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»Die Frage ist, kommen wir ins Geschäft?« Rich zog die langen Samtvorhänge am Erkerfenster der Hotelsuite zu und lud Bradford ein, an einem runden Tisch Platz zu nehmen. James nahm eine Flasche Mineralwasser aus der Minibar und reichte sie dem Leibwächter, der immer noch auf dem Boden saß. Er nahm sie widerwillig, spülte sich mit einem Schluck Wasser den Mund aus und spuckte Blut auf den Teppich.
»Wo hast du denn diese Tricks gelernt?«, wollte er wissen, als ihm James aufhalf.
»Mein Vater war Champion im Thai-Kickboxen«, log James. »Er hat mir so was schon beigebracht, da konnte ich noch kaum laufen.«
»Ich hätte dich fertiggemacht, Junge«, sagte der Mann mit einem halben Lächeln und starrte auf seinen ausgerenkten Daumen. »Aber so was hab ich nicht erwartet.«
James wollte keinen weiteren Streit vom Zaun brechen, aber es ärgerte ihn, dass genau der Kerl, der ihn eben noch von oben herab behandelt hatte und mit einer Waffe bedrohen wollte, jetzt einen auf Kumpel machte.
»Diese ganzen Telefonate, diese Geheimnistuerei«, sagte Bradford und sah Rich über den Tisch hinweg an. »Sie haben was von einem Versteck mit russischen Waffen verlauten lassen.«
Rich nahm ein paar Eiswürfel und ließ sie in sein Whiskyglas fallen, dann nickte er. »Es schwirrt immer noch eine Menge IRA-Zeug herum. Aber ich kann Ihnen auch Besseres besorgen: Plastiksprengstoff aus Osteuropa, italienische Granaten, israelische Maschinengewehre … Der Haken daran sind allerdings die Kosten. Der Karre nach zu urteilen, mit der Sie gekommen sind, schwimmen Sie und ihre kleine Anarchistenbande nicht gerade in Geld.«
Jetzt wurde das Gespräch richtig interessant, aber dennoch musste James seiner wichtigsten Aufgabe nachkommen und irgendwo in Richs persönlichen Sachen ein Ortungsgerät anbringen. Sie mussten etwas über Richs Organisation erfahren, sonst wäre seine Verhaftung ebenso effektiv, wie Unkraut am Stiel abzupflücken: Wenn man die Wurzel nicht erwischte, wuchs es ganz einfach wieder nach.
»Kann ich mal aufs Klo?«, fragte James unvermittelt.
Rich wandte sich lächelnd um. Offensichtlich fand er den grünhaarigen Schläger amüsant.
»Bitte sehr«, erlaubte er.
»Aber nicht die Tür abschließen«, warnte der Leibwächter.
Keine ideale Voraussetzung. Aber nachdem James die Tür zugestoßen hatte, klemmte er eines der feuchten Handtücher unter den Spalt, sodass sie zumindest nicht so leicht zu öffnen war. Er klappte den Toilettensitz hoch und blickte sich beim Pinkeln um. In der Duschkabine sah es chaotisch aus. Aber immerhin standen Richs Toilettenartikel in greifbarer Nähe auf den Regalen.
Nachdem er seinen Reißverschluss wieder geschlossen hatte, drehte er den Wasserhahn auf. Doch anstatt sich die Hände zu waschen, warf er einen Blick über die Schulter, um sicherzugehen, dass Richs Leibwächter ihn nicht beobachtete. Erst dann holte er ein winziges Ortungsgerät aus seiner Jeans.
Die drei Zentimeter große Scheibe war etwa so dick wie eine CD. Sie war zwar nicht sonderlich auffällig, hatte aber auch keine Ähnlichkeit mit irgendetwas und musste deshalb versteckt werden, zum Beispiel im Futter eines Koffers oder im Batteriefach eines Elektrogeräts.
James musterte Richs Kulturbeutel, der ausgeklappt am Rasierspiegel hing, stellte aber enttäuscht fest, dass alle Fächer darin aus losem Nylonnetz waren, hinter dem man nichts verstecken konnte.
Je länger James brauchte, desto größer war die Gefahr, dass der Leibwächter misstrauisch wurde. Er wollte schon fast aufgeben, als ihm das Rasierzeug ins Auge fiel.
Rich benutzte einen Nassrasierer mit traditionellem Pinsel und teurer Rasierseife, die in einer Plastikdose lag. James nahm die Dose an sich und öffnete sie, während er sich zur Tür zurückzog. In dieser Position konnte der Leibwächter ihn nicht sehen, und wenn er die Tür aufstieß, würde er sie James in den Rücken rammen und ihm so zwei oder drei Sekunden Zeit verschaffen, in der er seine Tat vertuschen konnte.
Aufgrund des laufenden Wasserhahns hörte er nichts von dem Gespräch am Tisch, aber er wurde nervös, als er einen Halbsatz von Bradford aufschnappte und merkte, dass dessen Stimme hoch und angespannt klang.
James arbeitete fieberhaft und drückte auf das runde, fast neue Seifenstück, sodass es herausfiel. Dann zog er das Klebeband von beiden Seiten des Ortungsgeräts, befestigte es auf dem Boden der Plastikdose und legte die Seife wieder zurück.
Es war ein nahezu ideales Versteck: Wahrscheinlich würde Rich die Seife nicht bis zum letzten Rest aufbrauchen und das Gerät daher nie bemerken – und selbst wenn, dann glaubte er hoffentlich, dass die Scheibe zur Verpackung gehörte und die Seife fixieren sollte.
Als James ins Zimmer zurückkehrte, beachtete ihn niemand. Der Leibwächter saß am Fußende des Bettes und hielt sich den Daumen, während sich Rich Davis und Chris Bradford über den Tisch hinweg anfunkelten.
»Glauben Sie mir, Bradford«, sagte Rich zornig, »wenn Sie teures Spielzeug haben wollen, brauchen Sie Geld. In welchem Wolkenkuckucksheim leben Sie denn?! Ich würde ja gerne mit Ihnen zusammenarbeiten, aber jede erfolgreiche Terrororganisation muss zwei Arme haben: einen, um Geld zu beschaffen, und einen, um es auszugeben.«
»Ich bin kein Bankräuber«, erklärte Bradford fassungslos. »Und kein Betrüger. Und ich laufe bestimmt nicht rum und erpresse Geld von Händlern und Ladenbesitzern.«
»Und wie soll das dann funktionieren?«, wollte Rich wissen. »Ich hasse die britische Regierung noch genauso wie früher. Ich kann genügend Waffen beschaffen, damit Sie loslegen können. Aber ich bin kein Milliardär. Und ohne Geld können wir die SAG niemals zu einer ernsthaften Bedrohung ausbauen. Sie haben begeisterte junge Anhänger wie diesen James hier. Ich habe dreißig Jahre Erfahrung darin, Geld für Terrorgruppen zu beschaffen und überdies noch Kontakte zur Rüstungsindustrie, mit deren Hilfe ich Ihnen alles besorgen kann, was Sie für Ihren Job brauchen.«
»Ich bin nicht hier, um mir einen Partner zu suchen«, erklärte Bradford bestimmt.
»Und was wollen Sie dann hier?«, fragte Rich wütend. »Almosen?«
Bradford zuckte mit den Achseln.
»Wahrscheinlich hatte ich gehofft, dass Sie unsere Sache einfach unterstützen.«
»Sie erwarten also von mir, dass ich Ihnen eine Ladung Waffen übergebe und Ihnen sage, Sie sollen damit losziehen und tun und lassen, was Ihnen gefällt?«
Bradford senkte den Kopf und legte die Hände an die Schläfen.
»Ich weiß nicht genau, was ich von Ihnen erwartet hab, Rich«, sagte er. »Aber ich bin nicht drauf aus, Banken zu überfallen. Und ich brauche sicher keinen Partner.«
»Gut«, erklärte Rich in einem Tonfall, der nur zu deutlich machte, dass es genau das nicht war. »Es ist sinnlos, immer wieder dasselbe zu sagen. Offensichtlich gibt es keine gemeinsame Basis für eine Zusammenarbeit.«
Er sah erst auf die Uhr und dann zu seinem Leibwächter hinüber, der immer noch am Fußende des Bettes kauerte, und befahl ihm verärgert: »Pack meine Sachen, es gibt keinen Grund mehr, länger hierzubleiben.«
Bradford strotzte normalerweise vor Selbstbewusstsein. Und normalerweise war er derjenige, der die Befehle gab. Aber jetzt hatte er die Ellbogen auf den Tisch gestützt und machte aus seiner Enttäuschung keinen Hehl. Er wollte die SAG unbedingt zu einer Terrororganisation machen – und Rich war seine einzige realistische Chance gewesen.
»Sie können jetzt gehen, Mr Bradford«, verwies ihn Rich bestimmt. »Ich muss ein privates Telefongespräch führen.«
James öffnete die Tür der Suite mit düsterem Blick, aber innerlich jubelte er: Er hatte das Ortungsgerät angebracht, mit dem der MI5 Richs Bewegungen nachvollziehen konnte, bis die winzige Batterie darin leer war; mit dem Angriff auf den Leibwächter hatte er Bradford gegenüber seine Loyalität mehr als deutlich bewiesen; und die Tatsache, dass die Verhandlungen abgebrochen worden waren, bedeutete, dass die SAG so schnell keine Chance hatte, sich ein Waffenarsenal für Terroranschläge zuzulegen.
Als er den dicken grünen Teppich vor der Hotelsuite betrat, sah er den Gang entlang – und entdeckte im Treppenhaus eine Polizistin in voller Schutzkleidung, die sich schnell versteckte. So schnell, dass James sich fast einreden konnte, er habe sie sich nur eingebildet. Aber als er neben Bradford den Gang entlang ging, blickte er sich nervös um.
»Was ist denn schiefgelaufen?«, fragte James angespannt.
»Ich bin kein Idiot«, stieß Bradford hervor. »Ich weiß, dass wir Geld brauchen, aber ich glaube nicht, dass Rich überhaupt an einer Partnerschaft interessiert wäre. Ich glaube, er will am Ende derjenige sein, der am längeren Hebel sitzt.«
»Wahrscheinlich hast du recht«, sagte James nachdenklich.
Im selben Moment schlugen auf dem Gang zwei gegenüberliegende Türen auf.
»Polizei! Stehen bleiben!«
Von der Feuertreppe am Ende des Ganges strömten noch mehr Polizisten herbei.
»Scheiße«, schrie Bradford.
James fiel aus allen Wolken. Das hier gehörte zu keinem Plan, den er kannte. Was war in den zweieinhalb Stunden seit seinem Gespräch mit dem Einsatzleiter passiert?