Daniel25,2

Zwei Wochen nach meiner Ankunft starb Fox kurz nach Sonnenuntergang. Ich lag auf dem Bett, als er sich näherte und mühsam versuchte heraufzuklettern; er wedelte nervös mit dem Schwanz. Von Anfang an hatte er nicht ein einziges Mal seinen Freßnapf angerührt; er war stark abgemagert. Ich half ihm, sich auf mich zu legen; ein paar Sekunden blickte er mich mit einer seltsamen Mischung aus Erschöpfung und der Bitte um Verzeihung an; dann legte er mir besänftigt den Kopf auf die Brust. Sein Atem wurde langsamer, er schloß die Augen. Zwei Minuten später tat er seinen letzten Atemzug. Ich begrub ihn innerhalb des Geländes der Residenz in der westlichen Ecke der Umzäunung, neben seinen Vorgängern. Nachts kam ein Schnelltransporter aus Central City und lieferte mir einen identischen Hund; die Fahrer kannten den Code für das Tor und dessen Funktionsweise; ich stand nicht auf, um sie zu empfangen. Ein kleiner weißer, nicht reinrassiger Hund mit rotbraunen Flecken kam schwanzwedelnd auf mich zu; ich gab ihm ein Zeichen. Er sprang aufs Bett und streckte sich neben mir aus.

Die Liebe läßt sich leicht definieren, aber in der Aufeinanderfolge der Lebewesen kommt sie nur selten zustande. Mit den Hunden huldigen wir der Liebe und ihrer Möglichkeit. Was ist ein Hund schon anderes als eine Liebesmaschine? Man stellt ihm einen Menschen vor mit dem Auftrag, ihn zu lieben — und egal wie häßlich, pervers, verunstaltet oder dumm dieser auch sein mag, der Hund liebt ihn. Dieses Phänomen war so überraschend und so verblüffend für das ehemalige Menschengeschlecht, daß die meisten Menschen — alle Zeugnisse stimmen darin überein — diese Liebe ihren Hunden gegenüber erwiderten. Der Hund war also eine Liebesmaschine mit Umkehreffekt — deren Wirksamkeit sich allerdings auf Hunde beschränkte und nie auf andere Menschen übertrug.

Kein Thema wird in den Lebensberichten wie auch in dem literarischen Korpus, den sie uns hinterlassen haben, so oft angeschnitten wie die Liebe; sowohl homosexuelle als auch heterosexuelle Liebe werden angesprochen, ohne daß wir bis jetzt einen nennenswerten Unterschied entdecken konnten; kein anderes Thema war so umstritten und so heiß diskutiert worden, vor allem in der Endphase der Menschheitsgeschichte, einer Epoche, in der die stimmungsmäßigen Schwankungen hinsichtlich des Glaubens an die Liebe konstant und schwindelerregend wurden. Kein anderes Thema scheint die Menschen derart beschäftigt zu haben; im Vergleich dazu verlieren in den Lebensberichten selbst das Geld und die Befriedigung durch Kampf und Ruhm an dramatischer Kraft. Die Liebe scheint für die Menschen der letzten Periode zugleich ein Höhepunkt und eine Unmöglichkeit, Gegenstand des Bedauerns und der Verehrung gewesen zu sein, kurz gesagt, der Brennpunkt, in dem sich alles Leid und alle Freude vereinigen konnten. Der schmerzhafte, abgehackte Lebensbericht von Daniel1, der oft hemmungslos sentimental und dann wieder ausgesprochen zynisch ist und voller Widersprüche steckt, ist in dieser Hinsicht beispielhaft.