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Das niedrige, schlanke Wasserfahrzeug sieht in etwa wie ein wassertüchtiges Kampfmotorrad aus und hat die gleiche Verkleidung und Hardpoint-Anordnimg wie eine Harley Electraglide 1000 in der Ausführung als gepanzertes Streifenmotorrad. Das grundlegende Design mag sich nicht sehr von meinem alten Bombardier WaveRunner unterscheiden, aber ebensogut könnte man sagen, Ravens Merlin unterscheidet sich nicht sehr von einem Eagle Kampfflugzeug, weil beide Flügel haben. Dieser Watersport - der in einem gemein aussehenden Schwarz gestrichen ist - hat eine ganz andere Geometrie. Tatsächlich ist alles viel schlanker und stromlinienförmiger als bei meinem alten Spielzeug. Sogar am Dock vertäut sieht er verdammt schnell aus.

Schnell genug, um den Otter zu erwischen? Wir werden sehen.

Ich werfe mir mein Sturmgewehr über die Schulter und schwinge mich auf den Watersport. »Spring auf«, sage ich zu Argent, während ich nach dem Anlasser suche.

»Auf dieses Ding?«

Bei jeder anderen Gelegenheit hätte ich mich über seinen Gesichtsausdruck halb totgelacht. Jetzt nicht. »Sag jetzt nicht, du hast Angst, auf den verdammten Schlitten zu steigen«, knurre ich.

Der Runner hat sich immer noch nicht von der Stelle gerührt. »Weißt du, wie man so ein Ding fährt?«

»Natürlich weiß ich das«, schnappe ich. »Und jetzt spring endlich auf, verdammt!«

Ich höre ihn seufzen, und er schultert seine Kanone. Das Heck des Watersport sinkt beunruhigend tief ins Wasser, als er sich sachte auf den hinteren Teil der Sitzbank niederläßt. »Neben dem Sitz müßten Hand-griffe sein«, sage ich, ohne mich umzudrehen. Während er nach ihnen sucht, begutachte ich das Armaturenbrett. Ganz anders als bei meinem alten WaveRun-ner, das kann ich Ihnen sagen. Dieses Ding hat Instrumente, um Himmels willen - Tachometer, Öldruckmesser, Temperatur- und Treibstoffanzeige. Bei meinem alten Spielzeug bestand die einzige Möglichkeit, die Geschwindigkeit zu messen, darin abzuschätzen, wie stark man durchgeschüttelt wurde, wenn man eine Welle traf, und daß der Treibstoff zur Neige ging, ließ sich auch nur feststellen, wenn der Motor anfing zu stottern. Zumindest stimmen Lenkung und Gaszug überein. Ich muß nur daran denken, die Finger von den Feuerknöpfen für die beiden mittelschweren Maschinengewehre zu lassen, bis ich mich wieder eingewöhnt habe.

Ich drücke auf den Anlasser, und der Motor kommt sofort, ein glattes, turbinenartiges Heulen unter meinem Hintern. Ich werfe einen Blick auf die Instrumente - alles im grünen Bereich - Tank fast voll - und überzeuge mich noch einmal, daß ich alle Halteleinen losgemacht habe.

»Halt dich fest«, sage ich zu Argent, und ich drehe am Gasgriff.

Zu stark. Der Watersport schießt so abrupt vorwärts, daß mir fast der Kopf vom Hals gerissen wird. Ich halte mich krampfhaft an den Griffen fest, um nicht heruntergeschleudert zu werden, und ein Finger drückt auf einen Abzug. Das rechte MG hämmert eine kurze Salve hinaus und besorgt es dem anderen Watersport, der ein paar Meter vor uns vertäut ist, während ich gleichzeitig spüre, wie sich zwei Metallhände in meine Schultern krallen. Ich nehme das Gas zurück, und der Schub läßt nach. »Tut mir leid«, murmle ich.

Argents Griff um meine Schultern lockert sich nur zögernd. »Du hast doch gesagt, du wüßtest, wie man dieses Ding fährt!« faucht er mich an.

»Ich bin etwas eingerostet, okay? Und benutz die verdammten Handgriffe!«

Diesmal gebe ich vorsichtiger Gas. Der kleine Schlitten schießt vorwärts und nimmt praktisch sofort Geschwindigkeit auf. Kleine Wellen schlagen gegen den Rumpf, und ich erhebe mich etwas vom Sitz, um die Erschütterungen in den Oberschenkeln und nicht im Hintern abzufedern. Ich werfe einen Blick auf den Tacho. Wir sind bereits bei vierzig Stundenkilometern angelangt - dicht unterhalb der Höchstgeschwindigkeit meines alten WaveRunner -, und ich fahre längst nicht mit Vollgas. Entweder hat die Tech seit meiner Kindheit drastische Fortschritte gemacht, oder ich fahre einen besonders frisierten Schlitten - oder vielleicht auch beides. Wie auch immer, es spielt eigentlich keine Rolle. Ich drehe das Gas weiter auf. Der Wind peitscht mein Gesicht, und die Gischt besprüht mein Visier. Plötzlich wird mir klar, daß ich wild grinse wie ein Bandit. »Jaaaa!« heule ich in den Fahrtwind.

Der Watersport geht ab wie eine Rakete - laut Tacho fast siebzig - und fühlt sich unter mir an, als sei er lebendig. Ich fahre ein paar schnelle Kurven, um die Manövrierfähigkeit auszutesten. Dieses Baby ist viel behender als alles, was ich je zuvor gefahren bin, aber das ist keine Überraschung. Geringste Gewichtsverlagerungen und minimale Lenkbewegungen reichen, um enge Kurven zu fahren und einen Wasservorhang auf der Außenseite der Kurve aufzuwirbeln. Mir fällt alles wieder ein, all die Techniken, um ein Maximum an Leistung aus dem Gerät herauszuholen. Meine Muskeln scheinen sich daran zu erinnern, als sei es gestern gewesen. Eine leichte Vorwärtsverlagerung des Gewichts, um den Bug ein wenig tiefer ins Wasser zu drücken und den Seitenhalt in Kurven zu maximieren. Eine leichte Rückwärtsverlagerung, um den Bug etwas höher zu nehmen, so daß der Schlitten besser über die Wellen fliegt. Argents Gewicht hinter mir ist wie ein Sack Kartoffeln, ein Hemmnis, obwohl er langsam ein Gefühl dafür bekommt und sich mit mir in die Kurven legt, anstatt zu versuchen, sie auszugleichen. Wahrscheinlich spielt es sowieso keine große Rolle. Der Schlitten läuft wie geschmiert, hüpft geradezu über das Wasser, fliegt bei der kleinsten Welle meterweit durch die Luft.