»Das wird ja immer absurder«, sagte Menkhoff ärgerlich und sah mich an. »Es wird höchste Zeit, dass wir gehen. Herrn Lichners Märchenstunde ist hiermit beendet.« Er wandte sich erneut an den Psychiater und sagte: »Ich werde Sie drankriegen, Lichner, wegen Vortäuschung einer Straftat. Kann gut sein, dass Sie wieder in den Knast wandern.«
»Denken Sie, das kann mich nach über 13 Jahren noch beeindrucken, Herr Hauptkommissar? Wenn Sie Nicole von einer Polizeipsychologin untersuchen lassen, war es das wert.«
Menkhoff tat, als hätte er Lichner nicht gehört. »Und gegen Ihren Freund Diesch werden wir ein Verfahren wegen Fälschung von amtlichen Unterlagen einleiten. Sie dachten, Sie können sich ein Späßchen mit uns erlauben und sich anschließend über uns totlachen, was? Ich werde Ihnen zeigen, dass Sie das nicht können. Bleiben Sie in der Stadt.«
Lichner warf mir einen Blick zu, der wohl bedeutete: Können Sie ihn nicht zur Vernunft bringen?, den ich aber ignorierte, obwohl mir dabei alles andere als wohl zumute war. Ich hätte ihm gerne noch ein paar Fragen gestellt, aber ich wusste, das würde anschließend zu wenig erfreulichen Diskussionen mit Menkhoff führen. Wir verließen die Wohnung, und Lichner versuchte nicht mehr, uns umzustimmen. Er kannte meinen Partner wahrscheinlich auch gut genug, um zu wissen, wann bei ihm nichts mehr zu machen war.
»Der Mistkerl verarscht uns, Alex«, sagte Menkhoff, als wir im Auto saßen. Er war wütend, sehr wütend. »Aber das wird ihm noch leidtun. Jetzt fahren wir zu seinem Freund Diesch. Der wandert postwendend wieder in den Knast.«
»Es wird schwer werden zu beweisen, dass er den falschen Eintrag gemacht hat«, wandte ich ein. »Immerhin steht in der Datenbank der Name dieser Pflegerin. Und ich finde ja, was Lichner da gesagt hat –«
»Jetzt fang bloß nicht an, mir wieder mal deine Bedenkenliste vorzutragen, Alex, das brauch ich jetzt am allerwenigsten.«
»Und du komm mal wieder runter. Ich bin auf deiner Seite, schon vergessen? Und außerdem könntest du zumindest mal in Betracht ziehen, dass an der Theorie was dran sein könnte. Es klingt jedenfalls logisch.« Ich bremste vor einer Kreuzung ab und hielt vor der Ampel an, die gerade rot geworden war.
»Natürlich klingt es logisch, er ist Psychiater«, sagte Menkhoff. »Aber mich wickelt er nicht ein mit seinem Gequatsche. Du lässt dir auch jeden Scheiß erzählen, Alex Seifert, aber wirklich.«
Ich schlug mit der Hand gegen das Lenkrad. »Jetzt hör mir mal zu, Bernd, ich …«
In dieser Sekunde klingelte Menkhoffs Handy. Er zog es aus der Tasche und nahm das Gespräch an. Ich beobachtete ihn. Einen Moment lang hörte er zu, dann weiteten sich seine Augen. »Was? Was soll das heißen?« Schlagartig wich sämtliche Farbe aus seinem Gesicht, seine Augen wurden glasig. »Ist das sicher? Haben Sie überall nachgesehen? Was? Aber … wie kann das sein?« Und dann laut, sehr laut, verzweifelt: »Wenn ihr was passiert ist … Beten Sie zu Gott, dass ihr niemand was angetan hat.« Mit einer fahrigen Bewegung steckte er das Telefon weg und sah mich fassungslos an. »Das war der Kindergarten. Luisas Kindergarten. Luisa … sie … die sagen, sie ist verschwunden.«
»Was? Sind die sicher?«
»Natürlich sind die sicher«, blaffte er mich an. »Glaubst du, die rufen mich zum Scherz an und erzählen mir so eine Scheiße? Meine Tochter ist entführt worden.«