7. Mai 2010, München, Krankenhaus Schwabing, nach 22:00Uhr

 

JP wollte unbedingt wissen, wie die Firma Malinger den Totalausfall des zentralen Rechenzentrums in München überstanden hatte – wer, was und wie in Stand setzen oder zum Laufen bringen konnte. Seine Mannschaft war ja dazu nicht in der Lage. Die Kollegen in Schottland und Spanien waren im Tagesgeschäft mit ganz anderen Aufgaben betraut und JP konnte sich nur schwer vorstellen, dass ihre fachliche Kompetenz ausreichte, um die deutsche IT-Zentrale wieder vollständig zum Laufen zu bringen. Er selbst war ja offiziell noch immer im Wachkoma und deshalb hackte er sich immer erst sehr spät abends in die Malinger IT-Systeme, um ein bisschen „gute Fee“ zu spielen und gelegentlich auszuhelfen. Er hatte so den schottischen und spanischen Kollegen zu manchem „Wunder“ verholfen, indem ganz plötzlich Systeme funktionierten, die vorher nicht so recht wollten. Er hoffte allerdings inständig, dass er damit unbemerkt bleiben würde, da sonst seine Tarnung aufgeflogen wäre.

Auch Cousin Mosche Heiligenschein schaffte es bis jetzt, innerhalb der IT-Welt von Malinger unbemerkt zu schnüffeln. Auch er benutzte die Zugriffscodes von JP. Mosche war komplett mit dem Knacken von Franz Korbers „Hochsicherheitsspeicher“ beschäftigt. Seine Fortschritte waren enorm: Auf einer Entfernungslinie von der Erde bis zur Sonne war er etwa in der achten Etage eines 20 stöckigen Hochhauses. Kurz: Mosche kam fast nicht voran. Franz hatte gute Arbeit geleistet und sein eigenes Fort Knox eingerichtet. Mosche hatte allerdings gleich zu Anfang seiner Recherche den gesamten, einige Terabytes umfassenden Datenbestand von Franz´ Archiv auf seine eigenen Computer transferiert und konnte somit völlig unabhängig von den Malinger IT-Systemen weiterhin am Knacken der Zugangscodes arbeiten. Damit bewegte er sich nicht immer innerhalb der Malinger IT-Systeme und fiel somit nicht weiter auf.

Es war gerade 22:49 Uhr als JP eine dieser kryptischen E-Mail-Adressen von Yahoo in seiner Eingangs-Mailbox sah. Das konnte nur von FATBOY sein. FATBOY war immer so unglaublich herzlich in seinem Schreibstil und seine begleitenden Zeilen waren immer so derart ausschweifend in Details und Formulierungen: „JP, see attachm.! FB“ (JP, siehe Anhang, FATBOY). Im Anhang war das Dossier von Dr. Ian McGregor, Finanzchef des Malinger Autoteile Konzerns. Das Dossier umfasste 178 Seiten und war eine der interessantesten „Gute-Nacht-Geschichten“, die JP in letzter Zeit zu lesen bekommen hatte. Er studierte jede Seite sorgfältig und war um 2:30 Uhr mit dem Lesen immer noch nicht fertig. Es war nicht die Art Literatur, die ein einfaches und rasches Einschlafen förderte. Jedenfalls inspirierte der Inhalt JP zu einer sehr ausführlichen Dankesmail an FATBOY. Er bediente sich genauso dieses überschwänglichen Schreibstiles und seine begleitende Prosa konnte einer zarten Seele die Tränen der Rührung in die Augen treiben: „, FB, tx 4 yr great work, JP“ (FB, Danke für Deine großartige Arbeit, JP). Die Antwort kam prompt und unterbot alle bisherigen Mails nicht nur an Überschwang, sondern auch an Buchstaben – es waren genau zwei Buchstaben: „np“ (=no problem – dies stand für „gern geschehen“).

Ja, ja es war ein echtes Vergnügen, mit FATBOY lange und ausführliche E-Mails auszutauschen! Aber nun genug der Herzlichkeiten, es war ein anstrengender Tag, Zeit zum Schlafen! Die Kripo München arbeitete an diesen Fall auch am Wochenende. Wenngleich mit etwas verringerter Mannschaft, aber dennoch – in ein paar wenigen Stunden war der gut gelaunte Holzner wieder da...

Ohne Skrupel
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