Kapitel Neunundzwanzig
Vera und Holly passten Freya zur Mittagszeit vor dem Newcastle College ab. «Es ist wichtig, dass wir uns noch nicht festlegen», hatte Vera gesagt, obwohl sie unablässig an Connie und deren Tochter dachte. Noch ein Kind, um das man sich Sorgen machen musste. Patrick, Elias, und jetzt Alice. Das musste doch was zu bedeuten haben. Sie wünschte, sie wäre intelligenter und könnte den Sinn hinter dem Ganzen erkennen. Natürlich machte sie sich Vorwürfe, dass sie Connie am Morgen verpasst hatten, dass ihr leerer Magen ihr wichtiger gewesen war als die Ermittlungen. Sie wusste, dass auch Ashworth ihr das vorwarf.
Sie und Holly waren in die Stadt gefahren und hatten das Auto unerlaubterweise in einer kleinen Nebenstraße gleich beim Rye Hill Campus abgestellt, vor einem Großhandelslager mit chinesischen Lebensmitteln, wo es nach Gewürzen duftete. Sie wollten gerade zum Institut für Schauspielkunst gehen, als sie Freya sahen. Sie kam ihnen allein in einem Pulk anderer Studenten entgegen, die plaudernd und kichernd auf dem Weg zum Mittagessen waren. Vera erkannte sie an ihrem mädchenhaften Gang, fast schon ein Tänzeln, und dem bedruckten Kleidchen, das sie diesmal zu Jeans und Blazer trug. Freya sah die beiden erst in letzter Minute. Sie hielt sich das Handy ans Ohr und plapperte mit einer Freundin über ein Stück, das sie zusammen gesehen hatten. Sie strahlte, und Vera hätte am liebsten um sie geweint.
«Hallo, Herzchen!»
Sie zogen sie mit sich in einen Coffee Shop, der eher einer ambitionierten Pommesbude glich. Es roch gleichermaßen nach Frittierfett und dem Kaffee aus der großen silbernen Espressomaschine.
«Sie sind doch bestimmt am Verhungern», sagte Vera. «Jetzt, wo Sie für zwei essen müssen.»
Und offenbar hatte Freya tatsächlich Hunger. Morgan mochte ja Vegetarier sein, aber das Mädchen nahm es mit einem kompletten englischen Frühstück und einem Becher Tee auf. Würstchen und Schinken hatte sie binnen Sekunden verputzt.
«Sie haben uns gar nicht erzählt, dass Sie an dem Vormittag, an dem die Sozialarbeiterin ums Leben gekommen ist, im Willows waren.» Vera kämpfte mit ihrer Aussprache. Sie hatte ein Stück Kuchen gewählt, der so süß war, dass er ihre Zähne wie Superkleber zusammenpappte.
Freya sah hoch. Große, plötzlich erschrockene Augen über dem Becherrand. «Sie haben nicht danach gefragt.»
«Jetzt machen Sie mal halblang. Es hätte gar nicht erst nötig sein dürfen, dass wir Sie fragen, meinen Sie nicht? Ein schlaues Mädchen wie Sie hätte doch wohl erraten müssen, dass uns das interessiert.»
«Michael hat gesagt, dass Sie vielleicht falsche Schlüsse daraus ziehen.»
«Er war an dem Morgen auch da, nicht wahr?» Holly schaltete sich ein, fest entschlossen, zu demonstrieren, dass sie nicht bloß dabei war, um den Wagen zu fahren. Das konnte Vera ihr nicht vorwerfen. Es war ja auch nichts falsch daran, wenn eine Frau ein bisschen Ehrgeiz zeigte. «War der Kurs auch für die Partner? Ist ja toll, dass er an allem teilhaben will, was mit dem Baby zu tun hat.»
«Das war ein Gymnastikkurs.» Freya sah jetzt entspannter aus. Vielleicht war sie ja doch genauso dumm, wie Mattie Jones es gewesen war, und verbarg es nur besser. «Ohne die Väter. Zum Geburtsvorbereitungskurs wird Michael natürlich mitkommen. Wir haben eine natürliche Geburt geplant. Er ist mit einer Hebamme befreundet, und wir kriegen das Baby zu Hause. Wollen uns so eine Geburtsbadewanne mieten. Aber an dem Tag hat er mich bloß gefahren.»
«Ich nehme an, die Zeit dort hat er dann genutzt, um ein bisschen was aufzuarbeiten.» Holly lächelte ermutigend. Vera hatte den Eindruck, dass die Einzelheiten der Schwangerschaft Holly ebenso sehr langweilten wie sie selbst und dass sie das Gespräch nur zu gern vorantreiben wollte.
«Ich glaube schon.» Aber Freya wurde wieder argwöhnisch. Hatte Morgan ihr eingeschärft, bestimmte Themen zu meiden, wenn sie allein befragt wurde?
«Wo haben Sie sich dann getroffen?», fragte Vera. «Nach dem Kurs, meine ich.»
Schweigen. Auf die Frage hatte Morgan ihr offenbar keine Antwort vorgesagt.
«Hat er im Auto auf Sie gewartet?»
«Das weiß ich nicht mehr.»
Vera wartete, bis eine Bedienung in zerrissenen Jeans mit Tellern voller Rührei und Schinken für ein paar Arbeiter am Nebentisch vorbeigewirbelt war.
«Natürlich wissen Sie das noch, Schätzchen. Und wir kriegen es ja sowieso raus. An einem Ort wie dem Willows wird der Parkplatz videoüberwacht, und es gibt sicher jede Menge Zeugen.» Nur dass das Band der Videoüberwachung am Abend vor dem Mord vollgewesen war und niemand sich die Mühe gemacht hatte, es auszuwechseln. «Es wäre viel besser, wenn Sie uns das alles selber sagen würden.»
Freya sah aus wie ein in die Enge getriebenes Tier. Vera dachte an die Fallen, die die Wildhüter in den Bergen aufstellten. Ein Käfig aus Drahtgeflecht, in dem eine Krähe saß, um andere Raubvögel anzulocken. War es richtig, dass sie Freya dafür benutzten, Morgan zu überführen?
«Wir haben ausgemacht, dass wir uns am Auto treffen», sagte Freya. «Aber da war er nicht, als ich vom Kurs gekommen bin.»
«Um wie viel Uhr war das?»
«Der Kurs war um zehn Uhr aus.»
«Und was haben Sie dann gemacht?», fragte Holly. «Haben Sie ihn gesucht? Das wäre doch eine gute Gelegenheit gewesen, mal wieder bei Ihren alten Arbeitskolleginnen vorbeizuschauen. Auf einen schnellen Kaffee oder ein kleines Schwätzchen.»
«Mit diesen Leuten habe ich nicht mehr viel gemein.» Das war Morgan, dachte Vera, der da durch Freyas Mund sprach.
«Wo sind Sie dann also hingegangen? Zu Michaels Büro? Vielleicht hat er sich ja in seinen Papierkram vergraben und nicht auf die Uhr geschaut.» Diesmal war es Holly, die dem Mädchen die Worte in den Mund legte.
Arme Kleine, dachte Vera. Sie ist bloß eine Bauchrednerpuppe.
«Ich habe ihn auf dem Handy angerufen», sagte Freya. «Ich weiß, dass er nicht will, dass ich im Hotel rumlaufe. Er sagt, ein paar von den Mädchen da sind ein schlechter Umgang. Also habe ich ihn angerufen.»
«Und?» Inzwischen schien Holly nahe daran zu sein, das Mädchen zu schütteln. Sie muss geduldiger werden, dachte Vera. Sie selbst machte sich mehr Sorgen über das, was Freya geantwortet hatte. Welches Recht besaß dieser Mann, ihre Freunde für sie auszusuchen?
«Und nichts. Er ist nicht drangegangen. Ich habe gewartet. Kurz darauf ist er dann aufgetaucht und hat mich nach Hause gefahren. An dem Tag hatte ich keine Kurse am College. Es waren noch Osterferien.» Sie klang eingeschnappt, wie ein verzogenes Kind. Auf der Rückfahrt an die Küste hatten sie sich wahrscheinlich gestritten, dachte Vera.
«Hat er gesagt, wieso er zu spät gekommen ist?», fragte Holly.
«Er hat gesagt, das geht mich nichts an. Irgendwas mit seiner Arbeit. Ich habe gedacht, vielleicht hat Mattie Jones ihn wieder belästigt. Sie hat angefangen, ihn vom Gefängnis aus anzurufen, und das hat ihn wahnsinnig gemacht.»
Nein, dachte Vera. Nicht Mattie. Die war im Krankenhaus und hat den Blinddarm rausbekommen. Jenny vielleicht? Hat sie ihn gesehen, wie er einen teuren Kaffee in der Lounge getrunken und auf Freya gewartet hat? Hat sie ihn um ein Interview zum Elias-Jones-Fall gebeten, für ihr Buch, und ihm gesagt, dass sie es so oder so schreiben würde? Hat er von der Besuchergalerie aus beobachtet, wie sie ins Dampfbad geht, sich schnell die Badehose angezogen und sie umgebracht?
Sie war so in ihre Spekulationen versunken, dass sie erst gar nicht merkte, dass Freya und Holly sie anstarrten. Sie sah sich selbst durch die Augen der beiden: alt, hässlich, schwerfällig. Sie konnte ihr Mitleid spüren. Und dann fühlte sie, wie das Selbstvertrauen sprudelnd in ihr aufstieg. Vielleicht bin ich ja nicht jung und hübsch, aber ich habe Köpfchen, dachte sie. Und zwar mehr Köpfchen als ihr zwei zusammen. Ein paar Tage noch, dann haben wir den Fall hier aufgeklärt.
Am frühen Nachmittag traf sie wieder im Willows ein, angetrieben von Koffein und Zucker und ihrem Stolz. Zunächst setzte sie sich in die Lounge, trank noch mehr Kaffee und beobachtete die Gäste. Hier standen tiefe, chintzbezogene Armsessel. Es war ein Leichtes, sich darin vor den anderen Gästen zu verbergen und ein vertrauliches Gespräch zu führen. Die Kellner kamen, um die Bestellung aufzunehmen. Man musste nicht aufstehen und sich an der Bar anstellen. Hier ging es so anonym zu, wie man es sich nur vorstellen konnte.
Ihre Bedienung war schon etwas älter, die Karikatur eines längst vergangenen Zeitalters, bucklig und beinahe taub. Vera musste sie anbrüllen.
«Sie haben doch bestimmt Fotos von Jenny Lister gesehen, der Frau, die letzte Woche hier umgebracht worden ist. Ist sie jemals auf einen Kaffee hier in die Lounge gekommen?»
Die Kellnerin schüttelte den Kopf und schlurfte davon, und Vera war sich nicht einmal sicher, ob sie sie überhaupt richtig verstanden hatte. Doch etwas später tauchte ein junger Kerl auf. Schwarze Hose, weißes Hemd, schwarze Weste. Verheerende Akne im Gesicht, die umso schlimmer aussah, als er nervös war und ihm das Blut in die Wangen schoss.
«Doreen hat gesagt, dass Sie nach der Frau gefragt haben, die ums Leben gekommen ist.»
Vera nickte. Sie wagte nicht zu sprechen, da sie sonst womöglich in Jubel ausgebrochen wäre.
«Ich meine, dass sie an jenem Morgen hier war. Das habe ich der Polizei aber noch nicht gesagt. Wissen Sie, ich könnte es nicht beschwören.»
Wieder nickte Vera.
«Jedenfalls», fuhr er fort, «ist sie ziemlich oft hier gewesen und hat immer das Gleiche getrunken. Einen entkoffeinierten verlängerten Espresso. Den habe ich immer schon gemacht, wenn ich sie kommen sah.» Das Rot auf seinen Wangen vertiefte sich, und Vera dachte, dass er bestimmt in Jenny Lister verliebt gewesen war, dass die ältere Frau in seinen pubertären Träumen aufgetaucht war.
«Hat sie sich an dem Tag mit irgendwem getroffen?», fragte Vera. «Daran würden Sie sich doch erinnern, oder? Weil sie dann noch was anderes bestellt hätte, außer dem Espresso, und das wäre ungewöhnlich gewesen.»
«Ja», sagte er. «Daran würde ich mich erinnern. Aber sie hat sich mit niemandem getroffen.» Er hielt inne. Er wollte sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, fand den Gedanken, sich womöglich zu irren, offenbar unerträglich.
«Alles, was Sie mir sagen, könnte uns weiterhelfen. Auch, wenn es bloß ein Eindruck ist.»
«Ich hatte das Gefühl, dass sie auf jemanden wartet.» Die Worte wurden hastig hervorgestoßen. Er musste sie aussprechen, bevor ihn der Mut wieder verließ.
«Hat sie Ihnen gesagt, dass sie auf jemanden wartet?»
«Nein. Aber immer, wenn jemand in die Lounge gekommen ist, hat sie hochgeblickt, und sie hat ständig auf die Uhr geschaut.»
«Um wie viel Uhr war das?», fragte Vera.
«Noch früh. Vor neun Uhr. Das war auch ungewöhnlich. Normalerweise ist sie immer erst gekommen, nachdem sie schwimmen gewesen ist.»
«Woher wissen Sie, dass sie vorher nicht schwimmen war?»
«Ihre Haare sind noch trocken gewesen. Sonst waren sie immer noch etwas feucht, so als hätte sie sich nicht die Mühe gemacht, den Haartrockner zu benutzen. Und sie hat auch nicht nach Chlor gerochen.»
«Vielen Dank.» Vera schenkte ihm ihr breitestes Lächeln. «Sie sollten darüber nachdenken, zur Polizei zu gehen. Hier verschwenden Sie Ihr Talent.»
Dann streifte sie wieder im Hotel umher. Karen saß nicht am Empfang – natürlich nicht: Sie war zu Hause und trauerte um ihren Sohn. Stattdessen saß dort eine dürre junge Frau, die Vera wiedererkannte und sie ohne ein Wort durch das Drehkreuz ließ. Sie traf Ryan Taylor in seinem Büro an.
«Sie haben bestimmt schon das von Danny Shaw gehört.»
«Selbstverständlich.»
«Was erzählt man sich hier im Hotel so darüber? Bestimmt reden alle davon.» Vera hockte sich auf die Ecke seines Schreibtischs. Als sie auf seinen kugeligen, kleinen Kopf hinunterblickte, sah sie, dass sein Haar sich am Scheitel lichtete.
«Sie haben Angst», sagte Taylor. «Der Tod von Mrs Lister, das war irgendwie aufregend. Keiner hat sie so richtig gekannt. Das war eher, wie wenn man sich einen Horrorfilm im Fernsehen anschaut. Ich meine, man genießt das gruselige Gefühl, weiß aber, dass es nicht echt ist.»
«Aber Dannys Tod ist echt.»
«Ja, wir haben ihn zwar nicht unbedingt gemocht, aber gekannt haben wir ihn doch. Ich nehme an, meine Leute fragen sich, wer wohl der Nächste sein wird. Im Grunde unserer Herzen sind wir doch alle selbstsüchtige Schweine, oder?»
«Ist sonst noch was Ungewöhnliches passiert?» Sein Benehmen machte sie irgendwie argwöhnisch. Es war wie bei dem jungen Kellner. Taylor wog ab, ob er ihr etwas erzählen sollte oder nicht.
«Lisa ist heute Morgen nicht gekommen. Sie hätte um acht da sein sollen. Sie hat angerufen und gesagt, dass sie krank ist. Ich kann mich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal krank war. Wahrscheinlich nur ein Zufall.»
«Sicher», sagte Vera. «Ganz bestimmt.» Aber das setzte sie wieder in Bewegung. Zurück zu ihrem Wagen, in der Hand einen Fetzen Papier mit Lisas Adresse. Wieder die Fahrt gen Osten in die Stadt.
Lisa wohnte mit ihrer Mutter in einem kleinen backsteinernen Haus in einer Gemeindesiedlung im Westend der Stadt. Vom Ende der Straße aus konnte man hinter einem Gewerbegebiet den Tyne sehen. Vielleicht wohnte auch der Vater der Form halber noch da und war nur gerade im Gefängnis, vielleicht war er aber auch ausgezogen. Auf jeden Fall deutete nichts auf seine Anwesenheit hin. Die Hälfte der Häuser in der Straße standen leer, waren mit Brettern zugenagelt und sahen aus, als hätten Kinder darin gezündelt. In einigen Gärten türmte sich der Müll. Doch Lisas Haus war makellos. Das Gras auf dem kleinen Rasenfleck war gemäht, und den Weg zur Eingangstür säumten Blumentöpfe mit Primeln. Drinnen roch es so stark nach Möbelpolitur und Desinfektionsmitteln, dass es Vera, kaum dass ihr die Tür geöffnet wurde, beinahe umgeworfen hätte.
Vor ihr stand eine Frau, die Lisas feine Gesichtszüge besaß und einmal blond gewesen sein mochte. Jetzt kam die Farbe aus einem Fläschchen, und sie war nicht richtig aufgetragen worden. Das Ergebnis war fleckig und ungleichmäßig, halb Kastanie und halb Messing. Aber wer war Vera, dass sie daran herumkritteln durfte?
«Ist Lisa zu Hause, Herzchen?»
Die Frau war klein, doch sie wich nicht von der Stelle, wie ein Kampfhund. Eine Polizistin konnte sie auf hundert Yards Entfernung riechen.
«Sie ist bei der Arbeit.»
«Nein, ist sie nicht.» Vera ließ die Müdigkeit in ihrer Stimme durchklingen. Die aufputschende Wirkung des Koffeins war verflogen. «Da komme ich gerade her. Erzählen Sie mir kein dummes Zeug, ich bin nicht in Stimmung für so was. Sagen Sie ihr, Vera Stanhope ist hier, und lassen Sie mich bitte herein, damit ich meine Füße von dem Gewicht befreien kann.»
Vielleicht war es der letzte Satz, der das Wunder bewirkte. Lisas Mutter erkannte die Erschöpfung einer arbeitenden Frau, trat beiseite und führte Vera in das blitzblanke Wohnzimmer, das untertags nie benutzt wurde, es sei denn, es gab Besuch. Gleichzeitig hörte man Schritte auf der Treppe, und da war Lisa. Sie hatte alles mit angehört. Sie sah blass und dünn aus.
«Ich war’s nicht», sagte sie. Die Worte waren schon heraus, bevor sie das Fußende der Treppe erreicht hatte, sie drangen durch die geöffnete Tür ins Wohnzimmer. «Ich habe Danny Shaw nicht umgebracht.»
«Aber Herzchen, ich habe nicht eine Sekunde lang geglaubt, dass Sie das waren.»
«Ich hab’s in den Nachrichten gesehen und gedacht, dass jetzt alle glauben, ich war’s. Dass alle wollen, dass ich es war.»
Da wurde Vera klar, dass sie umsonst hergekommen war. Lisa hatte sich krankgemeldet, weil sie die Anschuldigungen ihrer Kollegen nicht ertragen konnte. «Wissen Sie was», sagte sie, «ich werde den Mörder verhaften, dann haben die was anderes, worüber sie tratschen können.»
«Werden Sie das tun? Dann wissen Sie also, wer es war?»
Lieber Himmel, dachte Vera, was sage ich jetzt bloß? «In ein paar Tagen ist alles vorbei.» Sie wuchtete sich wieder auf die Füße. Lisas Mutter sagte etwas von Tee, aber Vera hatte jetzt ein Versprechen gegeben, das sie einhalten musste, und nun drängte die Zeit. Auf der Türschwelle blieb sie stehen und drehte sich noch einmal zu Lisa um.
«Es war Danny Shaw, der geklaut hat, oder?»
Lisa nickte. «Ich habe ihn einmal im Pausenraum gesehen. Er hat nicht gemerkt, dass ich da war.»
«Warum haben Sie das niemandem gesagt?»
Sie zuckte nur die Achseln, aber Vera wusste ohnehin, warum. Man hatte Lisa beigebracht, niemanden zu verpfeifen, und überhaupt, wer hätte ihr denn geglaubt?
Als sie in den Wagen stieg, klingelte ihr Handy. Es war Joe Ashworth, der ihr sagen wollte, dass Connie immer noch nicht wieder zu Hause sei und er sich langsam Sorgen mache.