24
Das Motel befand sich am Highway 36 gleich außerhalb
von Freeport, dort, wo die Straße den Brazos überquerte. Über dem
in dieser Gegend flachen und feuchten Delta lag eine Atmosphäre
träger Erwartung, als hätte sich der Fluss schon dem Golf ergeben
und als hoffte das Land, von diesem Verlust zu profitieren. Eine
Erwartung wie so viele: den Bedürfnissen folgend und ohne Rücksicht
auf die Realität.
Inmitten dieser
umnebelten Verwirrung lag das Motel. Das Brazos Motor
Inn.
Er hätte sich in
einem besseren Haus einquartieren können. Sein Spesenkonto ließ
mehr zu, doch er fand dieses uralte Motel mit seinen schäbigen
Backsteinhütten gemütlich, so wie ein altes Flanellhemd der Haut
ein sicheres Gefühl gibt, das ein neues Hemd niemals vermitteln
könnte. Zu jeder der Hütten gehörten ein Carport und eine
Kochnische, ein klemmendes Fenster und ein Fernseher ohne
Kabelprogramme. Zum Warten taugte der Ort so gut wie jeder
andere.
Er brachte sein
Gepäck aufs Zimmer und rief noch einmal in Austin an. Moline war
früh gegangen. Die Labortechnikerin hatte keine Neuigkeiten bis auf
die, dass in Brookshire dieselbe Waffe benutzt worden war wie bei
Bernie Rose. Im Moment arbeiteten sie an den Beweisstücken aus
Manvel.
Rule bat die
Labortechnikerin, ihn anzurufen, sobald sie irgendwelche Ergebnisse
hätten. Dann fragte er: »Was war los mit Moline?«
»Moline? Ihm war
schwindlig, und er musste sich übergeben. Meinte, es könnte die
Grippe sein.« Die Technikerin zögerte einen Moment. »Ehrlich
gesagt, glaube ich, dass seine Frau kurz vorher angerufen hatte.
Sie scheinen Probleme zu haben.«
»Meinen
Sie?«
Rule hängte ein, zog
Hemd und Stiefel aus, löste seinen Gürtel und legte sich aufs Bett.
Seine untere Rückenpartie schmerzte vom vielen Fahren. Eine Stunde
später erwachte er vom Klingeln des Telefons aus einem Traum, an
den er sich nicht erinnern konnte. Es war das Handy, drüben auf dem
Stuhl in seiner Hemdtasche. Er rollte sich vom Bett, meldete sich
und erwartete die Labortechnikerin, doch es war Dana.
»Rule, du gemeiner
Kerl. Wo bist du, Schätzchen?«
»Woher hast du diese
Nummer?«
»Von deiner
Arbeitsstelle. Ich hab ihnen gesagt, ich wäre Sekretärin im
Houstoner FBI-Büro. War das schlimm?«
»Wo bist
du?«
»Zuhause.«
»Wo ist
Moline?«
»Er hat sich mit
einer Flasche in sein Zimmer verkrochen. Keine Angst, ich bin in
der Küche.«
Mit einem Knopfdruck
schaltete Rule das Telefon aus und legte es neben sich aufs Bett.
Nach einem kurzen Augenblick begann es wieder zu
läuten.
»Ja?«
»Verdammt, du kannst
mich nicht einfach abwürgen, Rule. Das ist …«
Er drückte erneut
auf den Knopf. Dann legte er sich hin, einen Arm über dem Gesicht,
und versuchte sich an den Traum zu erinnern. Einzelne Bilder kamen
hoch, die er nach und nach zusammensetzte. Er war in Vietnam und
spielte bei Vollmond während einer Wache Poker. Er aß Bohnen, und
um ihn herum hockten irgendwelche Scheißkerle. Er und Slide
Henderson spielten Stud-Poker, erzählten sich Blödsinn und lachten.
Der Mond schien so hell, dass die Karten das Licht reflektierten.
Dann hörte der Traum abrupt auf und gefror zu einem
Standbild.
Er erhob sich und
ging unter die Dusche. Beide Hände gegen die Fliesen unter der Düse
gepresst, ließ er sich das Wasser den Rücken hinunterlaufen. Er
schloss die Augen und brachte das Standbild in Bewegung. Die
Erinnerung kam zurück. Immer noch Nam. Aber jetzt war er ein
Lieutenant mit braunen Abzeichen, und er lachte nicht mehr. Ob der
Mond voll war oder nicht, konnte er schwer erkennen wegen der
Monsunwolken, aus denen der Regen prasselte, dicker als Öl. Eine
nächtliche Patrouille, in solcher Dunkelheit, dass ihn sein
Gleichgewichtssinn im Stich ließ. Es war so dunkel, dass er sich
auf dem Pfad am Hemd des Vordermanns festhielt, und der Kerl hinter
ihm an seinem. Um nicht zurückzubleiben, um nicht verloren zu
gehen. Das Elefantengras schlug ihm ins Gesicht. Mehr als
mannshohes Gras. Vietcong im Gras, wartend, lauschend. Und dann
kriegte irgendein gedankenloser Kerl ganz hinten plötzlich Panik
und brüllte los: »Verdammte Scheiße! Wo seid ihr, Jungs?« Keiner
bewegte sich. Dann ein Blitz, der grauenvolle Knall einer
Explosion, und wieder fror das Bild ein.
Ein irrsinniger
Traum.
Auf Rules Rücken
dampfte das Wasser. Er fühlte den Regen, die Nacht, das Gras im
Gesicht, den puren Horror der Situation. Einer der Träume, bei
denen man kurz davor ist, den Verstand zu verlieren, und sich
dessen vollkommen bewusst ist.
Es gab nur ein
Problem: Er war nie in Nam gewesen. Genauso wenig wie Slide
Henderson. Slide war ein professioneller Spieler aus Fort Worth,
ein Pokerspieler. Einer, der alles über Chancen und Risiken wusste.
Niemals wäre er nach Vietnam gegangen.
Trotzdem ein
irrsinniger Traum.
Rule stellte das
Wasser aus und trocknete sich ab. Mit nacktem Arsch stand er im
Zimmer, das Handtuch um die Schultern gelegt, und rief das Labor
an. Nacheinander hob er seine Eier an. Sie trockneten aus, kein
Zweifel. Das war kein gutes Zeichen.
Im Labor wurde beim
vierten Klingeln abgehoben. Dieselbe Technikerin wie vorher. Sie
machte einen kompetenten Eindruck. All diese jungen Leute mit ihren
Abschlüssen in Kriminologie und Chemie und Genetik – das war eine
andere Welt. Sie lösten Fälle mit Beweismitteln, die man nicht
einmal sehen konnte, wie in einem Science-Fiction-Film. Und hier
war er und schnüffelte an einer Spur wie ein alter Jagdhund. Auf
der Suche nach einem Anhaltspunkt, ganz altmodisch. Eigentlich war
das nicht einmal Polizeiarbeit im eigentlichen Sinne, bloß
Intuition. Erfahrung und eine sensible Nase. So etwas konnte man
nicht im College vermitteln.
Die ballistische
Untersuchung des Manvel-Falls war abgeschlossen. Dieselbe Waffe bei
Bernie, Lomax’ Frau und dem Jungen. Neun-Millimeter-Automatik.
Wahrscheinlich galt das auch für den alten Mann in Columbus, aber
das würden sie nie mit Sicherheit erfahren, weil die Kugel von
irgendwem im Sheriffbüro von Colorado zerstört worden
war.
»Grover«, sagte
Rule.
»Wer?«
»Grover.«
»Oh.« Ein Experte
von einer Taubstummenschule war gekommen, um sich das erste Video
anzusehen, das mit Abraham Krishna. Die Fotografie-Abteilung hatte
das mit fünf Aufnahmen pro Sekunde aufgenommene Video – auf diese
Weise sparte der Laden Geld und konnte das Band in einer
vierundzwanzigstündigen Schleife laufen lassen – so weit
beschleunigt, dass es der realen Zeit ziemlich nahe kam. Es hatte
Streit wegen der Zigaretten gegeben. Dem Schützen fehlte ein Penny,
der Verkäufer wollte nicht nachgeben. Nichts Verwertbares, was die
Fingerabdrücke betraf, in keinem der Fälle. Und keine weitere Spur
von den Tätern. Seit dem frühen Nachmittag waren mehrere Läden in
der Gegend von Houston überfallen worden – ein Routinetag im
7-Eleven-Land -, aber in keinem Fall von DeReese und seinem
Kumpan.
Rule bedankte sich
und beendete das Gespräch. Das Mädchen hatte den Jargon jedenfalls
drauf. Man konnte meinen, sie würde in Law
& Order mitspielen. In Rules Augen hatte Abe Krishna
seinen Job eine Spur zu ernst genommen. Die Welt war voll mit
Verrückten. Manche davon trugen Waffen, und der kleinste Funke
konnte ein Pulverfass zum Explodieren bringen. Ein Penny zum
Beispiel. Gott. Fünf Menschen waren tot, mindestens. Zwei davon,
Abe und Bernie, wegen eines fehlenden Centstücks. Er fragte sich,
wie die Statistiker das in ihren Tabellen unterbringen
würden.
Dann zog er sich an
und verließ die Hütte, um zu Abend zu essen.
Inzwischen war die
Sonne untergegangen. Zwielicht lag über der Landschaft, die
Leuchtreklame des Motels blinkte, die Bäume waren voller Zikaden.
In der Luft lag ein beißender Geruch, wie von Kreosot und Schwefel.
Da er keine Lust hatte, zu fahren, überquerte er die Straße zu
einem Fernfahrercafé, das keinen allzu überfüllten Eindruck machte.
Er setzte sich an einen Tisch in der Ecke, bestellte frittiertes
Steak mit Kartoffelpüree, Kuhbohnen und Maisbrot statt Brötchen.
Ein Bier für die Wartezeit und ein zweites zum Essen. Während er
aß, kamen ein paar Polizisten aus dem Ort herein und versuchten,
ein Gespräch mit ihm zu beginnen. Aber ihm war nicht nach Reden
zumute. Als sie wieder verschwanden, schauten sie zu ihm herüber.
Es irritierte ihn, wie viele Polizisten offenbar dachten, dass
sämtliche Gesetzeshüter eine Art großer Bruderschaft darstellten.
Als gehörte man zu irgendeiner Loge.
Anschließend ging er
nach nebenan in Jack’s Lounge, ein kleines Backsteingebäude. Innen
war es ruhig. Zu den gedämpften Klängen aus der Jukebox ließen
Arbeiter von den Ölfeldern ihren harten Tag ausklingen. Er nahm
einen Drink an der Bar und lauschte Georgie Strait und Alan
Jackson. Dann hatte er genug vom Stehen und suchte sich einen Tisch
am Rand unter einer Leuchtreklame für Busch-Bier mit einem
beweglichen Wasserfall. Nie hatte er jemanden Busch trinken sehen,
aber die Reklameschilder waren überall. Müßig beobachtete er, wie
das Wasser über die Felsbrocken plätscherte. Er war einmal in den
Bergen von Colorado gewesen, und die Reklame erinnerte ihn
daran.
»Hübsch, nicht
wahr?«
Sie war neben seinem
Tisch aufgetaucht. In der Hand hielt sie einen Tom Collins in einer
Cocktailserviette. Sie trug eine gestärkte weiße Bluse, gebügelte
hellgrüne Jeans und geschlitzte Halbschuhe. Mit ihrem breiten
Gesicht, den großen grünen Augen und dem kurzen blonden Haar wirkte
sie wie Mitte dreißig. Ihre Kleidung war lässig, aber sehr
gepflegt, ihre Stimme ohne erkennbaren Akzent. Sie bewegte sich auf
den Wasserfall zu. »Dort bin ich aufgewachsen, in den Bergen. Und
ich vermisse sie immer noch. Darf ich mich zu Ihnen
setzen?«
Rule wies mit der
offenen Handfläche auf die andere Seite des Tisches, über eine rote
gläserne Kugel hinweg, in der eine Kerze ihrem Ende
entgegenbrannte. Ein stimmiges Detail in Jacks Dekoration. Sie nahm
Platz.
»Ich heiße Jan.« Er
schüttelte die Hand, die sie ihm entgegenstreckte. Ihre Haut war
weich, aber ihr fester Händedruck signalisierte, dass sie auf sich
aufpassen konnte.
»Rule«, sagte er.
»Nett, Sie kennenzulernen.«
»Gleichfalls.« Sie
lächelte.
Eine Stunde später
lagen sie im Bett seines Motelzimmers, aber er war nicht mit dem
Herzen dabei. Sein Schwanz wurde kaum hart. Er war nicht richtig
schlapp, aber er ließ nach, wenn er nicht aufpasste. Also passte er
auf und blieb in Bewegung. Während er sich abrackerte, dachte er an
seine großkotzige Bemerkung gegenüber dem Sheriff im Colorado
County; er grübelte über seine austrocknenden Eier nach, über sich
selbst. Aber er machte weiter, erledigte seinen Job. Und
beobachtete die unter ihm liegende Frau. Mit zur Seite gedrehtem
Kopf und geschlossenen Augen stöhnte sie und erweckte den Eindruck,
ganz bei der Sache zu sein. Ihre Schenkel waren weit geöffnet, die
Waden nach innen gedreht, ihre Fersen lagen in seinen Kniekehlen.
Sanft begegnete sie jeder seiner Bewegungen. Sie machte es ihm
leicht. Als ob sie wüsste, was sie wollte und wie sie dorthin
gelangen würde. Als ob sie kommen würde, ohne Problem, und
vielleicht schon bald. Aber ihn langweilte die ganze Sache, er
bewegte sich mechanisch. Das war ihm auch früher schon passiert.
Nur eine Wiederholung von vielen. Und weil es nichts daran gab, das
ihn veranlasst hätte, mehr zu geben oder sich auch nur darum zu
scheren, ob sie mehr wollte, gab er sich schon bald keine Mühe mehr
und brachte sich zum Höhepunkt. Während sich sein Rücken nach oben
bog, griff sie hinunter, um seine Eier zu streicheln. Dann rollte
er sich von ihr herunter. Seufzend lag sie an seiner Seite, einen
Arm und ein Bein über ihn gelegt. Sie sagte, es sei gut gewesen,
und er stimmte ihr zu. Sie sagte, so sei es nicht jedes Mal. Er
räumte ein, dass sie wohl recht hätte, denn nie sei ein Mal so wie
ein anderes Mal. Dann sagte er, es habe ihm großen Spaß gemacht,
aber er müsse sich jetzt hinhauen. Er bot ihr noch an, sie zu ihrem
Wagen zu bringen, doch der stand gleich auf der anderen
Straßenseite.
Während sie sich
anzog, sagte sie kein Wort. Sie versteckte ihre Gefühle ziemlich
gut, dachte er voller Erleichterung. Als sie aber die Hand auf den
Türknauf legte, drehte sie sich noch einmal um. »Ich werde dir
nicht anbieten, meine Telefonnummer hierzulassen.«
»Okay«, erwiderte
Rule und dachte: Jetzt kommt’s.
»Du scheinst sie
nämlich nicht zu wollen.«
»Ich komme einfach
nicht oft hier runter.«
»Ja«, sagte sie.
»Dafür müsstest du schon einen guten Grund haben.«
»Wahrscheinlich.«
»Na ja, dann liegen
die Dinge ja ziemlich klar.« Sie stand immer noch in der Tür, die
Hand auf dem Knauf, und sah aus wie aus dem Ei gepellt. »Du weißt
nicht, was du verpasst.«
Er glaubte schon,
hatte aber keine Lust, darüber zu diskutieren. Also sagte er, sie
solle auf sich aufpassen. Darauf entgegnete sie nichts mehr und
rauschte mit erhobenem Kopf hinaus.
Er war froh, dass
sie draußen war. Trotzdem war es noch früh, und er konnte nicht
einschlafen. Er stand auf, wühlte in seiner Reisetasche und zog
schließlich ein kleines Buch heraus, das Katie ihm zum Geburtstag
geschenkt hatte. Er hatte es immer bei sich, wenn er außerhalb der
Stadt unterwegs war. Ein Buch mit Zitaten, eines für jeden Tag. Er
hatte ihr versprochen, jeden Morgen oder Abend darin zu lesen, wie
ein Ritual. Jetzt aber hatte er es schon seit mehreren Tagen,
vielleicht sogar Wochen, nicht mehr angefasst. Plötzlich fiel ihm
ein, dass er Katie nach seinem Traum fragen konnte. Sie war gut in
Psychologie, hatte Kurse darin belegt. Jedenfalls hatte sie einmal
erwähnt, dass sie viel von diesem Frauenzeugs gelesen hätte, über
Geschlechterrollen, Selbstbilder und männliche Verhaltensmuster.
Irgendwas über Macht und Kontrolle. Bei diesem Teil hatte sie
missbilligend die Stirn gerunzelt. Und sie führte ein
Traumtagebuch. Vielleicht sollte er sie wirklich
fragen.
Wenn sie sich
irgendwann einmal meldete.
Er vermisste sie und
erinnerte sich an eine Zeit, als sie bei jeder Gelegenheit auf
seinen Schoß geklettert war. Als sie noch klein war. Ein
verschmustes kleines Ding. Unwillkürlich lächelte er bei der
Erinnerung. Katie auf seinem Schoß, ihre Mutter neben ihnen auf dem
Sofa, ebenfalls anschmiegsam. Dann sah er seine Ex plötzlich im
Türrahmen zum Schlafzimmer stehen und brüllen, sie könne es nicht
mehr aushalten. Sie hätte es versucht. »Und das Traurige daran ist,
Rule, dass du es eben nicht versucht hast. Du bist ein egoistischer
Drecksack!«
Vermutlich hatte sie
recht.
Andererseits war sie
stinkwütend gewesen, als sie das gesagt hatte.
Er lag auf dem Bett,
öffnete das Buch und blätterte es durch auf der Suche nach dem
Zitat, das er zuletzt gelesen hatte. Er konnte sich nicht mehr
genau erinnern. Ein Problem war, dass ihm manches von dem Zeug
schwerverdaulich schien. Keine einfache Lektüre. Es schien ihm, als
wären die meisten Zitate aus längeren Texten herausgenommen worden,
die vielleicht ein paar Zusammenhänge geliefert und dem Ganzen mehr
Sinn verliehen hätten. Das hier war ein anderes Kaliber als die
zitierbaren Zitate aus dem Reader’s
Digest. Die kamen auf unterhaltsame Weise immer auf den
Punkt.
Schließlich
entschied er sich, die Seiten für die drei letzten Tage zu lesen.
Das erste Zitat wirkte allzu sonnig, und das zweite ergab überhaupt
keinen Sinn. Das letzte allerdings sprach ihn ganz direkt an. Er
las es zweimal. Es stammte von einem Autor namens Nietzsche. Ihm
war es ein Rätsel, wie dieser Name ausgesprochen wurde. Verrückter
deutscher Name, ein Philosoph. In der Anmerkung des Herausgebers
las er, dass der Kerl verrückt geworden und in einem Irrenhaus
gestorben war.
Dann las er das
Zitat zum dritten Mal:
»Ein Bild machte
diesen bleichen Menschen bleich. Gleichwüchsig war er seiner That,
als er sie that: aber ihr Bild ertrug er nicht, als sie gethan war.
Immer sah er sich nun als Einer That Thäter. Wahnsinn heisse ich
diess: die Ausnahme verkehrte sich ihm zum Wesen.«
Er dachte darüber
nach. Eine einzige Tat. Verdammt wahr, mehr war nicht nötig. Er
dachte darüber nach und vergaß irgendwann, dass er dabei war, zu
warten.