidden darüber reden, wie man sich anständig verhält, wenn man zu einem fürstlichen Ball geladen wird.« Fürst Sandre lächelte, aber auf Emma wirkte es eher, als fletschte er die Zähne.
Emma wollte ihm eine Ohrfeige geben oder widersprechen. Doch ihre Hand schmerzte. Sie machte sich von ihm los und blickte zu Boden. Er hatte ihre Finger so sehr gequetscht, dass sie sich an ihrem eigenen Ring geschnitten hatte. Das Blut trocknete rostrot und klebrig zwischen ihren Fingern.
Lady Fanchere bemerkte es. Sie erriet vermutlich auch den Grund, denn sie nahm Fürst Sandres Arm und zog ihn sanft Richtung Ballsaal. »Ich nehme an, du hast bereits gehört, was Aimée vorhat?«
Nein! Emma wollte einen Schritt nach vorne machen, um Lady Fanchere aufzuhalten.
Lord Fanchere hielt Emma am Arm fest und schüttelte den Kopf. Zu spät, bedeutete er ihr.
Fürst Sandre seufzte verärgert. »Welche schwachsinnige Idee hat sie dieses Mal ausgeheckt?«
Lord Fanchere bot Emma seinen Arm, und sie folgten den beiden.
»Sie hat beschlossen, das Land zu verlassen.« Lady Fanchere war von dieser Aussicht hocherfreut und erwartete offensichtlich dasselbe von Fürst Sandre.
Sein Kopf fuhr zu ihr herum. »Wie bitte?«
Lady Fanchere war sich seines Missfallens überhaupt nicht bewusst. »Sie wird erst den Winter in Italien verbringen, dann zieht sie für den Sommer nach Österreich. Das ist genau das, was sie jetzt braucht, sie ist so aufgeregt, wie ich sie seit Jahren nicht erlebt habe.«
Sie bewegten sich derweil durch das Gedränge. Die ganze Zeit versuchte Emma, irgendwie Lady Fancheres Aufmerksamkeit zu erregen, damit diese aufhörte zu reden.
»Wie stellt sie das an?«, fragte Fürst Sandre mit gespieltem Interesse.
Lord Fanchere trat vor. »Ich richte für sie ein Konto ein, auf das sie während ihrer Abwesenheit zugreifen kann.«
»Tatsächlich?« Fürst Sandre warf ihm einen Blick zu.
»Eleonore hat mich darum gebeten«, sagte Lord Fanchere.
»Ja. Ich vermute, Ihr müsst tun, was Eleonore sagt.« Fürst Sandre lachte stillvergnügt, als sei das ein hervorragender Scherz.
Aber Lord Fanchere blieb ernst. »Sie bittet mich selten um etwas, und ich würde für sie noch viel mehr tun.« Er nahm die Hand seiner Frau und küsste sie. »Denn sie hat mir ihrerseits sehr viel gegeben.«
»Seht Ihr, Miss Chegwidden? Das ist das Geheimnis, wie man in der Ehe das bekommt, was man will. Bittet um wenig, und Ihr bekommt, was Ihr wollt«, erklärte Fürst Sandre.
Mir ist es egal, was Ihr denkt, dachte sie.
Stattdessen sagte sie: »Ich werde es mir merken, Euer Hoheit.« Wild entschlossen, das Thema zu wechseln, wandte sie sich an Lady Fanchere. »Ich habe mich im Palast verlaufen und habe zufällig eine Terrasse gefunden. Ich hatte ja keine Ahnung, wie atemberaubend schön der Ausblick ist.«
»Die alte Königsfamilie hat den Sitz ihrer Residenz gut gewählt, findt Ihr nicht auch?« Fürst Sandre schien durchaus bereit zu sein, sein Interesse an Aimées Plänen für den Moment zu vergessen. »Man sagt, es sei allein durch Verrat aus dem Innern möglich, diese Festung einzunehmen.«
»Ich glaube, so hat Eure Familie es bewerkstelligt, nicht wahr?«, fragte Lord Fanchere.
Emma blickte ihn erstaunt von der Seite an. Er war so ruhig. So gelassen. So still. Trotzdem war er nicht dumm, und so etwas Provozierendes zu Fürst Sandre zu sagen … Versuchte etwa auch er, den Fürsten von Aimées Plänen abzulenken?
»Das stimmt, Sandre. Unsere Vorfahren waren keine besonders liebenswerten Leute.« Traurig schüttelte Lady Fanchere den Kopf.
»Ich kenne diese Geschichte gar nicht«, sagte Emma.
»Der Count de Guignard wurde von der königlichen Familie Moricadias eingeladen, sie in ihrem Palast zu besuchen«, berichtete Lady Fanchere. »Schon vor seiner Ankunft hat er seine Leute an Schlüsselpositionen im Speisesaal positioniert. Er brachte Wein aus seiner Heimat als Geschenk mit und war damit sehr freigiebig. Als die königliche Garde sich um den Verstand getrunken hatte, gab er ein zuvor vereinbartes Signal. Seine Leute öffneten die Tore und ließen die Soldaten ein. Sie schlachteten jedes Mitglied der königlichen Garde und alle Diener ab, sie vergewaltigten die Frauen und zerrten den König aus der Halle und hängten ihn auf.«
»Schrecklich«, flüsterte Emma.
»Der Trick mit dem trojanischen Pferd ist ein altbekannter Weg, einen Krieg zu gewinnen.« Fürst Sandre schien von den Verbrechen seiner Vorfahren merkwürdig unberührt.
»Unsere Vorfahren haben alle Regeln der Gastfreundschaft verletzt!«, erwiderte Lady Fanchere.
»Aber sieh doch nur, was ihre Nachkommen für uns erreicht haben.« Fürst Sandre zeigte auf den strahlenden, lauten Ballsaal. »Der Palast, das Land … das viele Geld …«
Emma sah ihre Gelegenheit gekommen. »Von der Terrasse aus kann man sehen, wie unzugänglich das Terrain Eures Lands ist. Kein Wunder, dass der Schnitter Euch bisher entkommen konnte.« Sie hielt einen Moment den Atem an und wartete gespannt, ob er die Herausforderung annahm.
»Nicht mehr lange.« Fürst Sandre wirkte sehr mit sich zufrieden. »Ich habe meinem Cousin Jean-Pierre meine Wünsche sehr deutlich gemacht, und er hat versprochen, sich persönlich um die Angelegenheit zu kümmern.«
»Wo ist Jean-Pierre überhaupt?« Lady Fanchere schaute sich um.
»Er ist auf der Jagd.« Ein Lächeln glitt über Fürst Sandres Lippen. Ein Lächeln, das Emma Angst einjagte.
»Nach dem Schnitter?«, fragte sie bewundernd.
»Ja. Er ist mein bester Gefolgsmann.«
Emma spürte, wie alle Farbe aus ihrem Gesicht wich. »Wird er ihn erschießen? Wird er ihn umbringen?«
»Es ist gut, wenn er das schafft«, erklärte Lady Fanchere. »Der Schnitter hat die arme Aimée zu Tode geängstigt.«
»Der Schnitter hat Rickie ermordet«, fauchte Fürst Sandre.
»Vielleicht hat der Schnitter Rickie ermordet. Vielleicht war es auch ein anderer. Zwar war er unser Cousin, doch Rickie war nicht besonders beliebt.« Bevor Fürst Sandre auffahren konnte, fügte sie hinzu: »Gott möge seiner Seele Frieden schenken.«
»Egal, ob er’s war oder nicht. Der Schnitter wird hängen«, erklärte Fürst Sandre. »Angesichts von Verbrechern wie ihm ist es gut, dass man Leute hängen kann.«
Die Verzweiflung schenkte Emma Mut. »Ich dachte, Euer Cousin werde ihn erschießen.«
»Ihr seid ein kleines, blutdurstiges Ding, kann das sein?« Fürst Sandre lächelte wohlwollend. »Nein, ich will den Schnitter lebend. Ich werde an ihm ein Exempel statuieren. Wir werden ihn so lange leben lassen, bis wir ihn vom Galgen schneiden müssen.« Er verbeugte sich. »Er soll dafür leiden, dass er einer so hübschen Lady wie Euch Angst eingejagt hat.«
»Ja«, sagte sie, und weil er zu glauben schien, das sei eine Würdigung ihrer Person, fügte sie hinzu: »Ich danke Euch.«
»Genug zu diesem ernsten Thema. Dies ist ein Ball. Ich habe über eine Stunde darauf gewartet, mit Euch tanzen zu dürfen, Miss Chegwidden.« Fürst Sandre bot ihr seinen Arm. »Der nächste Walzer gehört uns!«
Emma starrte ihn an. Alles, was sie soeben erfahren hatte, verstärkte nur ihre Abscheu ihm gegenüber. In ihr reifte die schreckliche Erkenntnis, dass sie nicht einmal zum Wohl des Schnitters diesen Weg weiterbeschreiten konnte.
»Miss Chegwidden?« Erstaunt hob er eine Augenbraue.
Emma konnte ihn nicht berühren. Bei der Vorstellung bekam sie Gänsehaut. Sie ertrug es einfach nicht.
Lady Fanchere legte eine Hand auf ihren Rücken und schob sie sanft in Sandres Richtung.
Eine melodiöse Altstimme, die amüsiert klang, bewahrte Emma vor der Katastrophe. »Sandre, Liebster.« Countess Martin trat in den kleinen Kreis und schob Emma beiseite. Sie streichelte sein Gesicht. »Hast du schon das neueste Gerücht gehört, das im Ballsaal die Runde macht? Der Schnitter wurde hier gesehen.«
»Hier?« Sandre drehte den Kopf von ihr weg.
»Was meint Ihr mit hier?«, fragte Emma.
Countess Martin ignorierte sie, als existierte Emma für sie gar nicht. »Er ist im Palast, liebste Hoheit. Heute Abend! Während deine Männer ihn durch das ganze Land jagen. Du musst schon zugeben, das ist wirklich amüsant!«