Fünfundfünfzig

Anna

Der Blick meiner Mutter huscht zwischen mir und der Autobahn hin und her. Ich bleibe regungslos, das Handy an mein Ohr gepresst. Murray Mackenzie redet immer noch, aber ich nehme nichts mehr auf. Wieder wechselt meine Mutter auf die Überholspur, und wir fahren an demselben Paar in dem verbeulten Astra vorbei. Die beiden singen noch vergnügt.

»Miss Johnson? Anna?«

Meine Angst ist zu groß, als dass ich antworten kann. Ich frage mich, ob die Chance besteht, dass meine Mutter nicht gehört hat, was Murray sagte – nicht an meiner Miene abgelesen, was ich gehört habe –, doch der Ausdruck in ihren Augen verrät mir, dass alles vorbei ist.

»Gib mir das Telefon.« Ihre Stimme bebt.

Ich tue nichts. Sag es ihm, schreit es in meinem Kopf. Sag ihm, dass du in einem VW-Polo auf der M25 bist. Sie haben Kameras, Autobahnpolizei, Einsatzkräfte. Sie holen dich.

Doch meine Mutter beschleunigt, wechselt ohne Vorwarnung die Spur, und der Fahrer hinter uns hupt wütend. Der dichte Verkehr, der sich vorhin noch beruhigend anfühlte, macht mir jetzt Angst. Jeder Wagen ist ein potentielles Kollisionsziel. Ellas Autositz, der mir bis eben so stabil erschien, wirkt nun zerbrechlich und unsicher. Ich ziehe den Gurt darum straffer, stelle meinen fester. Murray sagt nichts mehr. Entweder ist die Leitung unterbrochen, oder er hat aufgelegt; dachte vielleicht, dass ich das Gespräch wieder beendet hätte.

»Wer war das in dem Mitsubishi?« Nichts.

»Wer hat uns verfolgt?«, schreie ich, und sie holt Luft, ignoriert meine Frage aber.

»Gib mir das Telefon, Anna.«

Sie ist genauso verängstigt wie ich. Ihre Fingerknöchel sind weiß vor Furcht, nicht vor Wut. Ihre Stimme bebt vor Panik, nicht vor Zorn. Dieses Wissen sollte mich beruhigen, mir Kraft geben, doch das tut es nicht.

Weil sie am Steuer sitzt. Ich gebe ihr das Handy.