Sommer 2009

 

Beruflich war es ein gutes Jahr! Viel Arbeit, aber auch viel Lob und viel Ehr`! JP feierte am  1. Juli sein einjähriges Jubiläum in der IT-Abteilung der Malinger Autoteile GmbH & Co. KG in München. Franz Korber hatte es nicht vergessen und zur Feier des Tages am späten Nachmittag eine Kiste Prosecco für ihn und die Abteilung spendiert. JP war der Frischling der Abteilung und hatte nicht damit gerechnet! Er war es nicht gewohnt, schon für das „Einjährige“ eine derartige Aufmerksamkeit zu erhalten. Bei zehn- oder 20-jährigen Jubiläen, ja, aber bei so kurzem Aufenthalt? Jedenfalls war es richtig nett von Franz Korber und zeigte auch, welche Wertschätzung er JP entgegenbrachte. Es passte zu der sehr familiären Atmosphäre in ihrer Abteilung.

In der restlichen Firma Malinger war im Moment keine entspannte und familiäre Stimmung zu spüren. 2009 war das Jahr der Bankenkrise und nun im Sommer wurden die Automobilindustrie und ihre Zulieferer sehr gebeutelt. Kurzarbeit und drohende Entlassungen waren an der Tagesordnung in der Branche. Jeder hatte Angst um seinen Arbeitsplatz. Aber verglichen mit anderen Autoteileherstellern ging es Malinger Autoteile GmbH & Co. KG wirtschaftlich noch immer gut. Natürlich war auch hier in einigen Werken Kurzarbeit notwendig, aber die Entlassungen waren gering. Die Eigentümer, Familie Malinger, und das Management hatten wohl Reserven für schlechte Zeiten beiseitegelegt und würden auch bei rauer See das Ruder gut führen und das schlingernde Schiff sicher durch den Sturm geleiten, auch wenn dieser Orkan sich wahrhaft gewaltig entwickelte.

Die IT-Abteilung arbeitete, wie die Fertigung und Produktion des Unternehmens, weitestgehend störungsfrei und war technologisch auf neuestem Stand. Jeder kannte seine jeweiligen Aufgaben und erfüllte sie verlässlich und termingerecht. Die wöchentlichen Reviews und Crit-Sit Meetings waren immer sehr kurz, da wenig Probleme anfielen und immer alle Arbeitsschritte sauber dokumentiert und für die entsprechenden Kollegen jederzeit zugänglich und nachvollziehbar waren. Franz Korbers Abteilung funktionierte wie ein Schweizer Uhrwerk. Es gab fast keine Reibungsverluste innerhalb der IT-Abteilung und ganz bestimmt war die professionelle Führung von Franz mit ein Grund für die immer noch stabile wirtschaftliche Lage des Unternehmens in diesen Zeiten. Spezielle neue IT-Projekte, die mit Kosten verbunden waren, wurden in diesem Jahr vermieden und ein eventuell notwendiger Austausch von Hardware wurde einfach nach hinten verschoben.

Bezüglich Gehaltserhöhungen wurde allen Mitarbeitern die Notwendigkeit einer „Nullrunde“ vermittelt, was auch von allen verstanden und akzeptiert wurde. Hauptsache der Arbeitsplatz war noch sicher! Nur JP wunderte sich und staunte. Er hatte ungefragt und wohl als Einziger in seiner Abteilung, vielleicht sogar in der ganzen Firma Malinger, eine Gehaltserhöhung bekommen. Und noch dazu mehr als 975,- Euro pro Monat. Das war sensationell viel, zumal ihm durchaus bewusst war, dass er bereits sehr viel mehr verdiente als seine Abteilungskollegen. Als er Franz diesbezüglich ansprach, sagte dieser: „Hören Sie JP, dies muss vertraulich unter uns bleiben! Wir finden, Sie sind jeden Cent wert, weil Sie hervorragende Arbeit leisten. Die Geschäftsleitung und ich, wir wollen Sie bei uns behalten und wir haben noch viel mit Ihnen vor.“ Naja, wer lehnt schon derartige Großzügigkeiten freiwillig ab?

 

***

 

Franz Korber war hoch beeindruckt von Santa Cruz. Er hatte ihm im vergangenen Jahr diverse Aufgaben übertragen, die rein gar nichts mehr mit dem Jobprofil eines Datenbankadministrators zu tun hatten und der Junge hatte einfach alles perfekt hinbekommen. Franz hatte sich schon fast ein persönliches Spiel daraus gemacht, die Grenzen der Leistungsfähigkeit von JP auszuloten, aber er hatte jedes Mal wieder das Gefühl, nur an der Oberfläche gekratzt zu haben. Franz war mit Recht stolz auf seine Menschenkenntnis und hatte sich selbst wieder einmal bewiesen, dass er Talente richtig einschätzen und bewerten konnte. Der junge JP war klar strukturiert in seiner Arbeit, wusste genau, was er zur Realisierung eines Projektes brauchte, und lieferte dann budget- und termintreu.

JP war damals gerade mal einen Monat in der Firma und hatte um ein vertrauliches Gespräch mit Franz gebeten. Franz hatte schon Sorge, JP würde ihm seine Kündigung mitteilen. Aber nein, JP brachte Folgendes vor: „Herr Korber, ich habe mir nun einen detaillierten Überblick über die eingesetzten Datenbanken in unserem Haus verschafft. Wir haben zur Zeit vier verschiedene Datenbanken im Einsatz. Das ist zu viel für unsere Belange und bläht nur unsere Administration und Kosten unnötig auf. Wenn Sie gestatten, werde ich unsere verwendeten Datenbanken innerhalb der nächsten sechs Monate auf nur zwei reduzieren. Oracle und Microsoft brauchen wir nicht. Ich habe die Machbarkeit bei den Anwendungen und den Migrationsaufwand für sie in diesem Dossier“ – das er damit überreichte – „zusammengefasst. Ich persönlich würde ausschließlich mit dem Informix-Server von IBM arbeiten. Aber durch unsere SAP-Anwendungen brauchen wir auch noch die DB2 auch von IBM. Beide Datenbanken sind somit von einem Hersteller und können einfacher administriert werden. Dies ist für uns wirtschaftlich sinnvoll. Damit hätte ich auch mehr Zeit für die zusätzlichen Aufgaben, in die Sie mich freundlicherweise immer einbinden.“ Das war eine klare Ansage! Niemand, den Franz bisher kannte, hätte es gewagt, schon nach so kurzer Zeit im neuen Job eine derartig strategisch sensible Datenbankentscheidung zu fordern.

Das Dossier von JP hatte Hand und Fuß und so ließ Franz ihn tatsächlich gewähren. Binnen sechs Monaten war die gesamte Migration und Reduzierung auf den Informix-Server und DB2 abgeschlossen. Die Kosten der Migration waren vertretbar. Einige notwendige Anpassungen wurden von eigenen Malinger-Leuten in den Rechenzentren in Schottland und Spanien gemacht. Einen weiteren Teil erledigte ein externes Unternehmen in Zypern, das von JP empfohlen wurde. Die Datenbank-Administrationslohnkosten reduzierten sich von ehemals zwei Vollzeitkräften nun auf ein Viertel der Arbeitszeit von Santa Cruz. Die jährlichen Supportkosten für Oracle und Microsoft entfielen komplett. Die Systeme liefen nun sehr viel stabiler und es gab bisher keine Minute Down-Time (Stillstand) der Datenbanken. Der Speicherplatz auf den Platten wurde halbiert und die Systeme waren erheblich schneller. Kosten für Schulungen und Weiterbildungen fielen keine an. Das Projekt war somit ein sehr großer Erfolg und erwirtschaftete bereits binnen zweier Monate an Einsparungen mehr, als die gesamten internen und externen Migrationskosten betrugen. Und Franz konnte noch drei ähnliche, zwar viel kleinere, aber ebenso erfolgreiche IT-Projekte von Santa Cruz der Geschäftsleitung präsentieren, als er trotz der schlechten Zeiten um eine derart erhebliche Gehaltserhöhung für Giovanni Paul Davide angesucht hatte.

Tatsächlich hatte Franz Angst, JP als Arbeitskraft zu verlieren. Er hatte beim Mittagessen ein Gespräch zwischen JP und einem anderen Mitarbeiter unabsichtlich belauscht, bei dem es um ein Zwischenzeugnis des Arbeitgebers ging. Franz deutete dies so, dass JP ihn unter Umständen darauf ansprechen wollte und nicht genau wusste, wie das übliche Vorgehen bei deutschen Arbeitgebern ist. JP könnte ein anderer, vielleicht lukrativerer Job angeboten worden sein und nun wollte er vielleicht seine Bewerbungsmappe aktualisieren. Dem wollte Franz einfach zuvorkommen und quetschte die maximal mögliche Gehaltserhöhung für seinen Mitarbeiter heraus. Aber Franz war „auf dem Holzweg“ und seine Sorge war tatsächlich im Moment völlig unbegründet. Das Gespräch in der Kantine war rein zufällig entstanden und JP wusste nicht, dass jemand am anderen Tisch mitgehört hatte. Er beabsichtigte gar nicht seinen Arbeitgeber zu wechseln, obwohl ihm von diversen Headhuntern immer wieder gute Angebote unterbreitet wurden.

 

***

 

JPs Privatleben war extrem ausgefüllt und die meisten Abende, Wochenenden und Urlaubstage waren total verplant. Seine Hobbys Fliegenfischen und Badminton forderten ihren entsprechenden zeitlichen Tribut, seine große Familie, Verwandtschaft und Freunde beanspruchten den Rest der freien Zeit.

Das Projekt „Freundin finden“ hatte sich positiv entwickelt, zumindest was JPs Hormonüberschuss anging. Alle ehemaligen Defizite waren diesbezüglichen voll ausgeglichen. Im Gegenteil, in diesem Punkt hatte er es sogar übertrieben, indem er in letzter Zeit das Wort „locker“ in Bezug auf eine Freundin neu definiert und in „sehr locker“ umgewandelt hatte. Ganz konkret hatte er im Moment drei „Eisen im Feuer“, die er von Zeit zu Zeit „heiß schmiedete“ und sich schon mal daran „die Finger verbrannte“. Einige seiner Freundinnen nahmen diese „lockere Beziehung“ auch schon mal viel ernster als JP, und dann musste er schnell und unschön die Reißleine ziehen und die Affäre beenden. Das war ihm immer sehr unangenehm und er hasste sich dafür. Andererseits hatte er dann auch endlich mal etwas Zeit für sich, sei es auch nur um sich mal wieder richtig auszuschlafen. Aber die Verschnaufpause hielt immer nicht lange an, zu reichlich waren seine Chancen in der Damenwelt und zu konkret kamen die Angebote der Interessentinnen. Er konnte dann einfach schlecht „Nein“ sagen. Dennoch fühlte er sich jedes Mal schuldig und schmutzig, zumal er immer von vornherein ehrlich in seiner Ernsthaftigkeit und Bereitschaft für eine feste Beziehung war. Aber was soll´s, JP war 28 Jahre, wenn er sich jetzt nicht austobte, wann dann?

Ohne Skrupel
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