»Ich weiß nicht, wo das herkommt.« Dr. Joachim Lichner wandte den Blick vom Inhalt der Plastiktüte ab und sah Menkhoff an. »Aber etwas anderes weiß ich, Herr Oberkommissar: Sie wollen mir etwas anhängen.« Seine Stimme klang wieder recht gefasst und bestätigte damit den Eindruck, den ich sofort hatte, als ich mit Menkhoff in den Eingangsbereich zurückkam. Lichners Anwalt war zwar noch nicht eingetroffen, aber die anfängliche Überraschung war ebenso verschwunden wie der Anflug von Resignation, den ich wahrgenommen hatte, als die beiden Polizisten ihn kurz zuvor aus seinem Behandlungszimmer geführt hatten. Nun wandte er sich an mich. »Und Sie machen das mit, ja? Haben Sie überhaupt kein Gewissen? Denken Sie doch mal nach: Würde ich tatsächlich ein Haargummi von dem Mädchen aufheben, wenn ich sie umgebracht hätte? Das widerspricht doch jeder Logik.«
»Ich –«
Weiter kam ich nicht, weil sich Menkhoff gleich einschaltete. »Reden Sie keinen Unsinn, Dr. Lichner. Das hier«, er hielt die Plastiktüte hoch, »haben wir in Ihrem Schrank gefunden. Ich werde jetzt rübergehen und es Julianes Mutter zeigen. Wenn sie es erkennt, sind Sie dran. Außerdem wird Ihr Auto gerade auf DNA-Material untersucht. Wenn die Kleine dort drinnen gesessen hat, werden wir etwas von ihr finden, egal, wie gründlich Sie alles saubergemacht haben. Geben Sie’s doch einfach auf, legen Sie ein Geständnis ab, das könnte sich strafmildernd auswirken.«
Der Psychiater sah Menkhoff ungläubig an. »Sind Sie verrückt? Was reden Sie denn da? Sie brauchen dringend einen Schuldigen und schieben mir dieses Teil da unter. Woher sonst wussten Sie auf Anhieb so genau, wo Sie suchen mussten? Der Fall scheint gelöst, und Oberkommissar Menkhoff wird bald Hauptkommissar. Oder etwa nicht?« Wieder wanderte sein Blick zu mir. »Und Sie, Herr Seifert, werden vielleicht bald mit der Gewissheit leben müssen, dass der wahre Mörder noch frei herumläuft, weil Ihr korrupter Kollege wissentlich den Falschen beschuldigt. Ist Ihnen das egal?«
Es war mir nicht egal, aber es blieb mir nichts übrig, als meinem Kollegen zu vertrauen.
Menkhoff ging auf Lichners Unterstellungen nicht ein. Sein Körper straffte sich, und er sagte in formellem Ton: »Dr. Joachim Lichner, ich verhafte Sie wegen des Mordverdachts an Juliane Körprich und kläre Sie nun über Ihre Rechte auf …«