VII.

Als Heimsburg die mit vier Pferden bespannte Kutsche sah, die sich von einem Dutzend Reiter eskortiert die Auffahrt zur Burg hochquälte, hätte er seine Enttäuschung am liebsten weit über das Land gebrüllt. Er brauchte nicht zu warten, bis er das Wappen auf dem Schlag erkennen konnte, um zu wissen, dass es sich um Harlau und dessen Männer handelte. Seit Harlau seine Gemahlin vor gut zwei Monaten hierhergebracht und eingesperrt hatte, war er nicht mehr hier gewesen. Doch ausgerechnet an diesem Abend, nur wenige Stunden bevor Gibichen und seine Männer die Gräfin, Birkenfels und damit auch ihn befreien wollten, musste der Graf hier auftauchen.

In seiner ersten Verzweiflung überlegte Heimsburg, ob er Harlau von der geplanten Befreiungsaktion berichten und so tun sollte, als hätte er Fabians Freunden eine Falle gestellt. Da Harlaus Getreue in der Burg jedoch nichts davon wussten, war es dafür zu spät. Außerdem würde es an seiner eigenen Situation nicht das Geringste ändern, denn auch in dem Fall wäre er für den Grafen nicht mehr als ein höchst überflüssiger Zeuge.

Als das Tor geöffnet wurde und die Kavalkade einritt, trat der Anführer der Burgknechte auf die Kutsche des Grafen zu und öffnete den Schlag.

Harlau stieg mit angespannter Miene aus. »Ich hoffe, meine Gemahlin und ihr Gast befinden sich wohl!«

Die Ironie in seiner Stimme war nicht zu überhören. Die Zeit, die seit der Einkerkerung der Gräfin vergangen war, mochte den heißesten Zorn des Grafen gedämpft haben, aber nicht seine Rachegelüste. Das zeigte sich deutlich, als er den Palas betrat. Er griff sofort nach einer Laterne und stieg noch in Reisekleidung die Treppe hinab, die zu den Vorratsräumen und weiter zum Kerker führte. Heimsburg war ihm wie die Knechte bis zum Treppenabsatz gefolgt und zwischen den Männern stehen geblieben, so als gehöre er dazu.

Nach ein paar Stufen drehte der Graf sich lächelnd zu ihm um. »Wollt Ihr Euren Feind nicht in seinem Elend sehen?«

Heimsburg fragte sich, ob Harlau ihn in eine Falle locken wollte, um ihn ebenfalls unten einzukerkern. Wohl oder übel musste er dessen Spiel mitmachen, und während er mit stockenden Schritten in die Tiefe stieg, nahm er sich vor, auf der Hut zu sein.

Der Graf sprühte schier vor guter Laune, witzelte über die beiden Gefangenen und schlug Heimsburg lachend auf die Schulter. »Ob die zwei es mir danken werden, dass ich ihnen die Gelegenheit gegeben habe, zusammen zu sein? Oder werden wir sie nach all den Wochen zermürbt und in bittere Feindschaft verfallen vorfinden?«

Heimsburg schüttelte es innerlich, doch da Harlau auf Antwort zu warten schien, verzog er die Lippen zu etwas, das einem Grinsen ähnlich kommen sollte. »Wahrscheinlich werden sie einander herzlich überdrüssig geworden sein!«

»Das nehme ich auch an!« Der Graf legte die letzten Stufen zurück und begrüßte den Wärter. »Nun, mein Guter, hast du brav auf meine Gäste achtgegeben?«

Der Kerkermeister nickte mit unbewegter Miene. »Die Metze und ihr Liebhaber leben beide noch!«

»Vorsicht, mein Guter! Ich wünsche in Bezug auf meine geliebte Gemahlin keine solchen Ausdrücke zu vernehmen!«

Harlaus Worte klangen so scharf, dass der Mann den Kopf einzog. »Verzeiht, Erlaucht! Es soll nicht wieder vorkommen.«

Harlau brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Öffne die Tür und bring Licht!«

Der Wärter zündete eine Fackel an und zog hastig die Riegel zurück. Heimsburg hielt sich hinter Harlau, der seinem Knecht in den Kerker folgte. Drinnen roch die Luft frischer, als es zu erwarten gewesen war. Fabian und Stephanie hatten sich an die hintere Wand zurückgezogen und hielten sich mit je einem Arm umschlugen, während sie mit der freien Hand die Augen vor der plötzlichen Helligkeit zu schützen suchten.

Diese vertraute Haltung erbitterte Harlau, und er hob die Faust, als wolle er die beiden niederschlagen. Fabian schob Stephanie hinter sich und machte Miene, sie zu verteidigen.

Harlau stieß einen Fluch aus, der Stephanie zusammenzucken ließ, trat aber nicht weiter auf seine Gefangenen zu, sondern blieb mitten im Raum stehen. »Welch ein rührendes Bild! Mein Weib schiebt einen so dicken Bauch vor sich her, dass es sich kaum mehr zu rühren vermag, und ihrem Galan sieht man den Lumpen an, der er schon immer war. Ich hoffe, ihr beiden habt euch gut unterhalten.«

Stephanies Augen hatten sich inzwischen an das Licht gewöhnt. Nun trat sie vor und blickte ihrem Ehemann direkt in die Augen. »Mein Herr Gemahl, bitte hört mich an. Ich mag gefehlt haben, und Ihr seid zu Recht zornig auf mich. Aber lasst Eure Wut bitte nicht an dem unschuldigen Kind aus, das ich unter dem Herzen trage.«

»Glaubt Ihr etwa, ich würde diesen Sündenbalg aufziehen und sogar als meinen Sohn und Erben anerkennen? O nein, meine Liebe! Andere mögen sich vielleicht mit einem Kuckuck in ihrem Nest abfinden – ich tue es gewiss nicht.«

»Dann gebt das Kind zu braven Leuten, die es als ihr eigenes aufziehen«, flehte Stephanie ihn an.

Harlau begann zu lachen. »Um mich angreifbar oder gar erpressbar zu machen? Ihr phantasiert, meine Liebe! Ich habe mich in Wien von Seiner Majestät mit den Worten verabschiedet, der Geburt meines Erben beiwohnen zu wollen, und in Kürze werde ich als trauernder Witwer in die Kaiserstadt zurückkehren und berichten, dass weder Ihr noch mein Kind die Geburt überlebt hätten.«

Stephanie sah Harlau erschrocken an. »Sollen das Kind und ich auf ewig in diesen Mauern eingesperrt sein?«

Das Lachen ihres Ehemanns hallte nun misstönend von den Wänden des Kerkers wider. »Ich habe mich wohl nicht deutlich genug ausgedrückt. Genau wie der Bastard in Euch werdet Ihr die Geburt nicht überleben, es sei denn, Ihr tötet dieses Kind mit eigenen Händen, und zwar vor meinen Augen.«

»Ihr seid ein Scheusal!«, schrie Fabian auf und machte Miene, auf den Grafen loszugehen.

Harlau zog seinen Degen und grinste. »Es ist mein Recht, mit meiner Gemahlin so zu verfahren, wie es mir beliebt, und nach Euch wird kein Hahn krähen. Doch ich mache Euch einen Vorschlag, Birkenfels. Ich lasse Euch am Leben, wenn Ihr dieses Weib und den Bankert, den sie werfen wird, in meiner Gegenwart erwürgt.«

Fabian stieß einen Schrei aus und stürmte trotz des drohenden Degens auf den Grafen zu. Dieser hob bereits die Waffe zum Stoß, doch Heimsburg sprang vor und rammte Fabian beide Fäuste in den Leib.

»Verdammter Hund! Ein solcher Tod wäre zu gut für dich!«, schrie er ihn an und trat wieder hinter den Grafen zurück.

Dieser wandte sich mit säuerlicher Miene zu ihm um. »Was soll das? Ich hätte diesem Kerl liebend gerne meine Klinge zu kosten gegeben!«

Heimsburg hob beschwichtigend die Hände. »Erlaucht, damit hättet Ihr Birkenfels doch nur einen Gefallen erwiesen. Er soll zusehen, wie dieses Weib ihr Kind zur Welt bringt und dabei krepiert!«

»Damit habt Ihr recht. Vielleicht bringt Birkenfels das Weib doch noch um, damit er selbst am Leben bleiben kann. Ich schwöre, dass ich in diesem Fall keine Hand an ihn legen werde.« Mit diesen Worten drehte Harlau sich um und verließ den Kerker.

Heimsburg trat schnell in den Vorraum, bevor der Kerkermeister die Zelle verlassen konnte, und sah aufatmend zu, wie der Mann die Türe schloss und die Riegel vorlegte. Ein toter oder verletzter Birkenfels wäre seinen Plänen nicht gerade dienlich gewesen, denn er nahm an, dass Irmela von Hochberg vor allem an dem Mann gelegen war. Heimsburg konnte zwar nicht abschätzen, ob in dieser Nacht ein Fluchtversuch möglich war, aber er war bereit, das Äußerste zu wagen.

Die Feuerbraut
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