32
 
Rule verbrachte den Abend in der Hütte seines Motels. Während die Klimaanlage vor sich hinsummte, versuchte er, in die Köpfe dieser jungen Verbrecher zu kriechen und herauszufinden, wohin sie fahren würden.
Frustrierend. Besonders, was den Rothaarigen anging.
Jedes Mal, wenn er glaubte, einen Weg in sein Gehirn gefunden und ein Gefühl für ihn entwickelt zu haben, schleuderte es ihn wieder hinaus. Sich in dunkle Regionen hineinzuversetzen, war nicht das eigentliche Problem. Tatsächlich war er schon in ein paar wirklich üble Hirne gekrochen. Aber bei diesen Kerlen erwischte er einfach nicht den richtigen Ansatzpunkt.
Etwa um neun erhob er sich und trat hinaus vor die Tür. Marineblaue und schwarze Wolken türmten sich im Osten auf und zogen landeinwärts, mächtige Kriegsschiffe, mit Donner und Regen beladen. Auch in der Luft konnte er es spüren, es riechen. Drüben hockte Lomax immer noch in seinem Abschleppwagen und verwandte keine Mühe mehr darauf, sich zu verstecken. In sein Hirn musste man nicht erst hineinkriechen, ihm standen seine Gedanken ins Gesicht geschrieben. Ein Racheengel. Rule fragte sich, was für eine Waffe der Mann wohl bei sich trug. Oder welche Waffen.
Er trat zurück in sein Zimmer, duschte und legte sich aufs Bett.
Er selbst anstelle der Kerle wäre nach Houston gefahren und dort im Gewimmel untergetaucht. Aber bei ihnen lag die Sache anders. Der Rothaarige spielte mit ihm, versuchte ihn vorzuführen. DeReese war wahrscheinlich einfach mit hineingezogen worden. Und jetzt war vielleicht auch noch ein Mädchen dabei, das sie zusätzlich anspornte und sie erregte wie bei einem abgedrehten Vorspiel.
Trotzdem musste der Rothaarige die Schlüsselfigur sein, da war Rule sicher. Kein Name, nur eine Walther-P 99-Automatik. Eine hübsche Waffe, teuer. Mit großer Durchschlagskraft.
Wahrscheinlich waren sie in Galveston.
Das war nur eine Ahnung, die er einem vagen Gefühl verdankte. In fünfzig Prozent der Fälle waren solche Gefühle die polizeiliche Standard-Ermittlungsmethode, wenn man die Dinge realistisch betrachtete. Das galt auch für seine Erkenntnis, dass sich letztlich alles um den Rothaarigen drehte. Das Alphamännchen. Vergiss DeReese und kriech ins Hirn des Rothaarigen.
Mann, das war ein wirklich finsterer Ort und der Zugang immer noch verwehrt.
Trotzdem musste es eine Akte über ihn geben. Kerle wie der kamen nicht einfach aus dem Nichts. Überall, wo sie auftauchten, hinterließen sie ihre Spuren.
Durch die Jalousie sah er es blitzen, und über ihm grollte der erste Donner. Nun ging es also los. Lomax stand eine weitere unruhige Nacht bevor.
Es war auf jeden Fall besser, wenn er die Kerle als Erster erwischte. Vor Lomax, dieser Ein-Mann-Bürgerwehr.
Er marschierte zum Fernseher hinüber und schaltete Letterman ein, dann legte er sich wieder hin. Dennis Hopper hockte neben dem Tisch vor der Skyline Manhattans und erklärte, was ablief. Letterman fummelte mit einem Bleistift herum, ein dämliches Grinsen im Gesicht. Das Publikum kicherte, als er andeutete, dass Hopper stoned sei. Letterman, ohne eine Miene zu verziehen, pfefferte den Bleistift durchs Glas. Ein klirrendes Geräusch, die Musik setzte ein, und die Kamera schwenkte auf den Glatzkopf am Piano, der grinste und den Kopf verdrehte wie Ray Charles. Schnitt zur Werbung. Großer Matratzenausverkauf bei Quality Discount, kommen Sie gleich vorbei.
Rule war mit den Gedanken woanders. Wieder schoss ihm durch den Kopf, dass er selbst an ihrer Stelle jetzt in Houston wäre. Trotzdem beharrte sein Gefühl auf Galveston. Der Rothaarige hatte allerdings von Corpus gesprochen. Könnte er doch bloß den richtigen Zugang zu diesem Gehirn finden. Verdammt, vielleicht wusste der Rothaarige selbst nicht, wo er hinwollte. Es würde ihn gar nicht überraschen, wenn der Kerl wie er selbst einfach seinem Instinkt folgte.
Er seufzte und faltete das Kissen unter seinem Kopf zu einem Bündel. Jetzt klatschten die ersten Regentropfen aufs Dach der Hütte, groß und unregelmäßig, dann schneller, ein gleichmäßig prasselndes Dröhnen. Auf der anderen Seite des Raumes erzählte ein Komiker im Fernsehen Glühbirnenwitze. Er fragte sich, wie diese Mode wohl aufgekommen war, Glühbirnenwitze.
Dann beschloss er, nach Austin zurückzukehren, falls sich morgen oder übermorgen nichts Neues ergab. Wenn eine Fährte erst kalt wurde, war es sinnlos, sie weiter zu verfolgen. Wenn sie sich verflüchtigt, dann geh nach Hause und warte auf eine neue Spur. Geh nach Hause, mäh den Rasen und entspann dich mit Lefty. Finde raus, ob Katie Interesse an einem Mittagessen hat und geh mit ihr in eines dieser biologischen Restaurants.
Falls sie zu erreichen war. Und falls sie Lust dazu hatte. Vielleicht konnte er ihr von dem Traum erzählen. Wenn Dana anrief, würde er ihr sagen, sie solle sich von ihm fernhalten. Und sie dann bumsen, wenn sie vorbeikam. Und sich anhören, wie Moline jammerte.
So weit war es mit seinem Leben gekommen.
Inzwischen hörte er sich Glühbirnenwitze an und lachte, wenn sie lustig waren.
Haha.
Robbers: Thriller
titlepage.xhtml
dummy_split_000.html
dummy_split_001.html
dummy_split_002.html
dummy_split_003.html
dummy_split_004.html
dummy_split_005.html
dummy_split_006.html
dummy_split_007.html
dummy_split_008.html
dummy_split_009.html
dummy_split_010.html
dummy_split_011.html
dummy_split_012.html
dummy_split_013.html
dummy_split_014.html
dummy_split_015.html
dummy_split_016.html
dummy_split_017.html
dummy_split_018.html
dummy_split_019.html
dummy_split_020.html
dummy_split_021.html
dummy_split_022.html
dummy_split_023.html
dummy_split_024.html
dummy_split_025.html
dummy_split_026.html
dummy_split_027.html
dummy_split_028.html
dummy_split_029.html
dummy_split_030.html
dummy_split_031.html
dummy_split_032.html
dummy_split_033.html
dummy_split_034.html
dummy_split_035.html
dummy_split_036.html
dummy_split_037.html
dummy_split_038.html
dummy_split_039.html
dummy_split_040.html
dummy_split_041.html
dummy_split_042.html
dummy_split_043.html
dummy_split_044.html
dummy_split_045.html
dummy_split_046.html
dummy_split_047.html
dummy_split_048.html
dummy_split_049.html
dummy_split_050.html
dummy_split_051.html
dummy_split_052.html
dummy_split_053.html
dummy_split_054.html
dummy_split_055.html
dummy_split_056.html
dummy_split_057.html
dummy_split_058.html
dummy_split_059.html
dummy_split_060.html
dummy_split_061.html
dummy_split_062.html
dummy_split_063.html
dummy_split_064.html
dummy_split_065.html
dummy_split_066.html
dummy_split_067.html
dummy_split_068.html
dummy_split_069.html
dummy_split_070.html
dummy_split_071.html
dummy_split_072.html