Frühsommer 2010
Drei Tage nach der Entlassung aus dem Krankenhaus Schwabing hatte JP einen wirklich wichtigen Termin. Zuerst ging er zu seinem Lieblingsfriseur in der Römerstr. 21. Seine Friseurin hatte ihn gestylt und professionell herausgeputzt. Dann hatte er sich ein sportliches, zartgelbes Sakko, ein dunkelblaues T-Shirt, eine weiße Sommerhose und braune City Sneakers angezogen. So im Spiegel betrachtet, fand er, dass er richtig gut aussah. Nun noch ein bisschen von seinem Lieblingsparfum Antaeus von Chanel und fertig war er für sein Treffen. Er war sehr nervös! Es hing viel davon ab! Alles!
Die Sonne schien und es war angenehm warm. So konnte er die geringe Entfernung von seiner Wohnung zum Treffpunkt mit seinem Audi TT Cabrio offen fahren. Er hatte Glück und fand einen Parkplatz direkt vor dem Restaurant „La Piazza“ vor dem Schwabinger Krankenhaus.
Sie saß schon am Tisch und sah ihm erwartungsvoll entgegen. „Frau Dr. Gruber, ich habe mich so sehr auf Sie und unser Treffen gefreut!“, begrüßte JP sie und gab ihr rechts und links einen Kuss auf die Wange. „Ja, ich weiß! Ich mich auch, Giovanni. Ich bin Gabriela.“ Aus unbekanntem Grund errötete JP wie noch selten zuvor in seinem Leben.
„Ja, ja, die Körpersprache ist eine sehr mächtige Sprache, Giovanni“, entgegnete sie mit dem charmantesten Lächeln der Welt und küsste ihn unvermittelt und innig auf den Mund....
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Die Verhaftung des „Malinger Syndikats“ füllte alle bayerischen Zeitungen über Tage. Man hatte den Eindruck, jeder Abteilungsleiter der gesamten Münchner Polizei hatte an diesen erfolgreichen Ermittlungen irgendwie mitgearbeitet. Es wurden unzählige Interviews gegeben und „Insider Stories“ veröffentlicht. Besonders Hauptkommissar Holzner und Dr. Ott waren mehrmals im Fernsehen und erlangten somit kurzzeitige Berühmtheit.
JPs Name blieb vereinbarungsgemäß völlig unerwähnt. Niemand außerhalb der Polizei wusste von seiner Mithilfe und das war gut so!
Lucky Eagle Ltd . erhielt für volle 21 Tage das vereinbarte Dienstleistungshonorar plus Prämie und JP erhielt seinen Beraterlohn auf das Treuhandkonto seiner Tante und Anwältin überwiesen.
McGregor versuchte zuerst, für sich einen Deal zu verhandeln, indem er Informationen und Kooperation anbot. Es wurde abgelehnt! Er konnte der Polizei absolut nichts anbieten, das sie nicht ohnehin schon wusste. Dann brach er zusammen und erzählte alles was er wusste, erstaunlicher Weise auch ohne Gegenleistung.
Dr. Hildebrandts Vermögen, sein Immobilienbesitz und das Bargeld in seinem Safe, wurden konfisziert und verwendet, um die ärztliche Betreuung und Pflege für die folgenden Jahre sicherzustellen und um Gerichtskosten und Anwälte zu bezahlen.
Aus der Verwandtschaft war niemand bereit, die Vormundschaft oder Vermögensverwaltung für Dr. Hildebrandt zu übernehmen. Es wurde ein Anwaltsbüro mit dieser Aufgabe betraut.
Die Firma MOTOHMOTY s.r.o wurde noch in der Woche der Verhaftung der Hauptgesellschafter von der tschechischen Polizei durchsucht. Es wurde schier Tonnen an Beweismaterial beschlagnahmt. Die Gelder der Gesellschafter auf dem Treuhandkonto des Prager Anwalts wurden vom Staat eingezogen. Die Firma MOTOHMOTY s.r.o geriet in große finanzielle Nöte und wurde ganz knapp vor dem Konkurs durch die Firma Malinger Autoteile GmbH & Co. KG, für einen, eher symbolischen Geldwert übernommen. Damit konnten zumindest die Arbeitsplätze in der Region gesichert werden.
Es wurden keine offiziellen Ermittlungen gegen Vladimir Popolowsky eingeleitet. Sein Name wurde auch in der lokalen Presse nicht in Zusammenhang mit MOTOHMOTY s.r.o erwähnt. Seine Macht und Einfluss waren allgegenwärtig...
Dr. Elisabeth Drager konnte keinerlei Beteiligung an den Machenschaften ihres Cousins nachgewiesen werden. Sie hatte schon vorher Vermutungen bezüglich gewisser Unregelmäßigkeiten und hatte sowohl ihren Cousin als auch andere Mitglieder der Geschäftsleitung in Verdacht und über Monate eingehend beobachtet. Sie war aber auf keine einwandfreien Beweise gestoßen und wurde von dem Ermittlungserfolg der Münchner Polizei genauso freudig überrascht wie Joseph Malinger.
Joseph Malinger beglich Steuerschulden, die seine Mitarbeiter verbrecherisch verursacht hatten, mittels großzügiger Abschlagszahlung. Der tatsächliche Geldwert, der seinem Unternehmen gestohlen wurde, wurde nie bekannt, genauso wenig wie die Höhe der freiwilligen Zahlungen an den Staat.
Joseph Malinger traf sich mit JP Ende Juni zum Fliegenfischen an seinem Privatgewässer. Herr Malinger wusste genau Bescheid bzgl. JP Hilfe im Hintergrund. JP und Herr Malinger führten ein sehr gutes und ausführliches Gespräch unter Männern, im Schatten einer Eiche, als sie ihre Brotzeit gemeinsam verzehrten. Joseph Malinger drückte JP mehrmals dankend die Hand.
Zum Dank erteilte er JP lebenslanges Fischrecht an seinem Privatgewässer.
JP kündigte seinen Job als neuer IT-Leiter bei Malinger Autoteile GmbH aus persönlichen Gründen.... Es war Zeit für einen Wechsel. Er bekam ein ausgezeichnetes Zeugnis und eine sehr großzügige Prämienzahlung in Höhe von 300.000,- Euro, die er zu seinem Leidwesen leider versteuern musste.
JP wollte sich nun um sein Privatleben mit Gabriela, einigen herausfordernden IT-Projekten von Lucky Eagle Ltd . und um Beratungstätigkeit bei der deutschen Polizei und Interpol kümmern, die ihm schon Angebote gemacht hatten.
Auf dem Konten von Greenpeace und mehreren karitativen Organisationen gingen Spenden in erheblicher Höhe, von einer Bank auf den Cayman Islands ein. Der Spender blieben unbekannt.
Jeweils 1,200.000 Dollar wurden von den Caymans nach und nach auf diverse Auslandskonten überwiesen, deren Empfänger nicht ermittelbar waren...
JP und FATBOY hätten zur diesbezüglichen Aufklärung sehr wohl beitragen können, aber dazu fühlten sie sich weder veranlaßt noch motiviert...
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JP war mit sich und der Welt vollauf zufrieden. Die Liebe hatte zugeschlagen! Alles war wunderbar und rosarot! Nun war er auf dem Flughafen Heathrow, bereit zum Weiterflug nach Anchorage, Alaska. Er hatte einen unglaublich wichtigen Termin mit seinem Dad. Sie waren verabredet zum Fliegenfischen auf Lachs & Co. Es herrschte ein großes Gedränge auf dem Flughafen. JP beobachtetet, wie sich ein feingliedriges, zartes Mädchen mit roten Haaren versuchte, mit ihrem Rollstuhl durch die Menschenmassen im Terminal zu kämpfen. Er hatte genügend Zeit und bot ihr freundlich seine Hilfe an. Aufgeweckt plaudernd schob er sie ein Stück des gemeinsamen Weges, bis sich ihre Wege trennten.
Minuten später, als er in den Duty Free einbiegen wollte, kam eine SMS auf sein iPhone. „JP, you are such a handsome and friendly chap! Anytime you need me, I´ll be there! We really enjoyed working with you. Take care, partner! FB.” (JP, Du bist ein so derart hübscher und freundlicher Typ! Ich bin jederzeit für Dich da, wenn Du mich brauchst! Wir haben wirklich sehr gerne mit dir gearbeitet! Pass auf Dich auf, Partner! FB.“)
Das kam offensichtlich von FATBOY. Aber eine derart lange und überschwängliche SMS hatte er noch nie geschrieben! Er hatte das „persönliche Treffen“ nach dem gemeinsamen Deal nicht vergessen! Wer war FATBOY?? Vielleicht das Mädchen mit den roten Haaren, im Rollstuhl? War es irgendeiner dieser tausenden, vorbeihastenden Typen? War FATBOY nun Mann oder Frau? Europäer oder Asiate? Schwarzer oder Weißer? Jugendlicher oder Erwachsener? Oder war FATBOY nur ein Sammelbegriff, hinter dem sich mehrere Personen und ein Sprachrohr fürs Telefon verbargen? Stand dafür das „we“ in der SMS? Fragen über Fragen.....
Aber die Zeit der Antworten würde kommen, ganz sicher!
So sicher wie das Amen in der Kirche!