Achtundvierzig

Ich war mit Sand in den Socken, Salz auf der Haut und dem festen Entschluss aufgewachsen, dass ich, wenn ich alt genug war, selbst auszusuchen, wo ich leben wollte, es überall, nur nicht am Meer sein sollte.

Es war eines der wenigen Dinge, die wir gemeinsam hatten.

»Ich verstehe nicht, wieso die Leute so versessen darauf sind, am Meer zu leben«, sagtest du, als ich dir erzählte, woher ich kam. »Ich bin durch und durch Stadtmensch.«

Wie ich auch. Geflohen, sobald ich konnte. Ich liebte London. Voller Leben, laut, anonym. Genug Bars, dass es keine Rolle spielte, wenn man aus einer rausflog. Genug Jobs, dass einen zu verlieren bedeutete, am nächsten Tag einen neuen zu finden. Genug Betten, dass aus einem zu steigen, mich nie einsam machte.

Hätte ich dich nicht kennengelernt, könnte ich immer noch dort sein. Du wärst es vielleicht auch.

Wir wären nicht zusammen.

Wir hätten uns nach wenigen Wochen getrennt, auf zu neuen Ufern. Andere Arme, andere Bars.

Ich erinnere mich an den ersten Morgen in Oak View. Du schliefst noch, das Haar zerzaust, der Mund leicht geöffnet. Ich lag auf dem Rücken und kämpfte mit dem Drang abzuhauen. Mit den Schuhen in der Hand die Treppe hinunterzuschleichen und nichts wie weg von hier.

Dann dachte ich an unser ungeborenes Kind. An den Bauch, über den ich mal mit der Hand gestrichen hatte und den ich jetzt nicht mehr anfassen wollte. Stramm wie ein Trommelfell, groß wie ein Wasserball, kettete er mich an dieses Bett. An dieses Leben. An dich.

Fünfundzwanzig Jahre Ehe. Es wäre falsch zu sagen, dass ich die ganze Zeit unglücklich war; genauso falsch wäre zu vermuten, ich sei glücklich gewesen. Wir lebten nebeneinanderher, beide gefangen in einer Ehe, die zu verlassen uns die Konventionen verboten.

Wir hätten mutiger sein müssen. Ehrlicher zueinander. Wäre einer von uns gegangen, hätten wir beide das Leben gehabt, das wir wollten.

Wäre einer von uns gegangen, hätte keiner Blut an den Händen.