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Mit leisem Gurgeln und einem Luftblasenstrom verschwand Kevins Pisse in der frisch installierten Öko-Toilette. Kevin war schon ein paar Mal in James′ Zimmer gewesen, allerdings noch nie in seinem Bad. Es war irgendwie komisch, sich in James′ ganz privatem Bereich aufzuhalten. Und zugleich ziemlich spannend.
Der große Unterschied zwischen einem Elf- und einem Sechzehnjährigen war, so überlegte Kevin beim Händewaschen, dass man mehr Zeug brauchte. In seinem eigenen Badezimmer gab es gerade mal Shampoo, Seife, Zahnpasta und eine Tube Haargel, das er bis jetzt ganze zwei Mal benutzt hatte. Aber bei James standen ungefähr fünfzig Flaschen herum, von Rasierschaum und Anti-Aknecreme bis zu teuren Aftershaves. Sogar eine Haartönung war darunter. Anscheinend hatte auch Dana haufenweise Sachen hier. Und zu seiner größten Freude entdeckte Kevin auf dem Regal eine Schachtel mit »48 gemischten Kondomen«.
Kevin konnte mit Mädchen nichts anfangen. Noch nicht. Ihm war klar, dass sich das bald ändern würde und der Gedanke an Sex faszinierte ihn. Kondome kannte er bisher nur aus der Werbung. Also trocknete er sich schnell die Hände an einem schmutzigen Handtuch ab, warf einen vorsichtigen Blick aus der unverschlossenen Badtür und zog dann eines der kleinen Tütchen aus der Schachtel. Es juckte ihn in den Fingern, die kühle Folie aufzureißen.
Aber er musste sich beeilen, er musste nach unten, um Rat und die anderen einzuholen. Ob er das Kondom einstecken sollte, um es sich später in seinem Zimmer in Ruhe anzusehen? Aber er hatte noch nie in seinem Leben etwas gestohlen und auch nicht die Absicht, ausgerechnet jetzt damit anzufangen.
Gerade als Kevin das Kondom wieder in die Schachtel zurückfallen ließ, knallte plötzlich die Tür zu James′ Zimmer auf. Er zuckte zusammen und sein Daumen verfing sich in der Schachtel, die prompt von dem schmalen Regal fiel. Mehrere Dutzend glänzende Folienpäckchen verteilten sich im Waschbecken und auf dem Boden.
Auf der anderen Seite der Wand, keine drei Schritte entfernt, hörte Kevin zwei Personen. Zuerst erkannte er die tiefe Stimme des sechzehnjährigen Michael Hendry.
»Was hat James gemeint? Wo ist dein Trainingsanzug?«
»Unter dem Bett«, antwortete James′ Freundin Dana.
Während sie sprachen, rutschte Kevin leise auf den Knien herum, um die verstreuten Kondome wieder in die Schachtel zu packen. Er wurde rot bei dem Gedanken, ertappt zu werden. Natürlich würde er auf unschuldig machen und sagen, dass er die Schachtel beim Händewaschen versehentlich umgestoßen habe, doch er wusste, dass eine solche Story zu allen möglichen wilden Gerüchten auf dem Campus führen konnte.
»Da ist sie ja«, sagte Dana und zog ihre Trainingsjacke unter dem Bett hervor, gerade als Kevin das letzte Kondom aus dem Waschbecken fischte.
Als er fertig war, sah er in den Spiegel. Seine Wangen waren gerötet und er fand, dass er ziemlich schuldbewusst aussah.
»Was machst du jetzt?«, fragte Dana.
»Meine Schulter tut mir noch vom Dojo gestern weh«, erwiderte Michael. »Vielleicht gehe ich an den Pool. Eine halbe Stunde in der heißen Wanne wäre vielleicht nicht schlecht.«
Danas Stimme wurde weicher. »Wenn du dein Shirt ausziehst, könnte ich sie vielleicht gesundküssen«, sagte sie neckisch.
Kevin war schockiert. Eigentlich hätte er sich gerne so schnell wie möglich verdrückt. Aber jetzt war er schon viel zu lange da und hatte zu viel gehört, um sich noch bemerkbar zu machen.
»Du krankes Huhn!«, sagte Michael und lachte tief. »Du willst mich anmachen? Hier, im Zimmer von deinem Freund?«
»Ich pfeif auf James Adams«, behauptete Dana. »Glaubst du, er hätte mich nie betrogen? Wahrscheinlich macht er jetzt gerade mit irgendeiner Anarchistentussi rum.«
»Das ist hart«, lachte Michael. »Aber ich hab ein schlechtes Gewissen wegen Gabrielle. Sie ist einfach total lieb.«
»Na ja«, meinte Dana. »Aber wir sind sechzehn. Wenn man da nicht mal ein bisschen Spaß haben darf …«
Ein leises Gurren, dann quietschende Bettfedern. Kevins Herz schlug ihm bis zum Hals, als er einen Blick durch den Türspalt wagte. Michael trat gerade seine Schuhe weg, während Dana auf James′ Bett saß und sich ihr schwarzes CHERUB-T-Shirt über den Kopf zog.
»Wow, du bist verdammt sexy«, stellte Michael bewundernd fest, während er selbst seinen Oberkörper entblößte und Kevin seinen ziemlich hässlich verpickelten Rücken präsentierte.
Sobald der Schreck nachließ, begann Kevin, den Spaß an der ganzen Sache zu sehen. Das gab eine irre Geschichte für seine Freunde. Das Problem war nur, dass ihm niemand glauben würde. Er tastete in seine Hosentasche und zog erfreut sein Handy hervor.
Schnell tippte er sich durch das Menü, bis er absolut sicher war, dass er den Blitz und das kleine Kamerageräusch ausgeschaltet hatte. Dann hockte er sich hin und zielte mit dem Handy um die Türecke.
Michael und Dana lagen mit nacktem Oberkörper auf James′ Bett, knutschten wild herum und schienen durchaus dazu bereit, noch weiter zu gehen. Nervös schoss Kevin zwei Bilder und sah sich das Ergebnis auf dem Display an. Die Aufnahmen waren zwar unscharf, zeigten aber trotzdem deutlich genug, wer das war und was dort vor sich ging.
Gerade als er das Handy wieder einstecken wollte, begann es zu klingeln. Kevin zuckte zusammen. Ausgerechnet den Klingelton hatte er vergessen, auf lautlos zu stellen! Rats Name leuchtete auf dem Display auf. Klar, er wollte bestimmt hören, wo Kevin abblieb.
»Ist das dein Handy?«, fragte Dana nebenan und ließ Michael los.
»Hört sich an, als käme es aus dem Bad. Aber das von James kann′s nicht sein«, überlegte Michael. »Wenn er es vergessen hätte, wäre der Akku mittlerweile leer.«
Er ging zum Bad, wo Kevin sich verzweifelt zur Toilette zurückgezogen hatte, mit einer Hand die Spülung betätigte und mit der anderen das Handy ans Ohr hielt.
»Hi Rat«, sagte er so beiläufig wie möglich, als Michael hereinkam.
»Was soll das denn, Kleiner?«, dröhnte Michael.
Sein nackter Oberkörper war muskelbepackt, aber das konnte Kevin nicht einschüchtern, schließlich hatte er selbst schon die Grundausbildung hinter sich gebracht. Er winkte Michael mit einem Bin-gleich-für-dich-da- Ausdruck zu und sprach ungerührt weiter.
»… tut mir leid, Rat. Ich hab mir nur die anderen Turnschuhe angezogen, aber ich musste noch aufs Klo. Wir treffen uns in zwei Minuten unten am Hintereingang!«
Er steckte das Handy ein und erklärte Michael: »Bei mir drüben ist der Klempner.«
»Ach ja.« Michael wirkte verunsichert. Er machte sich offensichtlich Sorgen darüber, dass dieser Elfjährige etwas gehört haben könnte, was er nicht hätte hören sollen.
Kevin bemühte sich auch weiterhin um eine coole Fassade. »Und was machst du hier so in James′ Zimmer?«
»Oh… na ja… ich hab nur das T-Shirt gewechselt, weißt du? James hat gesagt, ich könne mir eines von seinen leihen.«
»Cool«, fand Kevin. »Schließ nächstes Mal besser die Tür ab«, riet ihm Michael.
Kevin zuckte mit den Schultern. »James ist auf einer Mission, deshalb dachte ich, das wär nicht nötig.«
Um es möglichst glaubhaft erscheinen zu lassen, dass er die ganze Zeit über auf dem Klo gesessen hatte, ging er jetzt zum Waschbecken und wusch sich schnell die Hände.
»Jedenfalls muss ich jetzt nach unten, um mit den anderen Jungs Steinschleuder zu üben.«
Und mit diesen Worten sauste Kevin aus dem Bad, trocknete sich die Hände an der Hose ab und warf Dana ein beiläufiges »Hi!« zu. Dana hatte zwar inzwischen ihr T-Shirt wieder an, aber unter der Bettdecke baumelte verräterisch ein Träger ihres BHs hervor.