16

Dodd.eps

»Ihr seht heute aber sehr rosig aus, Emma.« Lady Fanchere lächelte, als sie am nächsten Tag durch den Versammlungsraum schlenderten. »Moricadia tut Euch sichtlich gut.«

Emma errötete. Sie war in Gedanken bei der Gefahr gewesen, der sie sich letzte Nacht gestellt hatte. Und vor allem bei dem Kuss, der folgte. »Ja, Lady Fanchere. Ich bin hier glücklich.« Und es hatte sie sehr gefreut, heute früh nach der vorsichtigen Befragung des Zimmermädchens, das ihr heißes Wasser brachte, zu erfahren, dass der Schnitter unentdeckt hatte entkommen können.

»Die Gegend ist einfach herrlich, findet Ihr nicht?«

Emma schaute sich in dem großzügigen Innern des luxuriösen Gebäudes um. Die Marmorpfeiler hielten die kreisförmige Decke mit der üppigen Bemalung, und die großen Fenster gingen auf das Tal hinaus. Es gab zwei Steinbrunnen. In den einen strömte das heiße Wasser aus der Erde, in den anderen das eiskalte von der Gletscherschmelze. Beiden Quellen wurde nachgesagt, heilende Kräfte zu haben, und im Laufe des Vormittags versammelten sich hier die Reichen, tranken aus Marmorbechern, spazierten umher oder saßen in den Alkoven beisammen. Viele kamen wohl nur her, um in dieser modernen Umgebung des in Sonne getauchten Atriums gesehen zu werden. »Es ist nicht nur die Umgebung, die mich glücklich macht, Lady Fanchere. Es ist die Tatsache, für Euch arbeiten zu dürfen.«

Lady Fanchere lachte melodiös. »Ein sehr hübsches Kompliment. Zumindest, solange ich nicht daran denke, für wen Ihr vorher gearbeitet habt.«

Emma lächelte auch. Sie war in Lady Fancheres Gegenwart so entspannt, dass sie sofort erkannte, dass ihre Arbeitgeberin sie neckte.

»Aber ich schwöre Euch, dass es stimmt.« Lady Fanchere ließ sich nicht so leicht vom Thema abbringen. »Ihr seid fast rot im Gesicht. Was könnte dafür der Grund sein?«

»Vielleicht ist es die Höhe?«

»Nach dem Sturm letzte Nacht ist die Luft hier oben sehr erfrischend«, stimmte Lady Fanchere zu.

Emma spürte, wie ihr Gesicht sich noch mehr rötete. Sie sollte Lady Fanchere lieber bald erzählen, dass Fürst Sandre gestern Abend in ihr Zimmer eingedrungen war. Wenn sie es nicht tat, würde Lady Fanchere es gewiss auf anderem Wege herausfinden, und das würde sie an Emmas Charakter und ihrer Tugend zweifeln lassen. Doch Fürst Sandres Auftauchen war in ihrer Erinnerung so fest mit dem Schnitter verknüpft und ihrem erstaunlich großen Mut, dass sie kaum wagte, die Situation anzusprechen. Und mit dem Kuss. Sie hörte sich sagen: »Ich habe vielleicht einfach zu viel Sonne abbekommen.«

»Habt Ihr etwa Eure Haube abgenommen, während Ihr mit Michael unterwegs ward?«, fragte Lady Fanchere streng. »Mit Eurer blassen Haut sollten Ihr wirklich mehr Vorsicht walten lassen.«

»Ihr habt recht, ich sollte wirklich vorsichtiger sein.« In jeder Hinsicht. Emma sollte Soldaten und Fürsten aus ihrem Schlafzimmer fernhalten. Und auf gar keinen Fall durfte sie einen Geist küssen.

Aber wenn sie sich an die vergangene Nacht und an die Empfindungen erinnerte, die dieser Kuss in ihr ausgelöst hatte, konnte sie keinerlei Bedauern empfinden.

»Eleonore. Eleonore!« Aimée eilte zu ihnen. Sie wirkte mehr als nur ein bisschen aufgeregt.

Ein Lakai mit drei Bechern auf einem Tablett folgte ihr.

»Aimée ist so freundlich. Sie meint es so gut mit mir.« Lady Fanchere rieb sich erschöpft mit der behandschuhten Hand die Schläfe. »Aber ich wünschte, sie würde nur einen Augenblick aufhören zu reden. Besonders über …«

Aimée erreichte die beiden. Sie war außer Atem. »Habt ihr schon davon gehört?« Sie reichte ihnen die Becher mit dampfendem Wasser, das direkt aus der heißen Quelle stammte. Dann scheuchte sie den Lakaien davon. »Der Schnitter wurde letzte Nacht gesehen. Er war hier, in Aguas de Dioses!«

Emma erstarrte und hielt den Atem an.

»Oh nein.« Lady Fanchere seufzte.

»Doch!« Aimée legte die Hand auf ihre Kehle. »Er ist gekommen, um mich zu holen!«

»Aimée, das ist unmöglich«, sagte Lady Fanchere.

Aimée ignorierte diesen Einwand mit einer Bestimmtheit, die wirklich beeindruckend war. »Trink dein Wasser, Eleonore. Es ist gut fürs Baby.«

Lady Fanchere führte den Becher an die Lippen.

»Emma, Ihr solltet das auch trinken. Ihr seid ja ganz rot.« Aimée blickte Emma prüfend ins Gesicht. »Ihr kriegt doch nicht die Pest, oder?«

»Ich glaube nicht, Lady de Guignard. Meine Gesundheit ist äußerst robust.«

»Gut.« Aimée kam ohne Umschweife wieder zu ihrem Lieblingsthema. »Der Schnitter war hier. In genau diesem Hotel. Diese hübsche, irische Kanaille, Mr Gillespie Cosgair, hat gesagt, er habe einen Tumult gehört.« Sie beugte sich vor und legte ihre hohle Hand neben ihren Mund. »Sie sagen, Countess Martin sei auch hier«, flüsterte sie. »Und dass es zu nächtlichen Besuchen zwischen ihren Gemächern gekommen sei.«

»Der Schnitter und Countess Martin?«, rief Emma bestürzt.

Aimée machte Pssst. »Nein, meine Liebe! Mr Cosgair und Countess Martin. Sie ist eine berüchtigte Hure, aber nicht einmal sie würde mit einem Gespenst schlafen.«

»Er ist kein …« Lady Fanchere atmete tief durch. »Aimée, wenn dein einziger Beweis ist, dass ein Fremder ein Gerangel belauscht haben will, dann handelt es sich zweifellos nur um ein Gerücht und nicht um die Wahrheit.« Ihre Verzweiflung war trotz ihres gelassenen Verhaltens zu spüren. »Du musst aufhören, jeden Klatsch zu wiederholen. Vor allem, wenn er sich um den Schnitter dreht.«

Aimée richtete sich zu ihrer vollen Größe auf, was jedoch immer noch bedeutete, dass sie fast zehn Zentimeter kleiner war als Lady Fanchere. »Ich weiß nichts über Mr Cosgair und Countess Martin. Aber diese Pikanterie über den Schnitter ist kein Gerücht, Eleonore.«

»Woher weißt du das?«

»Weil Fürst Sandre ihm dicht auf den Fersen war und ebenfalls hier eingetroffen ist.«

Lady Fancheres Stimme klang plötzlich vergnügt. »Sandre war hier? Ist er noch hier?«

»Ja, ja!« Aimée hüpfte aufgeregt auf und ab.

Oh nein. Emma wollte am liebsten im Boden versinken. Wenn Fürst Sandre noch in der Nähe war, wenn er Aguas de Dioses noch nicht verlassen hatte, dann musste Emma wirklich möglichst schnell den Vorfall von letzter Nacht erwähnen. »Lady Fanchere? Ich muss Euch etwas gestehen.«

Aimée ließ sich nicht unterbrechen. »Ich sage dir doch, Eleonore, Sandre war hinter ihm her. Aber der Schnitter hat das Gewitter heraufbeschworen und ist in einem Lichtblitz verschwunden!«

»Ach, Aimée!« Lady Fanchere klang ehrlich verzweifelt.

»Ich bin dem Tode geweiht. Entweder sterbe ich von der Hand des Schnitters oder von Sandres Hand. Sie verfolgen mich durchs ganze Land!«

»Lady Fanchere, es wäre wirklich das Beste, wenn Ihr mir nur einen Moment lang Eure Aufmerksamkeit widmen könntet«, sagte Emma.

Aber Lady Fanchere konzentrierte sich inzwischen ganz auf Aimée. »Du hast nichts getan! Warum sollte einer von den beiden dich töten wollen?«

Emma seufzte. Sie führte den Becher an die Lippen. Als der Geruch ihr in die Nase biss, zog sie den Becher mit angeekeltem Gesichtsausdruck weg. »Das ist ja widerlich!«, rief sie.

Beide Frauen hielten erstaunt inne.

»Ja«, zwitscherte Aimée. »Wusstet Ihr das nicht?«

»Warum sollte irgendwer das trinken wollen?« Mit ausgestrecktem Arm hielt Emma den Becher von sich weg.

»Das ist gut für Euch!«, behauptete Aimée.

Lady Fanchere schmunzelte. Sie nahm die Becher an sich und gab sie einem vorbeigehenden Diener mit.

»Dann ist es also nicht das heilende Wasser von Aguas de Dioses, das Eure Wangen so vortrefflich erröten lässt?«, fragte Lady Fanchere Emma.

»Es ist auf keinen Fall das Wasser, Mylady.« Emma hätte sich am liebsten den Geschmack von der Zunge gekratzt.

»Und trotzdem sieht Miss Chegwidden heute Morgen äußerst bezaubernd aus«, sagte Fürst Sandre hinter ihnen.

Die drei Frauen wirbelten herum und knicksten.

Emma hielt den Blick nach unten gerichtet und wünschte sich verzweifelt, sonstwo zu sein. Nur nicht hier.

Ein schneller Seitenblick auf Aimée bewies ihr, dass diese genau dasselbe empfand.

»Aber, aber, Cousinchen.« Er öffnete die Arme, umarmte Lady Fanchere und küsste sie auf beide Wangen. »Wir müssen doch nicht so förmlich sein. Schließlich sind wir eine Familie.«

Lady Fanchere umarmte ihn mit offensichtlicher Freude. »Es tut so gut, dich zu sehen, Sandre. Es ist lange her.«

»Du hast dich in letzter Zeit sehr zurückgezogen. Warum eigentlich?« Er hielt ihre Hände fest.

»Sie ist guter Hoffnung«, piepste Aimée.

Fürst Sandre wollte gerade etwas sagen, doch seine Augen weiteten sich vor Überraschung. Er grinste breit. »Ist das wahr?«

»Bisher war es ein Geheimnis«, sagte Lady Fanchere seufzend.

»Aber das sind wirklich gute Neuigkeiten. Meinen Glückwunsch an Fanchere.« Er küsste erneut ihre Wangen. Dann wandte er sich an Aimée und umarmte auch sie. »Und was Euch betrifft, Cousinchen … Sagt Ihr immer noch zu viel über Dinge, über die man lieber schweigen sollte? Diese Indiskretion könnte noch Euer Tod sein.«

Er klang überaus freundlich, aber die Worte waren ernst gemeint, und Aimée schrak zusammen, als habe er sie geschlagen.

Emma schrak auch zusammen. Nicht nur, weil er Aimée in aller Öffentlichkeit tadelte, sondern weil sie sich an die letzte Nacht und seinen Besuch in ihrem Schlafzimmer erinnerte. Und daran, wie seine Augen eiskalt wurden, sobald er vom Schnitter sprach. Je mehr sie darüber hörte, umso deutlicher wurde ihr, dass Sandre ein wirklich beängstigender Mann war.

Lady Fanchere legte den Arm um Aimées Schultern. »Das macht mir nichts aus, Sandre. Die Wahrheit wird früh genug ans Tageslicht kommen, die liebe Aimée wollte nur freundlich und hilfsbereit sein. Sie ist so lieb zu mir, seit sie bei uns eingetroffen ist. Denk dir nur, Rickies Tod hat sie vor Gram gebeugt.«

Fürst Sandre kniff die Lippen zusammen. »Ja, Rickies Tod ist wahrhaftig eine Tragödie. Eine, die sich nicht wiederholen wird, das verspreche ich euch. Wir haben den Schnitter letzte Nacht fast erwischt. Die Schlinge zieht sich enger um seinen Hals.«

»Dann stimmt es? Er war letzte Nacht hier?« Lady Fanchere wirkte plötzlich sehr müde, als sei diese Neuigkeit mehr als sie im Moment ertragen könne.

Emma nahm ihren Arm. »Mylady, wenn Ihr Euch hinsetzen möchtet … Ihr seid nun lange genug herumgelaufen. Im Atrium gibt es Sitzplätze. Wir sollten lieber dorthin gehen, und ich hole Euch einen Becher Wasser. Kaltes Wasser vom Gletscher.«

»Das wäre mir sehr genehm«, gab Lady Fanchere zu.

»Ich werde euch den Weg bereiten.« Fürst Sandre marschierte auf eine Gruppe Moricadier zu, die sich in einem Alkoven auf Stühlen entspannten. Er sprach mit ihnen, und innerhalb von Sekunden räumten die Leute den Alkoven. Emma führte Lady Fanchere zu einem gepolsterten Stuhl, von dem aus sie einen herrlichen Blick auf die Eiswand und den Wasserstrom genoss, der von den eisigen Enden des Gletschers tropfte.

»Ich danke dir, Sandre. Das ist sehr lieb von dir.« Lady Fanchere rieb sich das schmerzende Kreuz.

Aimée tätschelte ihre Hand.

Emma legte ihr fürsorglich ein Tuch um die Schultern.

»Ich bin keine Todkranke, wisst ihr«, protestierte Lady Fanchere.

»Nein. Du wirst nur von uns allen sehr geliebt.« Aimées volle, rosige Wangen und ihr strahlendes Lächeln ließen ihr schwarzes Trauerkleid wie Hohn erscheinen.

Lady Fanchere berührte leicht ihren Arm. »Du bist eine Liebe. Also gut.« Sie wandte sich an Fürst Sandre, und ihr Blick war erstaunlich ernst. »Emma hat vorhin versucht, mir etwas mitzuteilen, und ich habe ihr nicht zugehört. Aber du scheinst meine liebe Emma zu kennen, und ich frage mich nun, woher.«

Emma wand sich und sagte: »Ich hätte es Euch sofort erzählt, aber …«

Lady Fanchere unterbrach sie. »Ich habe Fürst Sandre um eine Erklärung gebeten.«

Emma gab sich geschlagen. Die Rüge und die nun folgende Erzählung waren ihr gleichermaßen so peinlich, dass sie nichts tun konnte, außer mit im Schoß verkrampften Händen dazusitzen.

Aber Fürst Sandre war mehr als erfreut, Lady Fanchere Rede und Antwort zu stehen. Mit einer Hand auf der Hüfte baute er sich vor ihnen auf und erklärte: »Es stimmt. Als der Feigling, der er ist, beschloss der Schnitter gestern Nacht, sich unter den schwächsten und edelsten Menschen Moricadias zu verstecken. Er lief hinauf in den Dienstbotenflügel …«

»Wo du untergebracht bist, Emma?«, fragte Lady Fanchere.

»Ja, Mylady«, antwortete Emma leise.

Fast ohne Unterbrechung sprach Fürst Sandre weiter. »Und ich lief ihm nach. Meine Männer waren dicht hinter mir. Er versteckte …«

Erneut unterbrach Lady Fanchere ihn. »Aber er war doch nicht in deinem Zimmer, Emma?«

»Ich habe die Stiefel gehört, als die Männer des Fürsten nach ihm suchten«, sagte Emma.

»Obwohl wir alle Zimmer gewissenhaft durchsuchten«, fuhr Fürst Sandre fort, »haben wir ihn nicht gefunden. Er ist entkommen, jetzt ist es an uns, ihn endlich zur Strecke zu bringen.«

»Ihr könnt keinen Geist zur Strecke bringen«, wandte Aimée ein. »Er ist flüchtig.«

Fürst Sandre drehte sich zu ihr um. Sein Gesicht war vor Ungeduld zu einer wütenden Maske verzerrt. »Ich habe einen Plan.«

Emma hob die Hand und dachte darüber nach. Sie kniff die Augen zusammen. Einen Plan? Er hatte wirklich einen Plan?

»Liebe Aimée, sei nicht dumm.« Lady Fanchere drückte Aimées Arm mit der Hand, und zugleich starrte sie Sandre vorwurfsvoll an.

Einmal mehr setzte er die Miene eines edlen Kämpfers auf. »Dumme Aimée. Ihr seid in Eurem Glauben so kindlich. Fast wie die Moricadier selbst.«

Aimée versuchte erneut, das Wort zu ergreifen.

Lady Fanchere brachte sie mit einem Zischen zum Schweigen.

Emma atmete tief durch. Sie atmete noch einmal durch. Dann mischte sie sich in die Unterhaltung ein. »Euer Hoheit, könnt Ihr uns nicht von Eurem Plan erzählen, wie Ihr den berüchtigten Schnitter gefangen nehmen wollt?« Sie war selbst überrascht, dass sie so ruhig, interessiert und … gefasst klang. Als unterhielte sie sich regelmäßig mit Männern von königlichem Geblüt und Edeldamen. War es wirklich erst drei Tage her, dass sie Lady Lettice die Füße massiert hatte?

Doch Lady Fanchere warf ihr einen dankbaren Blick zu. Als habe Emma diesen Einwurf gezielt vorgebracht, um Aimée vor weiterem Schaden zu bewahren.

Fürst Sandre lächelte sie an. Er war stolz auf sein Vorhaben, und es freute ihn sichtlich, dass ausgerechnet sie ihn bat, ihr seine Gewieftheit darzulegen. »Eine gute Frage, Miss Chegwidden. Heute Abend und zukünftig jede Nacht, bis wir ihn gefangen genommen haben und zerquetschen werden, postieren sich meine Männer an der Kreuzung zwischen der Unterstadt und der Burg. Sie werden ein Seil über die Straße spannen und auf beiden Seiten im Dickicht warten. Sobald sie den Schnitter im Galopp herankommen sehen, werden sie das Seil spannen. Das Pferd wird stürzen, der Schnitter wird aus dem Sattel geschleudert, und wir nehmen ihn gefangen. Dann werden wir ihn selbstverständlich hängen.« Er machte eine Pause und wartete auf ihr Lob.

Aimée schüttelte indes nur den Kopf.

Emma konnte ihrer Bestürzung keine Worte verleihen. Ob Sandres Plan funktionierte? Würde der Schnitter sterben, und würden die Moricadier wieder ohne einen Verteidiger dastehen?

»Ein vernünftiger Plan«, sagte Lady Fanchere. »Ich hoffe, er wird dem Schrecken ein Ende setzen, das dieses Land überzogen hat.«

Ihre Ausdrucksweise schien Fürst Sandre zu missfallen. »Der Schnitter ist kein Schrecken. Er ist ein dummer, armseliger Feigling, und ich werde mir seinen Kopf holen.«

Mit eisiger, deutlicher Stimme fragte Aimée: »Wenn er so ein dummer, armseliger Feigling ist, wieso haben Eure Männer ihn dann so lange frei herumlaufen lassen?«

Sandre wurde vor Wut von der gestärkten Krawatte bis zu den Haarwurzeln knallrot.

Emma hätte am liebsten aufgestöhnt. Wie konnte Lady de Guignard so klug und dumm zugleich sein?

»Aimée, ich glaube, es wird das Beste sein, wenn du dich jetzt zur Ruhe begibst. Ich glaube, du hast Kopfschmerzen.« Lady Fanchere klang kühl und verärgert.

Aimée schien von Lady Fancheres Tonfall überrascht zu sein. Sie blickte zu Fürst Sandre auf und flüsterte: »Oh, ja. Ich glaube, du hast recht.« Sie stand auf, machte einen Knicks, drehte sich um und trippelte davon.

»Ich weiß nicht, wie du diese Frau den ganzen Tag erträgst«, sagte Fürst Sandre.

Ohne Zögern griff Lady Fanchere ihn an. »Du warst gestern Nacht in Emmas Schlafzimmer?«

Er seufzte theatralisch. »Ich fürchte, so war es. Aber lass mich dir versichern, dass deine Gesellschafterin in meiner Gegenwart absolut sicher war.«

»Emma war aber nicht mit dir allein«, sagte Lady Fanchere. »Du hast gesagt, deine Männer wären auch dort gewesen.«

Emma schloss halb die Augen und fragte sich, ob Fürst Sandre wohl lügen würde. Halb hoffte sie, dass er es tat.

»Es war nicht angemessen, dass meine Männer sich im Zimmer einer jungen Dame herumdrücken. Also habe ich sie vor die Tür geschickt.«

Lady Fanchere stand abrupt auf. »Sandre. Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich gerne unter vier Augen mit dir sprechen.«

Fürst Sandre nickte, als wäre er von Lady Fancheres Bitte nicht besonders überrascht. Er verbeugte sich vor Emma, nahm Lady Fancheres Arm und führte sie davon.